




Knapp eine Million Euro für ein Konsortium, das neue Methoden für den Innenausbau von Luxus-Yachten entwickelt? Eine weitere Million für die energieeffizientere Trocknung von Fleisch, wohlgemerkt Tiernahrung? Und 38.000 Euro Zuschuss für eine Klassenreise von fünfzehn Berliner Schülern nach New York? Bezahlt hat das die Bundesregierung.
Für den Bund der Steuerzahler ist das ein Skandal, wie deren Präsident Reiner Holznagel am Montag in Berlin sagte. Jedes Jahr stellt der Lobbyverband bei seinem „Frühjahrsputz“ Fälle vor, bei dem die Bundesregierung Steuergelder verschwendet haben soll. Jedes Jahr ist das mediale Echo groß. Jedes Jahr wird nach Konsequenzen gerufen und anschließend zu wenig getan, was dann im Jahr darauf wieder kritisiert wird.
Doch wer ruft und kritisiert da eigentlich? Und ist die Kritik berechtigt? Mit 250.000 Mitgliedern hat der Lobbyverband jedenfalls eine ernstzunehmende Größe.
Die Ziele: Im Namen der Steuerzahler die Steuerlast reduzieren, das System vereinfachen und steuerliche Verschwendung aufdecken.
Steuergelder: 10 Steuersünden, die der Bund der Steuerzahler abschaffen will
Der Verein fordert eine Wahlrechtsreform, bei der Bundestagsmandate auf 500 Sitze (statt derzeit 630) begrenzt werden. Einsparmöglichkeiten: 80 Millionen Euro.
Um bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf die Straße zu bekommen, will das Bundeswirtschaftsministerium knapp 17 Millionen in ein Schnellladesystem investieren.
Das Wirtschaftsministerium hat ein eigenes Förderprogramm aufgesetzt, um deutsche Filme zu fördern. Kosten: 10 Millionen Euro.
Mit der Internetplattform „My eDrive“ will der Bund über E-für den Käufer passende E-Autos informieren. Kostenpunkt: 457.000 Euro.
Mit 1,9 Mio. Euro finanziert das Bundesverkehrsministerium die Anschaffung von 150 VW Elektrofahrzeugen für 80 Kommunen und kommunale Betriebe.
Das Bundessozialministerium unterstützt arme Schüler bei Klassenreisen. 2015 reisten 15 Schüler aus Berlin für 38.000 Euro nach New York.
253.000 Euro für ein Projekt zur „Langzeitstabilisierung von Bier in Bezug auf Geschmack und Klarheit“. Die Forscher sollen einen Filter entwickeln, der Metalle aus dem Bier filtert und das Bier länger schmackhafter macht.
Das Forschungsministerium stellt 1,2 Mio. Euro für die Social-Media-Erziehung von Mitarbeitern bereit. Absolventen der Schulung sollen so ihre „Reputationskompetenz“ stärken.
In Berlin soll der Neptunbrunnen vom Roten Rathaus zum neuen Stadtschloss verlegt werden. Das könnte den Bund zehn Millionen Euro kosten.
Knapp eine Million Euro zahlt das Bundesumweltministerium für die „Optimierung von Trockenfutterherstellung für Hunde und Katzen“.
Der Steuerzahler ist aber immer weniger bereit, den Verband dabei zu unterstützen, denn er verliert Mitglieder – seit 2008 rund 40 Prozent. Doch damit nicht genug der Probleme. Die Mitgliederbasis altert und die langjährige Kritik, der Verband sei überdurchschnittlich mit Selbstständigen und Unternehmern besetzt, greift nach wie vor. Der Anspruch, alle Steuerzahler zu repräsentieren wird deshalb auch immer seltener geäußert.
Und der entscheidendste Punkt: Zu lange hat man sich zu sehr über die Verschwendungskritik definiert. Der Verband genießt den Ruf, mehrmals im Jahr lauthals durch die Bundesrepublik zu krakeelen.
Das wird sich auch Verbandspräsident Reiner Holznagel gedacht haben, der seit vier Jahren im Amt ist. Statt auf Lautstärke möchte er auf qualitative Informationen setzen. Statt plakativ gegen einzelne Projekte vorzugehen, sagt er, solle mehr fundierte Kritik, vor allem an der Staatsverschuldung, geäußert werden. Auf den „Frühjahrsputz“ und das „Schwarzbuch“, welches der Verein im Herbst jeden Jahres herausbringt, will Holznagel aber nicht verzichten – zu groß ist die Medienwirksamkeit.
Beispiel Filmförderung. Sicher, „Fack ju Göthe 2“ war ein Film, der nicht alle Geschmäcker traf – trotzdem war er im Kino ein Kassenschlager. Sollte deswegen die deutsche Filmförderung nicht mehr auf staatliche Unterstützung hoffen?
Diese Meinung kann man vertreten. Oftmals kritisiert der Steuerzahlerbund aber auch klassische Industriepolitik. Mit mehreren Millionen sind Bundesministerien beispielsweise an der Förderung von Elektromobilität und automatisiertem Fahren beteiligt. Der Bund der Steuerzahler kritisiert, dass davon lediglich die Privatunternehmen profitierten, die die Subventionen erhalten. Doch was ist mit potentiellen Co2-Einsparungen, die sich in der Zukunft daraus ergeben? Sind es die nicht wert? Diese Fragen scheint sich der Steuerzahlerbund nicht mal zu stellen.
Lobbyismus-Experte Rudolf Speth kritisiert, dass der Verein viele Themen gar nicht einschätzen kann. „Viele Subventionen sind hochpolitisch. Wenn es um Klima- oder Energiepolitik geht, fehlt dem Steuerzahlerbund die Expertise.“





Dabei ist es durchaus sinnvoll, neben den Rechnungshöfen eine zusätzliche Prüfinstanz zu haben, die ein Auge auf die Steuerverwendung hat. Schließlich verlieren manche Politiker bei ihren Projekten den finanziellen Überblick. Ausgabenberatung sei deswegen bei den Ministerien sehr gefragt – auch der Bund der Steuerzahler könnte hier helfen, meint Speth. Dafür braucht der Steuerzahlerbund aber dringend mehr Fachkenntnis. Die könnte unter anderem vom ehemaligen FDP-Frontmann und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle kommen. Brüderle unterstützt den Steuerzahlerbund seit letztem Jahr. Ehrenamtlich wohlgemerkt. Zumindest die Verschwendung von Mitgliederbeiträgen ist damit ausgeschlossen.