Konkurrenz für die Kanzlerin Wer Angela Merkel überhaupt gefährlich werden kann

Die CDU diskutiert über die Post-Merkel-Zeit. Noch ist die Stärke ihrer Gegner begrenzt. Die größte Gefahr geht von einer anderen Partei aus.

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Am Sonntagabend versicherte sie, dass sie bei einem Scheitern einer großen Koalition als Kandidatin bereit stünde, um den Weg zu Neuwahlen über eine Minderheitsregierung zu ebnen. Quelle: dpa

Berlin EU-Kommissar Günther Oettinger gilt als Freund offener Worte. „Dass die Kanzlerin in die letzte Periode geht, ist doch allen klar“, sagte der CDU-Politiker am Montag. Hintergrund ist die parteiinterne Debatte über die Zeit nach Angela Merkel. Die Diskussion empfindet selbst die Kanzlerin als normal. Schließlich sei sie schon zwölf Jahre im Amt, sagte Merkel am Sonntagabend: „Dann ist ja klar, dass ich nicht weitere zwölf Jahre Bundeskanzlerin sein werde.“

Doch die entscheidende Frage ist: Wann beginnt die Post-Merkel-Zeit eigentlich? Tagelange öffentliche Kritik aus der CDU am Koalitionsvertrag und der Abgabe des Finanzministeriums an die SPD legen möglicherweise ein rasches Ende nahe. Merkel und Oettinger denken dagegen eher an 2021. Konkurrenz droht der CDU-Chefin und ihren Ambitionen aus vier Richtungen:

Der Wirtschaftsflügel

Geht man nur nach den Zahlen, müssten Merkels Tage längst gezählt sein. Denn zum Parlamentarischen Kreis Mittelstand gehört weit mehr als Hälfte der Unions-Abgeordneten. Der PKM-Vorsitzende Christian von Stetten gehörte schon in der Griechenland- und in der Flüchtlingsdebatte zu Merkels Kritikern. Hinzu kommt der Chef der Mittelstandsvereinigung MIT, Carsten Linnemann, der sich bei der Abstimmung über den Koalitionsvertrag enthielt und wegen der Zugeständnisse an die SPD vor dem Ende der Volkspartei CDU warnte. Auch der parteinahe CDU-Wirtschaftsrat ist kritisch.

Allerdings: Die Durchschlagskraft des Wirtschaftsflügels gilt als begrenzt. Denn in der Volkspartei CDU stehen ihm mächtige Gruppierungen entgegen wie die Frauen-Union, der sozialpolitische Flügel CDA und die Seniorenunion, die ganz andere Ziele haben - und Merkels Kurs weiter unterstützen.

Die Junge Union

Seit längerer Zeit ist die Junge Union als gemeinsame Nachwuchsorganisation der Union konservativer und nationaler als die CDU. Und schon unter dem verstorbenen JU-Vorsitzenden Philipp Mißfelder bildete sich eine Gruppierung heraus, zu der das CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn, Linnemann und der heutige JU-Vorsitzende Paul Ziemiak gehören, die alle aus Nordrhein-Westfalen stammen. Seit Mißfelders Tod gilt der 37-jährige Spahn nicht nur als Nachwuchstalent, sondern auch als Frontfigur, den die anderen in Amt und Würden hieven wollen. „Die Kanzlerin sollte den Mut haben, auch kritische Leute zu Ministern zu machen“, sagte Ziemiak.

Allerdings: So präsent das Trio in den Medien ist, wirkliche Macht in der CDU-Führung hat die Gruppe derzeit nicht. Und mit dem 44-jährigen schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther wächst im hohen Norden ein Nachwuchspolitiker heran, der weniger konservativ als die NRW-Männer ist und längst klargemacht hat, dass er in der Bundes-CDU mitspielen will.

Die Altvorderen

Derzeitig haben frühere CDU-Politiker wie die Nordrhein-Westfalen Friedrich Merz und Wolfgang Bosbach und der frühere hessische Ministerpräsident Roland Koch Hochkonjunktur in den Medien. Alle drei gelten als Gallionsfiguren der Konservativen und äußern öffentliche Kritik sowohl am Koalitionsvertrag als auch an Merkels Verhandlungsgeschick. Ihr Vorteil: Sie können sich offener äußern, weil sie nichts zu verlieren haben.

Allerdings: Die Aufmerksamkeit für die Altvorderen gilt in der CDU-Spitze als größer als ihr realer Einfluss in der Partei - schon wegen des selbst gewählten Rückzugs aus der Politik.

Die SPD

Paradoxerweise lauert die größte Gefahr für Merkel derzeit nach Einschätzung in der Unionsführung nicht in ihrer eigenen Partei, sondern in der SPD. Denn die zwölfjährige Amtszeit erklärt sich laut Umfragen dadurch, dass viele Wähler mit Merkel Stabilität verbinden. Wenn nach dem Jamaika-Aus nun auch noch die große Koalition am SPD-Mitgliederentscheid oder einer völlig verfahrenen Situation in der SPD scheitern sollte, könnte dies ihr Image entscheidend ankratzen.

Allerdings: Merkel hat bereits versucht vorzubeugen. Am Sonntagabend versicherte sie, dass sie bei einem Scheitern einer großen Koalition als Kandidatin bereit stünde, um den Weg zu Neuwahlen über eine Minderheitsregierung zu ebnen. Und bei Neuwahlen werde sie ebenfalls wieder Spitzenkandidatin der Union sein, hatte Merkel bereits nach dem Jamaika-Aus betont.

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