Kritik der Grünen Tricksen und vertuschen bei der Griechenland-Rettung

Was kostet die Griechenland-Rettung? Die Bundesregierung hüllt sich in Schweigen. Dabei steht längst fest, dass der Steuerzahler bereits bluten musste, sagt Grünen-Experte Gerhard Schick. Die Wahrheit werde vertuscht.

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Eine Flagge der Europäischen Union (EU) vor der beleuchteten Akropolis in Athen. Quelle: dapd

Berlin Der finanzpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Gerhard Schick, wirft der Bundesregierung vor, die tatsächlichen Kosten der Stützungsmaßnahmen für Griechenland zu vertuschen. Die deutschen Steuerzahler seien bereits beim ersten Schuldenschnitt Griechenlands mit über 9 Milliarden Euro herangezogen worden, und zwar in ihrer Rolle als Eigentümer der HRE-Bad Bank und der Landesbanken. „Diese Kosten verschweigt die Bundesregierung, weil sie nicht zugeben will, dass die Griechenland-Rettung etwas kostet“, sagte Schick Handelsblatt Online.

Das sei unehrlich. Diese Milliarden würden in einen Schattenhaushalt geschoben, der erst in vielen Jahren aufgelöst werden solle. „Derzeit werden so 22 Milliarden Euro Schulden vertuscht“, sagte Schick. Mit seriöser Haushaltspolitik habe das nichts zu tun.

Worauf Schick anspielt, sind Bilanzlücken bei den Bad Banks in Deutschland, für deren Verluste der Bund garantiert.  Darauf hatte jüngst auch der Jean-Monnet-Professor an der Universität Duisburg-Essen und Mitglied des Monetary-Experts-Panels im EU-Parlament, Ansgar Belke, im Gespräch mit Handelsblatt Online hingewiesen. Die Erste Abwicklungsanstalt, die Bad Bank der WestLB, gibt laut Belke den derzeitigen Wert ihres Griechenland-Portfolios mit unter 100 Millionen Euro an. Bei der FMS Wertmanagement, die die Altlasten des einstigen Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate verwaltet, sei die Summe größer. Sie hält noch knapp 2,2 Milliarden Euro in griechischen Schuldtiteln.

Im schlimmsten Fall müsste also der Bankenrettungsfonds Soffin haften. Der Fonds verwaltet die Krisenhilfen an deutsche Banken, darunter auch die 25-prozentige Beteiligung an der Commerzbank. Weil das Haftungspolster der HRE-Bad-Bank aufgebraucht ist, erhöhen ihre Verluste faktisch die Verschuldung der öffentlichen Hand.

Allerdings: In der offiziellen Statistik, die Deutschland an die EU-Kommission meldet, tauchen die Verluste der Bad Banks nicht auf.


"Bundesregierung akzeptiert monetäre Staatsfinanzierung"

Der Soffin ist, wie Schick sagt, eine Art Schattenhaushalt des Bundesfinanzministers. Erst nach Abwicklung des Rettungsfonds werden die Kosten zwischen Bund und Ländern aufgeteilt, was aber frühestens im Jahr 2020 passiert.

Schick kritisiert zudem, dass die Regierung im Versuch, die Belastungen in die Zukunft verschieben, offenbar sogar eine monetäre Staatsfinanzierung akzeptiere, indem die griechische Notenbank einen Teil der Finanzierungsbrücke stelle. „Dazu werden so genannte T-Bills, kurzlaufende Staatspapiere Griechenlands, als Sicherheit anerkannt, die von der EZB nicht mehr als Sicherheit akzeptiert werden“, erläuterte der Finanzexperte. Das gehe aber nur, wenn die Europäische Zentralbank (EZB) diese Vorgehensweise dulde, weil so über die griechische Notenbank die ökonomischen Risiken doch im europäischen Zentralbanksystem landeten.

Bei dieser Variante gibt die EZB Geld an die griechische Notenbank, die heimischen Geschäftsbanken hilft, Staatsanleihen zu kaufen. Ein solches Programm hatte die EZB im Sommer zum Stopfen kurzfristiger Löcher gestartet.  „Diese Lösung widerspricht allem, was die Koalitionsfraktionen in den letzten Jahren gefordert haben“, sagte Schick. „Ich bin gespannt, wie die Bundesregierung diese unseriöse Finanzierung gegenüber ihren eigenen Fraktionen rechtfertigt.“

Hintergrund ist, dass Griechenland kurzfristig dringend Geld braucht, da die Rettung des Landes erneut zum Wettlauf mit der Zeit geworden ist, nachdem die Euro-Finanzminister in der Nacht zum Mittwoch an einer Lösung scheiterten. Zwölf Stunden dauerte die Marathonkonferenz, übernächtigt mussten die Ressortchefs um 04.30 Uhr morgens eingestehen, ohne Ergebnis dazustehen. Am kommenden Montag wollen die Minister mit dem Internationale Währungsfonds (IWF) einen neuen Anlauf starten. Dann soll auch der Streit mit dem IWF über eine langfristige Schuldensanierung beigelegt werden.


Entscheidungen aus wahltaktischen Gründen verschleppt

Bei dem Sondertreffen wurde debattiert, ob Griechenland eine neue Hilfsauszahlung von mindestens 31,5 Milliarden Euro erhalten kann. Ohne das Geld droht Griechenland die Pleite. Ein weiteres Problem ist ein Finanzloch, das bis 2014 rund 13,5 Milliarden Euro ausmachen wird. Die Lücke entsteht, weil das rezessionsgeschüttelte Land zwei Jahre mehr - also bis 2016 - zum Sparen erhalten wird.

Im Gespräch der Finanzminister-Runde sind dem Vernehmen nach neben Zinsverbilligungen auch Laufzeitverlängerungen für Kredite an Athen. Zusätzliches Geld im Hilfsprogramm von 130 Milliarden Euro soll es aber nicht geben. Eine ganze Reihe von Euroländern lehnt auch einen Schuldenschnitt für öffentliche Gläubiger ab.

Der Grünen-Politiker Schick warf Schwarz-Gelb in diesem Zusammenhang vor, wichtige Entscheidungen aus wahltaktischen Gründen zu verschleppen. „Der Bundesregierung geht es mit ihrer Verweigerungshaltung bei der Debatte um die Beteiligung öffentlicher Gläubiger in erster Linie darum, Verluste für den Bundeshaushalt auf die Zeit nach der Bundestagswahl zu verschieben“, sagte er.

Das Bild, das die europäischen Regierungen hier böten, sei peinlich. Griechenland habe jetzt endlich mit harten Sanierungsmaßnahmen geliefert, aber die europäischen Regierungen seien nun nicht bereit, das Ihre zu einer zügigen Lösung beizutragen. „Das kann in niemandes Interesse sein: Es macht die Stabilisierung von Griechenland für die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland nicht billiger, erschwert aber die Situation in Griechenland“, sagte Schick.


Schäuble: Keine der Maßnahmen belastet den Bundeshaushalt

Leidtragende seien in erster Linie die Menschen vor Ort. „Griechenland braucht nicht ständig neue Krisengipfel, sondern endlich eine mittelfristig gesicherte Finanz-Perspektive“, unterstrich Schick. „Erst dann wird sich notwendiges Vertrauen für einen wirtschaftlichen Gesundungs- und Aufholprozess einstellen können.“ Nur dann würden außerdem Unternehmer bereit sein, in die Zukunft des Landes zu investieren.

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück verlangte von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), auf Deutschland zukommende Lasten für eine Rettung Griechenlands nicht länger zu verschweigen. „Die Stunde der Wahrheit ist da“, sagte er in der Generaldebatte zum Etat 2012 im Bundestag. Die SPD werde im Bundestag für die Koalition nicht erneut die Kastanien aus dem Feuer holen, falls Merkel die Opposition weiter „hinter die Fichte“ führen wolle.

Angesichts bestehender Unsicherheiten bestand Steinbrück darauf, die für Freitag vorgesehene Abstimmung über den Haushalt auszusetzen, bis Klarheit über die tatsächlichen Lasten bestehe. Auch andere führende Oppositionspolitiker bemängelten, der Etat beinhalte für diese Risiken keine Vorsorge. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bezeichnete die Forderung als parteitaktisches Manöver, das sachlich nicht begründet sei. Keine der in der Eurogruppe diskutierten Maßnahmen würde den Bundeshaushalt 2013 belasten.

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