
Michael Glos (CSU) ist ein Mann mit Humor. „Wenn man mich nachts aufwecken würde und fragte: Parole?“, erzählte der Bundeswirtschaftsminister am vergangenen Donnerstag im Bierkeller der Bayrischen Landesvertretung in Berlin, „dann würde ich sofort Steuersenkungen sagen.“ Mit dieser Botschaft, verpackt in eine kurzweilige Geschichte, wollte der CSU-Mann auch die letzten Zweifel ausräumen: Natürlich kämpfe er weiter in Berlin für Steuersenkungen als Mittel gegen die Rezession, natürlich habe das absolute Priorität für die CSU.
Genau daran hatten einige in der bayrischen Traditionspartei Zweifel bekommen. Schließlich hatte Glos vor wenigen Tagen Beitragssenkungen bei der Krankenversicherung ins Spiel gebracht, um den privaten Verbrauch anzukurbeln – und damit vom ungeliebten Koalitionspartner SPD Beifall bekommen. Postwendend brachte der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer seine Skepsis zum Ausdruck: „Das halte ich nicht für zielführend.“ Folglich diktierte Glos den Journalisten in die Blöcke: „Ich habe Beitragssenkungen als eine Möglichkeit erwähnt, wenn man über die Steuersenkungen hinaus etwas tun will“, sagte Glos, „ich halte es auch für meine Aufgabe als Wirtschaftsminister, alle Instrumente zu nennen.“ Die Entscheidung, was zu tun sein, müsse der Koalitionsausschuss treffen.
Klar ist: Die CSU erhöht den Druck auf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Seehofer drohte gar, den Koalitionsausschuss am 5. Januar platzen zu lassen, falls die CDU-Chefin nicht bereit sei, bei Steuersenkungen einzulenken. Merkel, von ausländischen Medien wegen ihrer ablehnenden Haltung zu Konjunkturprogrammen bereits als „Madam No“ bezeichnet, wird sich bewegen müssen. Und im Inland wird die Wirkung des ersten beschlossenen Konjunkturpakets bereits infrage gestellt.
Mix an Konjunkturmaßnahmen
Es fehlt der große Wurf. Längst lässt die Kanzlerin deshalb ihren Wirtschaftsberater Jens Weidmann einen Plan B entwerfen. Der stimmt sich schon mit der Unions-Fraktion, dem CSU-Wirtschaftsministerium und der SPD ab. Dabei kristallisiert sich ein Gesamtpaket mit einem Mix an Konjunkturmaßnahmen heraus:
Die Beseitigung der sogenannten „kalten Progression“, die bislang dazu führte, dass Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen durch Inflation und Gehaltserhöhung immer stärker besteuert wurden. Von 2006 bis 2009 bedeutet dies Steuermehrbelastungen in Höhe von 18 Milliarden Euro. Eine Senkung der Krankenversicherungsbeiträge durch eine staatliche Geldspritze in den Gesundheitsfonds, die zu einer Entlastung von Arbeitnehmern und Unternehmen führt. Ein zweites Infrastrukturprogramm. Steuerschecks für sozial Schwache als Einmal-Zahlung. Gleichzeitig eine verbindliche Schuldenabbau-Zusage, am besten verbunden mit einer „Schuldenbremse“ in der Verfassung.
Einigung der Koalitionspartner gestaltet sich schwierig
Um, wie es in der Bundesregierung heißt, „einen psychologischen Effekt“ zu erzielen, soll dieses Programm eine Größenordnung von mindestens 30 Milliarden Euro umfassen. Auch ein Zeitfenster für die Verkündung des Pakets scheint schon geplant. Dies könnte nach dem 20. Januar geschehen, also nach dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Barack Obama. Damit will sich Merkel die Reaktion auf dessen Konjunkturprogramm offenhalten und zugleich vermeiden, dass ein zu früh verkündetes deutsches Programm bereits wieder als überholt gelten könnte.
Bis dahin müssen sich allerdings die Koalitionsparteien noch einigen. Von weihnachtlicher Ruhe ist deshalb in Berlin wenig zu spüren: Am 14. Dezember hat Merkel Verbandsvertreter, einige Unternehmensführer, Wissenschaftler und Kabinettskollegen zum Konjunkturgipfel ins Kanzleramt geladen. Dann soll es noch eine Runde der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten geben, Glos wiederum trifft sich mit den Wirtschaftsministern der Länder. Und am 18. Dezember stimmt sich Merkel mit den Unions-Ministerpräsidenten ab, an dem Treffen nehmen auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder, CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer und die Generalsekretäre von CDU/CSU teil. Und am 2. Januar schließlich wollen sich CDU und CSU endgültig einigen, mit welcher Strategie sie in das Treffen mit der SPD gehen werden.
Die Pressestellen stellen sich schon auf hektische Tage ein. Politiker, die sonst nicht zu Wort kommen, werden sich melden, und Medien und Experten werden sich weiterhin mit Negativ-Szenarien über die Rezession überbieten, von der die Weltbank sagt, es sei die größte Wirtschaftskrise seit 1929.