Krise der Globalisierung Eine Lanze für den Liberalismus!

Eine Rückkehr zur Ordnung der Freiheit. Quelle: imago images

Die Krise der Globalisierung geht auf das Konto einer Elite, die die Kosten der geplatzten Finanzblase den Steuerzahlern aufgebürdet und den Beladenen dieser Welt das Tor zur Einwanderung in den Wohlfahrtsstaat geöffnet hat. Was jetzt nottut, ist eine Rückkehr zur Ordnung der Freiheit.

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Die Ordnung der Freiheit hat der Menschheit einen nicht gekannten Wohlstand gebracht; in ihrem Rahmen kann jeder Einzelne durch sein freies Handeln zur Mehrung der Prosperität beitragen. In der Sprache der Ökonomie könnte man sagen: Jeder Mensch hat ein positives wirtschaftliches Grenzprodukt, wenn man ihn nur in Freiheit so handeln lässt, wie er es am besten kann. Da jeder Mensch unterschiedliche Fähigkeiten besitzt, führt freies Handeln zur Arbeitsteilung und in der hoch entwickelten Gesellschaft zur Wissensteilung. Die Genialität der liberalen Wirtschaftsordnung besteht nun darin, einen Mechanismus zur Koordination der Handlungen freier Menschen geschaffen zu haben: den Markt. Die sich beim Tausch im Markt bildenden Preise sind die Instrumente der Abstimmung. Dort kann das Handeln von Menschen koordiniert werden, die sich nicht kennen, die nicht einmal von ihrer Existenz wissen. Wenn jeder frei handelnde Mensch ein positives wirtschaftliches Grenzprodukt hat, dann wächst der wirtschaftliche Wohlstand mit jedem Menschen, der am Tausch im Markt teilnimmt.

Der Ökonom Friedrich von Hayek hat zu der These von der Verelendung durch Überbevölkerung von Thomas Malthus (1766–1834) eine Gegenthese aufgestellt. Mit der Intensivierung des Handels und der Verbesserung der Techniken für Kommunikation und Transport steige der Vorteil der Arbeitsteilung durch die Zunahme der Bevölkerung und die Dichte der Besiedlung. Denn dadurch werde eine immer tiefere Spezialisierung und Differenzierung der individuellen Wirtschaftsaktivitäten möglich. Malthus ging davon aus, dass das wirtschaftliche Grenzprodukt der Menschen mit zunehmender Zahl gegen null geht. Hayek setzt dem entgegen, dass mit der Zahl auch die Diversität der Menschen steigt. Dadurch bleibe das wirtschaftliche Grenzprodukt jedes neuen an den Markt kommenden Menschen so hoch, dass die Produktivität trotz wachsender Bevölkerungszahl steigt.

Die wirtschaftlichen Erfolge der Globalisierung im Verlauf der letzten Jahrzehnte bestätigen Hayeks These eindrucksvoll. In der Zeit von 1960 bis 2016 stieg die Weltbevölkerung um 147 Prozent von 3 Milliarden auf knapp 7,5 Milliarden Menschen. Nach der Theorie von Malthus hätte damit ein Rückgang des Einkommens pro Kopf einhergehen müssen, da die neu hinzugekommenen Menschen immer weniger zusätzliches Einkommen erwirtschaften würden. Tatsächlich stieg aber das in Preisen von 2010 ausgedrückte globale Bruttoinlandsprodukt pro Kopf von rund 3700 US-Dollar im Jahr 1960 um 181 Prozent auf rund 10.400 US-Dollar. Die Produktivität der Menschen wuchs schneller als ihre Zahl. Besonders stark wuchs sie in Ländern, die auf den Markt als Koordinierungsinstrument für wirtschaftliche Handlungen setzten und ihren Bürgern den Zugang zum Weltmarkt öffneten.

Thomas Mayer, 64, ist Direktor der Denkfabrik Flossbach von Storch Research Institute. Er war Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Soeben erschienen:

Angesichts der enormen Leistungen der liberalen Wirtschaftsordnung wirken die gegen sie gerichteten Anfeindungen befremdlich. Warum halten viele Menschen an Prinzipien der sozialistischen Gesellschaftsordnung fest, die in der Sowjetunion und ihren Satelliten auf beispiellose Weise getestet und widerlegt wurden? Warum bekämpfen sie dagegen eine Ordnung, die ihnen ein Leben in Freiheit und Wohlstand ermöglicht? Dafür gibt es einen Grund: das emotionale Verlangen nach Geborgenheit und menschlicher Nähe, das die liberale Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung nicht befriedigen kann. Dieses Verlangen schuf nach der Stammesgesellschaft die sozialistische Gesellschaft östlicher und den Wohlfahrtsstaat westlicher Prägung. Viele Intellektuelle, die sich die Welt gerne nach ihren Vorstellungen konstruieren, waren fasziniert davon und sind es zum Teil noch heute. Doch die zentral organisierte und gesteuerte Gesellschaft brachte Unfreiheit und Mangel.

Findige Politiker kamen in den Neunzigerjahren auf die Idee eines „Dritten Wegs“ zwischen Sozialismus und dem durch den Liberalismus ermöglichten Kapitalismus. Die Wirtschaft sollte sich frei entfalten können, solange alles gut ging, aber der Staat sollte schützend eingreifen, wenn Rückschläge drohten. Der Dritte Weg, für den in den USA Bill Clinton und in Großbritannien Tony Blair standen (und mit dem auch SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder kurz flirtete), sollte die beste aller Welten schaffen: Wachstum wie im Kapitalismus und Absicherung wie im Sozialismus, sozusagen die organisierte liberale Gesellschaft. Christian Krell, ein Mitglied der Grundwertekommission der SPD, erklärt: „Es ging darum, die produktiven Kräfte des Kapitalismus zu nutzen und seine zerstörerischen, Ungleichheiten befördernden Tendenzen einzuhegen.“

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