„Das sind einige Familienclans, die das Land gebietsweise unter sich aufgeteilt haben. Und die finanzieren sich fast ausschließlich mit solchen Straftaten“, sagt Andreas Gerdon. Der Kriminalhauptkommissar leitete bis 2014 die Gruppe „Cash Down II“ bei der damaligen Landespolizeidirektion Karlsruhe, die auf den Enkeltrick spezialisiert war.
Seine Einheit war die bundesweit größte dieser Art und agierte nicht nur bundeslandübergreifend, sondern auch international – hatte also einen sehr guten Überblick über die Strukturen und das Vorgehen der Betrüger. In den meisten Fällen agieren die Familienclans aus dem Ausland, laut Gerdon am häufigsten aus Polen, doch seine Kollegen und er trafen in den Ermittlungen etwa auch auf italienische Familien.
Die Betrüger gehen hochprofessionell vor, so zielen sie in einigen Regionen Deutschlands nicht mehr nur auf die deutschen Senioren ab, teils rufen in Gebieten mit großem Migrantenanteil auch fremdsprachige Anrufer bei betagten Zuwanderern an und setzen somit zusätzlich auf die nationale Verbundenheit.
Zumeist sitzen jedoch akzentfrei deutsch sprechende Personen in osteuropäischen Ländern wie Polen und telefonieren ihre Listen ab. Für Ermittler wie Gerdon und seine Kollegen ist dies ein großes Problem: Wenn es sich zudem um polnische Staatsbürger handelt, werden diese meist für ihre Taten nicht nach Deutschland ausgeliefert.
Sechs goldene Regeln gegen Enkeltrickbetrüger
„Senioren sind alt, aber nicht doof“. Sechs Tipps, um sich richtig zu verhalten, wenn ein angeblicher Enkel anruft und Geld haben will.
Wir kaufen und unterschreiben nichts an der Haustür.
Wir lassen keine Fremden in die Wohnung.
Wir geben kein Geld an Personen, an die wir uns nicht erinnern können.
Wir sagen niemandem unsere Kontonummer und Geheimzahl.
Wir sichern unsere Wohnungstür.
Im Zweifel ziehen wir eine Vertrauensperson oder Nachbarn hinzu.
So kommen Ermittler in Deutschland meist nur an die Abholer heran – kleine Fische, die innerhalb der international agierenden Netzwerke schnell ersetzt werden. Durch den Wegfall der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung in Deutschland seit 2010 könnten die Verbrechen nur noch sehr viel schwerer verfolgt werden, argumentiert Andreas Gerdon, der für eine Wiedereinführung der Datenspeicherung plädiert.
Diese Maßnahme könne Telefonate wie die der Enkeltrickbetrüger nachvollziehbar machen. Nach den Attentaten auf die französische Satirezeitschrift Charlie Hebdo flammte die Diskussion über die Datenspeicherung jüngst wieder auf, eine Wiedereinführung erscheint jedoch aufgrund der massiven Kritik an der Störung der Anonymität und Privatsphäre der Bürger aktuell eher unwahrscheinlich.
Ein noch größeres Problem dürfte sein, dass es in Sachen Enkeltrick kein bundesweit koordiniertes Vorgehen gibt. Es existieren weder überregionale Statistiken zu den Betrugsfällen noch gibt es eine überregionale Taskforce.
Angesichts mangelnder übergreifender Strukturen und Schutzmöglichkeiten durch die Strafverfolgungsbehörden lautet die Devise: Potenziell Betroffene müssen sich am besten selbst schützen.