




Die Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt mit Nachdruck gegen Ex-Bundespräsident Christian Wulff. Eine Hausdurchsuchung wird es aber vermutlich zunächst nicht geben. Es bestehe keine Verdunkelungsgefahr, sagte Sprecher Hans-Jürgen Lendeckel am Montag auf dapd-Anfrage. „Wir arbeiten mit dem nötigen Nachdruck, aber natürlich auch mit der gebotenen Gründlichkeit“, sagte er. Unterdessen wird weiter über den Auslöser der Ermittlungen spekuliert. Die Staatsanwaltschaft dementierte am Montag Medienberichte, wonach ein von dem CDU-Bundestagsabgeordneten Peter Hintze in der ARD-Talkshow „Günther Jauch“ zitierter Vermerk alleiniger Auslöser für Ermittlungen war. „So war es nicht. Der Aktenvermerk ist interessant. Aber er war nur ein Punkt unter vielen“, sagte Lendeckel. Hintze war einer der letzten Politiker, die Wulff noch öffentlich verteidigten.
Die Vorwürfe gegen Wulff
Die Staatsanwaltschaft Hannover prüfte einen Urlaub von Wulff mit dem Filmunternehmer im Herbst 2007 auf Sylt. Groenewold hatte die Kosten zunächst ausgelegt. Wulff habe den Betrag später in bar beglichen, sagt dessen Anwalt Gernot Lehr. Ins Blickfeld gerückt war der Trip vor allem deshalb, weil eine Firma Groenewolds knapp ein Jahr zuvor eine Landesbürgschaft von vier Millionen Euro erhalten hatte - die aber nie zum Tragen kam. 2008 soll Groenewold beim Münchner Oktoberfest in einem Hotel ein 400-Euro-Upgrade für das Ehepaar Wulff bezahlt haben, angeblich ohne dessen Wissen. Nach Bekanntwerden des Falls erstattete Wulff den Betrag.
Wulffs früherer Sprecher Olaf Glaeseker wird von der Justiz verdächtigt, von dem Eventmanager Manfred Schmidt mit kostenlosen Urlauben bestochen worden zu sein. Es geht vor allem um die Lobbyveranstaltung „Nord-Süd-Dialog“, an der Schmidt kräftig verdient haben soll. 2009 hatte die Landesregierung die Party mit dem Einsatz von Studenten und kostenlosen Kochbüchern für die Gäste unterstützt, was sie aber lange bestritt. Wulff habe davon nichts gewusst, sagt sein Anwalt.
Im Fokus stand auch die Frage, ob Wulff gegen das Ministergesetz verstoßen hat, als er 2008 als Ministerpräsident ein Darlehen bei der befreundeten Unternehmergattin Edith Geerkens aufnahm. Mit den 500.000 Euro finanzierte Wulff sein Haus in Burgwedel. Im Landtag verneinte er später Geschäftsbeziehungen zu Egon Geerkens. Die Opposition sah in dem Darlehen einen Verstoß gegen das Ministergesetz und das Verbot für Regierungsmitglieder, Geschenke in Bezug auf ihr Amt anzunehmen.
Um den Kredit bei Edith Geerkens abzulösen, vereinbarte Wulff im März 2010 ein Geldmarktdarlehen bei der BW-Bank - mit günstigen Zinsen zwischen 0,9 und 2,1 Prozent. Im Dezember 2011 wandelte er den Kredit in ein langfristiges Hypothekendarlehen um. Gegen die Bank gingen mehrere Anzeigen ein, wegen des Verdachts auf Untreue, Vorteilsnahme oder Vorteilsgewährung. Die Staatsanwaltschaft sah aber keinen Anlass für Ermittlungen.
Der Anruf Wulffs bei „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann blieb ebenfalls ohne juristische Folgen. Der Bundespräsident hatte am 12. Dezember versucht, Diekmann zu erreichen, um gegen die geplante Berichterstattung des Blattes über seinen Hauskredit zu protestieren. Als das misslang, sprach er dem Chefredakteur auf die Mailbox. Dabei soll Wulff den „endgültigen Bruch“ und „Krieg“ angedroht haben. Die Berliner Staatsanwaltschaft sah keinen Anfangsverdacht für eine versuchte Nötigung oder ein anderes strafbares Verhalten.
Wulff hatte im Dezember 2011 eine Liste mit sechs privaten Urlaubsreisen veröffentlicht, bei denen er zwischen 2003 und 2010 Gast von befreundeten Unternehmern war - überwiegend kostenlos. Die Opposition in Hannover wollte wissen, ob die Liste vollständig ist. Wulffs Anwalt sagte, sie sei komplett.
2010 hat Wulff einen Ausflug zum Filmball in München samt Übernachtung im „Bayerischen Hof“ vom Marmeladen-Hersteller Zentis finanzieren lassen. Wenige Wochen zuvor war er als Redner bei der Jahresabschlusskonferenz des Unternehmens aufgetreten. Wulffs Anwalt bestätigte beides. Vorschriften des Ministergesetzes seien dabei aber gewahrt worden.
In dem Dokument aus dem Jahr 2009, in dem es um Bürgschaftsvergaben des Landes Niedersachsen an Filmunternehmen ging, bittet der damalige Ministerpräsident Wulff um Zurückhaltung im Bezug auf den Filmunternehmer David Groenewold, um den Anschein von Nähe zu vermeiden. Die Bürgschaftszusage des Landes war allerdings bereits 2006 erfolgt. Zudem soll Wulff in einem weiteren Vermerk die Tatsache, keine Bürgschaften an Filmfirmen mehr zu gewähren, als „überzogen“ und „fundamental“ bezeichnet haben. Diesen Vermerk erwähnte Hintze allerdings nicht.
Die Akte mit dem entsprechenden Vermerk war am vergangenen Mittwoch zusammen mit weiteren Dokumenten von der Staatskanzlei an die Staatsanwaltschaft Hannover übergeben worden. Wie ein Sprecher der Staatskanzlei sagte, geschah sei dies auf Bitten der Ermittlungsbehörde. Es habe sich um ein „freiwilliges Überlassen“ gehandelt. Da Wulff zu der Zeit noch durch seine Immunität vor Ermittlungen geschützt war, konnte die Staatsanwaltschaft das Aushändigen der Akten nicht einfordern. Niedersächsische Medien hatten deshalb auch bereits gemutmaßt, dass die Staatskanzlei die Ermittlungen gegen ihren einstigen Chef beschleunigt hat.