„Hallo Oma, wie geht es Dir?“ So versuchte ein Enkeltrickbetrüger Ende Januar an das Geld einer Seniorin in Dortmund heranzukommen. Das vermeintlich leichte Opfer schaltete – nicht nur, weil sie keinen Enkel hat. Denn junge Leute im Ruhrgebiet sagen frei nach Schnauze „Na Omma“ zu ihren Großeltern.
Nicht immer gehen die Versuche der Trickbetrüger so glimpflich aus: Trotz unermüdlicher Information durch Polizei, Medien und Präventionsstellen werden jährlich hunderte Senioren in Deutschland durch den Enkeltrick um ihr Geld gebracht, die Ermittler gehen von jährlichen Schäden in Millionenhöhe aus. Scheitert die deutsche Gesellschaft am Phänomen Enkeltrick?
„Diese Art von Betrug wird auch durch eine gesellschaftliche Entwicklung begünstigt“, sagt Kim Freigang, Pressesprecher der Polizei Dortmund. „Viele ältere Menschen sind allein, vereinsamt, Enkel und Kinder wohnen weit weg in anderen Bundesländern.“ Da seien viele bei aller Vorsicht von der Freude überwältigt, wenn sich mal jemand bei ihnen meldet. „Und das nutzen die Täter dann schamlos aus.“
Das Phänomen Enkeltrick
Als Erfinder des Enkeltricks gilt laut Ermittlern der langjährige Clanchef Arkadius L., der zeitweise in Hamburg lebte.
Er kam den Berichten nach durch Zufall auf die Masche, da ein älterer Herr seine Anrede am Telefon nicht richtig verstand und ihn fragte, ob er sein Enkel sei.
Die Anrufer sitzen zur Minderung ihres eigenen Risikos oft im Ausland und erhalten bis zu 50 Prozent Beuteanteil.
Die Anrufer müssen hochprofessionell vorgehen und perfekt deutsch sprechen, damit sie nicht auffallen.
Die Logistiker streichen etwa ein Viertel der Beute ein, sind dafür zuständig, die Abholertrupps zu koordinieren.
Sie checken, wo im Umkreis der Wohnung des potenziellen Opfers Geldautomaten liegen und instruieren die Abholer.
Die Abholer sind das unterste Glied in der Futterkette der Trickbetrüger, sie gehen mit dem direkten Personenkontakt das größte Risiko ein und werden bandenintern schnell ausgewechselt, wenn sie in einer Region auffällig geworden und somit nicht mehr einsetzbar sind.
Meist agieren bei einer Aktion drei Abholer: ein Fahrer, ein Observant und ein Abholer – meist werden für letztere Aufgabe in den Clans eher Frauen ausgewählt, da sie mutmaßlich vertrauenswürdiger wirken.
Häufig kommen die deutschen, österreichischen oder schweizerischen Ermittler nicht an die Hintermänner heran, da sie von anderen Ländern aus agieren, etwa aus Polen. Die dortigen Behörden kooperieren, können allerdings häufig nicht alle Taten nachweisen, die deutsche Behörden bilanzieren.
Auch sehen ihrer Rechtsvorschriften meist andere Strafmaße als die deutschen Gesetze vor – sodass die Täter mit vermindertem Strafmaß davon kommen. Eine Auslieferung findet meist nicht statt. Ermittlungserfolge: Im Sommer gelang in einer seltenen Kooperation zwischen den Strafverfolgungsbehörden verschiedener Bundesländer und polnischer Behörden ein Schlag gegen den Clan des „Erfinders“ Arkadius L.:
Die Ermittler konnten zehn Köpfe des Clans festnehmen, darunter auch die Hauptanrufer Arkadius L. und Adam P. Im Zuge der Festnahmen wurde deutlich, dass sich die Betrüger über ihre Masche einen beträchtlichen Luxus inklusive rauschender Familienfeste und schneller Sportwagen aufgebaut hatten.
Viele der gefassten Hintermänner sind mittlerweile wieder auf freiem Fuß, sie hatten nur einige Monate Untersuchungshaft über sich ergehen lassen müssen. Danach mussten sie eine Erklärung abgeben, dass sie die Opfer in denen ihnen nachgewiesenen Betrugsfällen entschädigten.
Deutsche Ermittler entzürnt das, da sie davon ausgehen, dass die Personen weit größere Schäden angerichtet haben und da kaum gesichert ist, dass sie nicht künftig weiterhin ihre Netzwerke anleiten. Dennoch sind seit der vermehrten Aktivität der deutschen Behörden die Fallzahlen in Schwerpunktregionen deutlich zurückgegangen. Umsonst ist der Kampf also nicht.
Zusätzlich spielen altersbedingte Erkrankungen wie Schwerhörigkeit und Demenz hinein. Die Trickbetrüger schlagen aus dem dringenden Bedürfnis der Senioren nach Wertschätzung und Anerkennung teils Summen von mehreren zehntausend Euro pro Opfer heraus. Einige Senioren zahlen diese Summen aus Hilfsbereitschaft und weil sie durch die Betrüger auf einer sehr emotionalen Ebene angesprochen werden.
Der Trick funktioniert immer ähnlich, wie die Polizei weiß. Die Banden sind in drei Hierarchien strukturiert, es gibt Anrufer, Logistiker und ein Abholerteam. Der Anrufer steht oben in der Hierarchie und telefoniert sich durch Listen alter Telefon-CDs. Er wählt gezielt alt klingende Namen wie Erna, Helga oder Waldemar aus und meldet sich mit einem einfachen „Hallo Oma“, oder aber – noch perfider – mit einem unverfänglichen „Na, rate mal, wer da ist...?“
Tipps gegen den Enkeltrickbetrug
Experten raten, im Alter die Rufnummer zu wechseln, um zu vermeiden, über alte Telefon-CDs oder alte Telefonlisten in den Fokus der Betrüger zu geraten.
Zudem sollte man bei dem neuen Eintrag in das Telefonbuch nach Empfehlungen von Experten seine Adresse nicht angeben und auch darüber nachdenken, den Vornamen nur mit Kürzel anzugeben.
Sollten die Betrüger trotz dieser Vorkehrungen anrufen, raten Polizeiexperten den Betroffenen, sich Bedenkzeit zu erbeten und einen Rückruf zu vereinbaren.
Auf keinen Fall sollten sie Informationen über die Familie oder über finanzielle Verhältnisse preisgeben.
In der Zwischenzeit können die Betroffenen ihre tatsächlichen Verwandten kontaktieren und sich über die Situation bestimmter Familienmitglieder informieren.
Verweigern die Anrufer einen erneuten Anruf, ist das ein Zeichen für einen Betrugsfall. Ein echter Enkel hat den Rückruf schließlich nicht zu fürchten.
Stimmt das Verhalten der Person am anderen Ende mit den Erwartungen überein, spricht er etwa in der typischen Mundart und verwendet er bestimmte Begriffe, die einem bekannt vorkommen?
Manchmal hilft es schon, sich solche Fragen zu stellen, wenn man am Telefon mit einer Forderung konfrontiert wird. Falls das Gespräch allzu steril abläuft oder das Gegenüber einfache Rückfragen nicht beantworten kann, sind das Hinweise auf einen Betrugsversuch.
Ermittler appellieren: In jedem Fall sollte eine betroffene Person direkt nach einem verdächtigen Telefonat die Polizei kontaktieren – gegebenenfalls können die Beamten trotz eingeschränkter Datenspeicherung die spuren nachverfolgen.
In jedem Fall aber sind sie sensibilisiert, dass die Betrüger in der Region aktiv sind und können gezielte Warnhinweise aussprechen. Auch Personen, die bereits um ihr Vermögen gebracht wurden, sollten sich nicht schämen, sondern die Polizei verständigen – ihre Auskünfte können wertvolle Hinweise für die künftigen Ermittlungen geben.
So werden Senioren erst einmal in ein lockeres Gespräch verstrickt, um Hinweise über eventuelle echte Enkel zu bekommen, etwa durch Rückfragen: „Stefan, bist du das?“ An diese Informationen versucht er mit einer Legende anzuknüpfen und kommt dann zu seinem eigentlichen Anliegen: Der Geldforderung. Meist täuscht der angebliche Enkel Geldnot vor.
Appelliert wird an die Hilfsbereitschaft und die familiäre Solidarität der Opfer. Diese geht schließlich so weit, dass die Betroffenen sich bereit erklären, das Geld an ihnen unbekannte, angebliche Freunde des Enkels zu übergeben – die Abholer, deren Aktion von den Logistikern telefonisch angewiesen und koordiniert wird. Hat die Geldübergabe stattgefunden, verteilen die Banden das Geld in kürzester Zeit, Anruferhandys vernichten sie. Es sollen möglichst wenig Spuren hinterlassen werden.