Kritik an CDU-Vorstoß „Schuldenschnitt für Griechenland schadet allen“

Kommt Griechenland ohne einen Schuldenerlass wieder auf die Beine? Wohl kaum, meint der CDU-Wirtschaftsrat. Doch einen Schuldenschnitt ist in Deutschland nicht mehrheitsfähig. Athen kann aber dennoch mit Hilfe rechnen.

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Euro-Geldscheine fallen auf eine griechische Fahne. Quelle: dpa

Berlin Äußerungen des Präsidenten des CDU-Wirtschaftsrates, Kurt Lauk, der einen weiteren Schuldenschnitt für Griechenland ins Spiel gebracht hat, stoßen auf deutlichen Widerstand bei FDP, Grünen und SPD. „Griechenland helfen auf Dauer nur Strukturreformen“, sagte der Vize-Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Volker Wissing, Handelsblatt Online. „Kurzfristige Erleichterungen durch einen schnellen Schuldenschnitt senken den Reformdruck und schaden am Ende allen.“

Lauk hatte in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt erklärt, ein erneuter Schuldenschnitt für Griechenland sei „nahezu unvermeidlich“. Zwar wäre es schmerzlich, einen Großteil der bisherigen Hilfsgelder abschreiben zu müssen. "Klar ist aber auch: Einfach immer weiter die Haftungsrisiken auszudehnen, hochzuhebeln oder zu verschleiern kann nicht die Lösung sein", heißt es in Lauks Beitrag.

Der Fall Griechenland zeigt Lauk zufolge, dass eine Austeritäts- und Rettungspolitik allein nicht zielführend sei. Dies habe nur dazu geführt, dass sich viele Bürger von Europa abwendeten. Die einen wollten sich nicht zu Tode sparen, die anderen nicht für Zechpreller bezahlen, schreibt Lauk. Der für November geplante Bericht der Gläubiger-Troika drohe zur Farce zu verkommen.

Die Bundesregierung lehnt allerdings einen Schulden-Erlass für Griechenland auch durch öffentliche Gläubiger ab. Zuvor hatten bereits die privaten Gläubiger auf Milliarden-Forderungen verzichtet.

Auch die Grünen halten einen Schuldenerlass für den falschen Weg. Zwar sei richtig, dass die jetzige Situation nicht haltbar sei. „Vor einem neuen harten Schuldenschnitt sollten aber erst bestehende Möglichkeiten eines Schuldenrückkaufprogramms genutzt werden“, sagte Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick Handelsblatt Online. „So kann ein Beitrag zur Schuldenreduktion geleistet werden, ohne dass europäische Steuerzahler Verluste erleiden müssen.“ 

Außerdem müsse der Gewinn bei der Europäischen Zentralbank (EZB) in Höhe von rund 15 Milliarden Euro, der aus der Differenz zwischen Ankaufkurs und Nennwert entstehe, für eine Schuldenreduktion genutzt werden. Zudem, so Schick weiter, müsse mit einem europäischem Steuerpakt und einer Vermögensabgabe in Griechenland „sichergestellt werden, dass reiche Griechen ihren fairen Anteil an den Krisenlasten zahlen“.


Weitere Griechen-Hilfe spaltet Euro-Länder

Der SPD-Haushälter Carsten Schneider sieht vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Pflicht, jetzt für Klarheit zu sorgen. „Die Bundeskanzlerin muss jetzt die Karten auf den Tisch legen, was ihre Zusage, dass Griechenland im Euro bleibt, kostet“, sagte Schneider Handelsblatt Online. Die aktuellen Zahlen zur Entwicklung des Schuldenstandes seien ein Alarmsignal. Vor der Entscheidung über weitere Auszahlungen an Griechenland müsse daher eine „ehrliche“ Analyse der Lage vorgenommen werden. Die Troika aus EZB, EU-Kommission, und Internationalem Währungsfonds (IWF) dürfe dabei nicht tricksen.

Es sei offensichtlich, so Schneider, dass die Rechnung der Kanzlerin bisher nicht aufgegangen sei. „Deshalb will sie weiter nur auf Sicht fahren und die Entscheidung über weitere Kosten auf die Zeit nach der Bundestagswahl schieben.“ Das werde die SPD aber nicht zulassen. „Die bevorstehenden Belastungen für den deutschen Steuerzahler sind direkte Kosten des politischen Versagens der Bundeskanzlerin.“ Weil Merkel im Mai 2010 nicht zu einer Gläubigerbeteiligung bereit gewesen sei, bekomme nun der Steuerzahler die Rechnung präsentiert.

Die Troika prüft derzeit, ob Griechenland die vereinbarten Reformschritte erreicht hat und frisches Geld bekommen kann. Die Debatte um weitere Unterstützung spaltet die Euro-Länder. Trotz intensiver Gespräche zeichne sich bislang keine politische Einigung über neue Maßnahmen ab, um die Finanzierungslücke Athens zu schließen, berichteten EU-Diplomaten am Freitag in Brüssel. Ein für den 8. November ins Auge gefasstes Sondertreffen der Euro-Finanzminister werde voraussichtlich nicht nötig werden. „Wir haben keine politische Einigung, deshalb brauchen wir uns auch nicht zu treffen“, sagte ein EU-Diplomat.

Somit werden die Minister erst wieder zu ihrem regulären Treffen am 12. November zusammenkommen. Dann werden sie über die Freigabe der nächsten Kredittranche von 31,5 Milliarden Euro beraten. Ohne diese Hilfe wäre Griechenland noch im November pleite. Da die Euro-Länder einen Staatsbankrott und das Verlassen Griechenlands aus dem Euro ausgeschlossen haben, steht de facto aber fest, dass Athen das Geld auch bekommt.

Nach der Telefonkonferenz der Euro-Finanzminister am Mittwoch sind aber die Zweifel gewachsen, ob bis zum nächsten Treffen eine tragfähige Lösung zustande kommt. Als Optionen gelten ein erneuter Schuldenschnitt, weitere Hilfen des Euro-Krisenfonds ESM, Anleihenkäufe oder auch die Verlängerung der Laufzeiten von Krediten für Athen. Insbesondere Deutschland lehnt einen teilweisen Schuldenerlass unter Beteiligung der öffentlichen Gläubiger ebenso wie ein drittes Hilfspaket ab.

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