Kramp-Karrenbauer, Merz, Spahn CDU-Vorsitz: Wahlkämpfer auf Kuschelkurs

Auf der Regionalkonferenz in Lübeck haben sich die drei Kandidaten um den CDU-Parteivorsitz, Friedrich Merz, Annegret Kramp-Karrenbauaer und Jens Spahn den CDU-Mitgliedern vorgestellt. Quelle: dpa

Beim Auftakt zum Wahlkampf um den CDU-Vorsitz geben sich die drei Kandidaten zahm. Unterschiede bei den Inhalten werden kaum erkennbar. Seitenhiebe gegen Merkel und die Mitbewerber werden geschickt ausgeteilt.

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Der erste Stimmungs-Test gestern Abend, fünf nach Sechs in der Kulturwerft Gollan, Lübeck. Soeben haben Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz und Jens Spahn gemeinsam die Halle betreten, ein Erinnerungsfoto gemacht. Jetzt werden die Kandidaten vorgestellt. Kramp-Karrenbauer: donnernder Applaus, vereinzeltes Gejohle. Merz: donnernder Applaus, Jubel. Jens Spahn: freundlicher Applaus.

Der Wahlkampf um die Nachfolge von Angela Merkel als Vorsitzende der CDU ist eröffnet. Auf acht Regionalkonferenzen präsentieren sich die Kandidaten, am 7. Dezember entscheiden die Delegierten auf dem Parteitag in Hamburg. Erste Station der Bewerbungstour: Lübeck, Kulturwerft Gollan, Backsteinwände, nackter Beton. 800 Menschen aus den Landesverbänden Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern sind gekommen, nicht alle finden einen Platz im Saal. Die Spielregeln: Jeder Kandidat darf sich zehn Minuten präsentieren, danach sollen alle die Fragen der Mitglieder beantworten.

In Umfragen liegt Kramp-Karrenbauer vor Merz und Spahn. Aber das sind Umfragen in der Bevölkerung – nicht in der Partei. Die Kandidaten sind vorsichtig: Es wird ein Abend der Harmonie werden – und der gezielt gesetzten Seitenhiebe.

Wer anfangen soll, wird ausgelost, Kramp-Karrenbauer gewinnt. Sie spricht leise, nuschelt ein wenig. Sätze wie „Wir müssen zu neuer Stärke kommen“, passen nicht zu ihrem zunächst zurückhaltenden Auftreten. Die CDU-Generalsekretärin fordert mehr Zusammenhalt in der Gesellschaft. Einen Seitenhieb auf ihre Mitbewerber erlaubt sie sich dann doch: Sie verweist auf ihre – im Vergleich zu den Konkurrenten – lange Erfahrung in Regierungsämtern im Saarland, auf gewonnene Wahlkämpfe. Die Flüchtlingskrise, die 2015 ihren Anfang nahm, nennt sie nicht beim Namen, sondern fordert, dass die Partei das Thema „Herbst 2015“ klären solle, um wieder als Partei der inneren Sicherheit wahrgenommen zu werden. Der „Herbst 2015“ dürfte nicht zu einem Trauma für die CDU werden, so wie Hartz IV für die SPD. Freundlicher Applaus.

Auftritt Merz. „Es macht richtig Spaß, wieder dabei zu sein“, sagt er, die Leute klatschen begeistert. Merz hebt hervor, er sei Angela Merkel dankbar für ihre Verdienste – aber dennoch könne man „mit der Ausgangslage nicht zufrieden sein“. Schwierige Landtagswahlen, Umfragewerte unter 30 Prozent. Er fordert einen besseren Umgang unter den Schwesterparteien CDU und CSU und kritisiert den Umgang Horst Seehofers mit Merkel vom Parteitag im Jahr 2015, als er sie minutenlang auf offener Bühne des CSU-Parteitages kritisiert hatte. „Das ist kein Umgang“, poltert Merz. Er wolle die CDU zur Partei der äußeren und inneren Sicherheit machen. Bei der Erneuerung der CDU wolle er die Mitglieder mit einbeziehen. So sei es möglich, Ergebnisse von bis zu 40 Prozent zu erzielen – und die AfD zu halbieren. „Das geht!“, ruft Merz, die Leute jubeln.

Spahn ist jetzt dran, er versucht es mit überlauter Stimme und einem Seitenhieb auf die Mitbewerber: „Man braucht weder ein Weiter so, noch Nostalgie“, donnert er. Klar, wen er damit meint. Spahn fordert einen Generationswechsel. Dann: ein vergiftetes Lob für Merz‘ Worte zum Umgang mit Merkel auf dem CSU-Parteitag 2015: Spahn sagt, er hätte gewünscht, dass Merz damals schon an Bord gewesen wäre und es damals gesagt hätte, „und nicht erst heute“. Die CDU solle eine „moderne Mitmachpartei“ werden. Sein Vortrag deckt sich inhaltlich mit dem seines Vorredners. Er spricht von Chancen der Digitalisierung, von Europa, der AfD, mehr Netto vom Brutto für Malocher. Erzählt von seiner Mutter, die ihn gefragt habe, warum er das eigentlich alles mache. Er sehe die Offenheit gegenüber Minderheiten in Gefahr, habe er geantwortet. Auch gegenüber Schwulen. Spahn ist mit einem Mann verheiratet. „Ich möchte, dass wir Freiheit, Offenheit und Gelassenheit erhalten“, sagt er, freundlicher Applaus.

Zweiter Stimmungstest. Christine Nebendahl, Ortsvorsitzende der CDU Schönberg im Kreis Plön, gefällt, dass die Kandidaten nicht übereinander herfallen. Ihre Favoritin: Annegret Kramp-Karrenbauer. Nebendahl möchte einfach gerne, dass weiter eine Frau an der Parteispitze steht. Ihr Kollege Peter Ehlers, Fraktionssprecher der CDU Schönberg, ist vom neuen Hoffnungsträger Merz nicht begeistert. „Von Merz erwarte ich, dass er nicht nur seinen Hut in den Ring wirft, sondern sich auch im Fall einer Niederlage einbringt“, sagt er. Er habe da so seine Zweifel.

Zurück zu den Kandidaten, die sich jetzt den Fragen der Mitglieder stellen müssen. Zwei Stunden lang. Es geht um den Wolf – alle Kandidaten kommen überein, dass die Sicherheit des Menschen über der des Wolfes steht. Es geht um die Bundeswehr, um deren Ansehen und finanzielle Ausstattung sich alle drei Sorgen machen. Es geht um eine Kanzler-Kandidatur, von der alle drei behaupten, dass sie davon erstmal nichts wissen wollen. Es geht um den Mittelstand, den alle fördern wollen. Der Sauerstoff wird knapp im Saal, viele gähnen, aus dem Foyer zieht der Geruch von Weißwein herüber, dorthin sind einige geflohen, andere gehen auch schon nach Hause. Das merken die Kandidaten, irgendwann teilen sie die Beantwortung der Fragen untereinander auf, damit es schneller geht: Merz zu USA, Kramp-Karrenbauer zu China, Spahn zu Plastikmüll.

Merz sorgt nochmal für Applaus, als er Kritik an der Bundesregierung übt. Er habe Respekt vor Angela Merkels Leistung, sagt er. Allerdings würde er sich nach Kräften dafür einsetzen, dass eine Diskussion um Herrn Maaßen „nicht drei Wochen, sondern höchstens drei Stunden dauert.“ Dass die Bundesregierung damals, im Herbst, Flüchtlinge ins Land gelassen hätten, habe er als „großartige humanitäre Geste“ verstanden. „Das hätte man aber schnell zu einer Ausnahme erklären müssen.“ Und eins sei klar: „Wir sind keine multikulturelle Gesellschaft.“

Auch die beiden anderen Kandidaten holen sich Applaus mit konservativen Aussagen: Kramp-Karrenbauer warnt vor „kulturelle Selbstverzwergung“, wenn in deutschen Kindergärten keine deutschen Adventslieder mehr gesungen werden. Und Spahn findet die von der Union vereinbarte Obergrenze für Flüchtlinge von 200.000 zu hoch.

Dritter Stimmungstest. Hendrik Ahrens aus dem Kreisverband Schwerin findet: „Alle drei haben sich recht gut geschlagen.“ Aber: Sie seien kaum unterscheidbar gewesen. Seine Favoritin ist Kramp-Karrenbauer: „Ihr traue ich am ehesten zu, die Partei in der Mitte zu halten“, sagt er.

Bevor die Kandidaten Lübecker Marzipan überreicht bekommen und nach dem Absingen der Nationalhymne in die Lübecker Nacht entlassen werden, gibt es noch eine Wortmeldung: Ein junger Mann bittet darum, dass die Kandidaten doch mal erklären, was sie von den anderen unterscheide. „Den Spaß kann ich Ihnen nicht machen“, sagt Merz. Denn: „Wir haben verabredet, dass wir nur gut übereinander sprechen.“

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