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Korrekturen an "Agenda-2010" SPD-Wahlprogramm rückt Partei nach links

Kanzlerkandidat Peer Steinbrück preist das Wahlprogramm als Werk von Kandidat und Partei. Entweder ist er nach links gerückt oder die SPD hat ihn nach dem Stolperstart dorthin geschoben.

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Steinbrücks Pannen im Wahlkampf
Thüringens Wirtschaftsminister Matthias Machnig ist Mitglied in Peer Steinbrücks Kompetenzteam und hat nach Spiegel-Informationen jahrelang doppelte Gehälter kassiert. Das könnte Steinbrück jetzt um die Ohren fliegen Machnig habe sowohl sein Einkommen als Minister in Thüringen als auch Übergangsgeld und Ruhegehalt aus seinem vorherigen Amt als Staatssekretär im Bundesumweltministerium erhalten, schreibt der Spiegel. Quelle: dpa
Den von Peer Steinbrück vorgestellten SPD-Slogan für die Bundestagswahl - "Das Wir entscheidet" - nutzt ausgerechnet eine Leiharbeitsfirma schon seit 2007. Da der Spruch nicht rechtlich geschützt ist, will das Unternehmen ProPartner allerdings nicht rechtlich gegen die SPD vorgehen. Unglücklich ist die Parallele auch deshalb, weil sich die SPD thematisch gegen die zunehmende Leiharbeit positioniert hat. Quelle: dpa
Es gibt viele Arten, sich unangreifbar zu machen. Der SPD-Kanzlerkandidat forderte von seinen Genossen gleich am Anfang: "Das Programm muss zum Kandidaten passen, der Kandidat zum Programm. Ihr müsst dem Kandidaten an der einen oder anderen Stelle auch etwas Beinfreiheit einräumen." Peer Steinbrück wollte damit volle Richtlinienkompetenz - und das Recht, das sagen zu dürfen, worauf er gerade Lust hat. Steinbrück hat von diesem Recht reichlich Gebrauch gemacht. Quelle: AP
In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung attestierte Steinbrück seiner Gegnerin Angela Merkel (CDU) einen Sympathievorsprung. "Angela Merkel ist beliebt, weil sie einen Frauenbonus hat", sagte Steinbrück der FAS. Das klang nicht nur nach der beleidigten Ausrede eines Kandidaten, der sich damit schon als künftigen Verlierer outet, sondern war auch nicht feinfühlig - und das zu einer Zeit, in der viele Frauen darum kämpfen müssen, ihren Beruf mit der Familie in Einklang zu bringen. Quelle: dapd
Der Peer Steinbrück folgte dem Rat seiner Kommunikationsberater: Er müsse auch im Internet Präsenz zeigen. Gesagt, getan. Aber nicht allein. Beim Twitterview konnte man sehen, wie Steinbrück seinem Nebenmann die Antworten diktierte. Der SPD-Finanzexperte machte dazu einen unbeholfenen Eindruck. Prompt meldete sich der politische Gegner: Bundesumweltminister Altmaier (CDU), der selbst aktiv zwitschert, forderte Steinbrück auf, kenntlich zu machen, wann er persönlich auf Twitter aktiv ist. Quelle: dpa
Es gibt kaum etwas solideres als die gute alte Sparkasse. Steinbrück findet, dass man den Sparkassendirektor für sein Gehalt beneiden kann. Vor allem, wenn man Regierungschef ist. „Nahezu jeder Sparkassendirektor in Nordrhein-Westfalen verdient mehr als die Kanzlerin“, sagte Steinbrück zum Jahresende 2012. Auch wenn der Satz faktisch richtig ist: Vielen Genossen dürften ihrem Kanzlerkandidaten diese Aussage nicht verzeihen. Auch andere Wähler nicht. Zumal im internationalen Vergleich sich das derzeitige Gehalt der Bundeskanzlerin sehen lassen kann. Quelle: dapd
Überhaupt hat Herr Steinbrück für einen SPD-Genossen ein eher untypisches Verhältnis zum Geld. Für Reden vor Banken, der Finanzindustrie und betuchtem Publikum ließ er sich gut bezahlen, mittlerweile hat er damit mehr als eine Millionen Euro Honorargeld erhalten. Auch von der Stadt Bochum, die mit einem Haushaltsdefizit in Höhe von 125 Millionen Euro zu kämpfen hat, ließ er sich ein Honorar von 25 000 Euro pro Vortrag auszahlen. Der Aufschrei war groß - allein weil ein sozialdemokratischer Kanzlerkandidat, der die Finanzbranche bändigen will, mit solch lukrativen Nebenjobs nicht glaubwürdig ist. Quelle: dapd

Die SPD will mit deutlichen Korrekturen an der eigenen „Agenda-2010“-Reform in den Bundestagswahlkampf ziehen. Der SPD-Vorstand billigte am Montag einstimmig das Programm für die Wahl am 22. September. „Das ist ein Programm des Kandidaten und der Partei“, sagte Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. „Vieles in Wirtschaft und Gesellschaft ist aus dem Lot geraten.“

Die SPD fordert einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro und eine bessere Bezahlung für Leiharbeiter. Der Spitzensteuersatz soll auf 49 Prozent steigen.

Die Steuermehreinnahmen sollen vor allem in die Bildung fließen. Zudem will die Partei „den Finanzkapitalismus bändigen“. Aus dem Vorstand verlautete, es habe eine harmonische Debatte gegeben, auch die Parteilinke zeigte sich zufrieden. Neu aufgenommen wurde noch ein Verbot von Nahrungsmittel- und Rohstoffspekulationen.

Themen des SPD-Wahlprogramms

Das letzte Wort hat ein Bundesparteitag am 14. April in Augsburg. „Diese Bundestagswahl wird auf gesellschaftspolitischen Feldern entschieden“, sagte Steinbrück. Die von Union und FDP verfolgte Idee einer Lohnuntergrenze sei kein Mindestlohn. Die SPD war noch während der großen Koalition gegen einen flächendeckenden Mindestlohn.

Die SPD will im Falle eines Wahlsieges eine Solidarrente von 850 Euro für Geringverdiener, die mindestens 30 Beitragsjahre aufweisen. Bei Einkommen von unter 3000 Euro soll das Kindergeld von 184 auf bis zu 324 Euro monatlich steigen. Von der Kita bis zur Uni soll es keine Gebühren geben. Der soziale Wohnungsbau soll mit mehreren Milliarden Euro gefördert werden, um die Mieten zu dämpfen. Bei Neuvermietungen will die SPD nur noch Erhöhungen bis zu zehn Prozent zulassen.

Steinbrück wies die Vorwürfe zurück, es handele sich um ein unfinanzierbares linkes Wohlfühlprogramm. „Unter dem Strich kommen wir zu dem Ergebnis, dass sich das die Waage hält.“ SPD-Chef Sigmar Gabriel betonte, der Spitzensteuersatz von 49 Prozent greife erst ab einem Einkommen von 100.000 Euro, bei Ehepaaren von 200.000 Euro.

Steinbrücks Positionen im WiWo-Check

Die Dispozinsen sollen bei Kontoüberziehungen höchstens acht Prozent betragen. Um den Einfluss von Lobbyisten zurückzudrängen, will die Partei außerdem transparenter machen, an welchen Gesetzen externe Fachkräfte wie mitarbeiten.

Steinbrück sagte, der Markt dürfe nicht den Staat dominieren. Steinbrück wie Gabriel bekannten sich zu den rot-grünen Reformen der Agenda 2010, allerdings sei einem Missbrauch von Leih- und Zeitarbeit „Tür und Tor geöffnet worden“, sagte Gabriel. Daher müsse es punktuelle Verbesserungen geben. Die Partei will künftig eine gleiche Bezahlung von Leih- und Zeitarbeit. Die Reformen führten zwar zu einer deutlichen Reduzierung der Arbeitslosigkeit, aber auch zu einer Ausweitung der Leiharbeit.

Kanzler Gerhard Schröder hatte die Eckpunkte der „Agenda 2010“ am 14. März 2003 im Bundestag vorgestellt. Er will am Dienstag erstmals seit seinem Ausscheiden aus der Politik wieder eine Fraktionssitzung der SPD besuchen. Anlass ist der 10. Jahrestag des Irak-Krieges.

Der Altkanzler zog in der „Bild“-Zeitung eine positive Bilanz seiner Sozialreformen. „Man sieht ja jetzt: Deutschland ist besser durch die Krise gekommen als alle anderen europäischen Länder.“

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