Kosten im Gesundheitssektor „Die Länder bezahlen für Krankenhäuser viel, viel zu wenig“

Quelle: dpa Picture-Alliance

Gesundheitsminister Karl Lauterbach will mit einem Hilfsfonds den unter der Energiekrise ächzenden Kliniken beispringen. Das sei dringend nötig, heißt es aus der Gesundheitsbranche. Doch das Geld lässt auf sich warten.

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Das staatliche Geld für Krankenhäuser in der Energiekrise lässt auf sich warten. Dabei soll der von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) versprochene Hilfsfonds den rund 1900 Häusern die stark gestiegenen Gas- und Stromkosten bereits für die Zeit seit 1. Oktober 2022 ausgleichen. In der Bundestagsdebatte am Donnerstag zum Gesundheitsetat erntete Lauterbach deshalb prompt Kritik: Der Chef des Haushaltsausschusses, Helge Braun (CDU), mahnte an, rund 40 Prozent der Kliniken hätten akute Liquiditätsprobleme. Ihre Kosten seien stark gestiegen und sie könnten sie nicht beeinflussen.

Lauterbach habe ihnen zwar in diesem Winter sechs Milliarden Euro per Härtefallfonds zugesichert, erinnerte Braun. Doch: „Bis heute liegt uns nichts vor“, beklagte der Chefhaushälter. Krankenhäuser wüssten nicht, ob sie Insolvenz anmelden sollten oder erst einmal weiter wirtschaften und sich womöglich „der Insolvenzverschleppung schuldig machen“.   

Der Chef der größten deutschen Krankenkasse TK, Jens Baas, erhöht in dieser Debatte im Podcast „Chefgespräch“ mit WirtschaftsWoche-Chefredakteur Beat Balzli nun seinerseits den Druck auf die öffentliche Hand: Die Länder müssten die Infrastruktur der Kliniken bezahlen. „Trotzdem machen das die Länder seit Jahrzehnten eigentlich nicht“, sagt Baas. „Sie bezahlen viel, viel, viel zu wenig.“ Es gäbe kein Bundesland, das komplett bezahlt, was es bezahlen sollte. „Und das bedeutet für die Krankenhäuser, dass sie Infrastrukturmaßnahmen eben aus der Krankenversorgung – aus dem Geld, was wir als Krankenkassen bezahlen – abzweigen müssen. Das heißt, die Krankenhäuser haben an der Ecke ehrlich gesagt mehr Probleme mit den Ländern als mit uns“, berichtet er im Podcast.

Techniker-Krankenkasse-Chef Baas erzählt, warum die TK weiterhin homöopathische Mittel zahlt, wie er von heute auf morgen Unternehmensberater wurde – und wieso sich eine Vespa nicht hinter einem Ferrari verstecken muss.
von Beat Balzli

Auch die Gesundheitspolitikerin der Grünen, Paula Piechotta, zeichnete im Bundestag ein Bild der Krankenhäuser in der Krise. „Das ist nicht nur eine Frage des Geldes“, sagte die Ärztin und Abgeordnete aus Leipzig. Es fehlten so viele Pflegekräfte, Ärztinnen und anderes Personal, dass in den Kliniken die hohen Energiekosten und die Inflation – so groß diese Probleme seien – „überstrahlt“ würden. In den drei Jahren seit Beginn der Coronapandemie habe der Staat zur Unterstützung schon 22 Milliarden Euro zusätzlich an die Kliniken gegeben. „Aber kein einziges Problem ist damit gelöst worden“, kritisierte sie die Vorgängerregierung. 

Deutschland hat im Vergleich zu Nachbarländern relativ viele Krankenhäuser und viele Klinikbetten. Das führt dazu, dass Pflegekräfte für relativ viele Patientinnen und Patienten zuständig sind. Mehr Behandlungen als in Nachbarländern werden stationär angeboten statt ambulant. Das ist zudem teuer. Während es in ländlichen Regionen oft lange Wege zur Klinik oder einer Arztpraxis gibt, herrscht in Ballungszentren immer wieder Konkurrenz um Patienten und Überversorgung. Im Schnitt sind die medizinischen Ergebnisse im Vergleich zu Ländern in Skandinavien mit spezialisierten Krankenhäusern und Gesundheitszentren eher bescheiden. 

Gesundheitsminister Lauterbach will das ändern und hat eine Krankenhausreform versprochen. Künftig sollen zum Beispiel Kliniken mehr Leistungen ambulant anbieten. Damit die Versorgung in den Kliniken besser wird, müssen auch die Bundesländer mitmachen. Diese legen fest, wie viele Krankenhäuser es gibt und wo welche Versorgung angeboten wird. Krankenhausschließungen gelten als schwer durchsetzbar, auch wenn die Qualität eines Hauses nicht besonders hoch ist. Bewohnerinnen und Politiker vor allem auf dem Land fürchten, dass dann gar keine medizinische Versorgung mehr in der Nähe angeboten wird.

Lauterbach hat in der akuten finanziellen Lage der Krankenhäuser versprochen, dass wegen der gestiegenen Kosten sechs Milliarden Euro an sie fließen sollen, zusätzlich zwei Milliarden Euro an Pflegeeinrichtungen. Zahlungen aus der Gas- und Strompreisbremse kämen hinzu, was sich damit zur zweistelligen Milliardensumme addiere. Krankenhäuser sollen für den Zeitraum vom 1. Oktober 2022 bis zum 30. April 2024 Hilfszahlungen vom Bund bekommen. Die genauen Bedingungen zur Auszahlung sind allerdings zwischen Gesundheits- und Wirtschaftsministerium noch nicht ganz geklärt.

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Lauterbach hatte Anfang November versichert: „Kein Krankenhaus wird ein Problem bekommen, weil es Inflation nicht bezahlen kann, den Strom nicht bezahlen kann oder das Gas nicht bezahlen kann.“ Kein Haus solle Liquiditätsprobleme bekommen.

Das allerdings ist längst eingetreten. Die „Krankenhausstudie 2022“ der Unternehmensberatung Roland Berger ergab, dass knapp 70 Prozent der Kliniken im Land  2022 ein Defizit erwarten, bei den Häusern in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft seien es sogar 90 Prozent. Krankenhäuser verbrauchen enorme Mengen an Strom und Wärme. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft warnt, bereits 40 Prozent der Kliniken beurteilten ihre Liquidität als kritisch.

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