Kritik des Rechnungshofs Wo unser Geld versickert

Quelle: dpa

Die EU hat wieder einmal große Teile ihres Etats unrechtmäßig ausgegeben. Entweder haben die Projekte Mängel oder sind unsinnig. Oft genug gibt es auch keine förderwürdigen Pläne und das Geld kann gar nicht fließen. Das ist auch in Deutschland so. Ein Kommentar.

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Wenn es darum geht, mit dem Geld des Steuerzahlers Wohltaten zu erbringen, können die von den Politikern genannten Summen nicht groß genug sein. Das gilt vor allem, wenn das Klima gerettet oder die Europäische Union nach Corona zusammengehalten werden muss. Sage und schreibe 750 Milliarden Euro umfasst der Wiederaufbaufonds, mit dem die EU die Folgen der Pandemie vor allem in den ärmeren Ländern lindern will. Hinzu kommen – das darf nicht vergessen werden – die vielen Milliarden, die von der EU-Kommission ohnehin Jahr für Jahr (um)verteilt werden: Strukturhilfen aller Art, Geld aus Forschungstöpfen, Agraretats, Kohäsionsfonds... – die Liste ist so lang wie die vielen Wünsche in Europa.

Und natürlich kann es nie schnell genug gehen mit dem Geldausgeben: Gerade Italien und Spanien, die größten Nutznießer dieser Fonds, drängten noch im Sommer zur Eile – mit der Hilfe dürfe nicht gewartet werden.

Jetzt stellt sich nach einem aktuellen Bericht des Rechnungshofs wieder einmal heraus, dass die vielen Milliarden gar nicht abgerufen werden können. Es fehlt an Personal und Management ebenso wie an förderwürdigen Projekten. Und selbst wenn Projekte vorliegen und genehmigt werden, gibt es immer noch zahllose Unregelmäßigkeiten. So hat die EU auch im vergangenen Jahr wieder einen großen Teil ihres Haushalts unrechtmäßig ausgegeben. Insbesondere bei den Agrar- und den Strukturhilfen haben die Prüfer massive Defizite ausgemacht. In diesen beiden Feldern, die 80 Prozent des Budgets ausmachen, lag die Fehlerquote bei mehr als fünf Prozent. Und von den Strukturhilfen in Höhe von 32 Milliarden Euro hätten gar zwölf Prozent nie bewilligt werden dürfen. Ein blamables Urteil.

Doch das ist nicht nur im Süden Europas so. Auch in Deutschland fließen Mittel in unsinnige oder zumindest fragwürdige Projekte. Oder das Geld kann gar nicht erst eingesetzt werden, weil hinter den Etatposten keine genehmigungsfähigen Projekte stehen. So ist von der immer wieder geforderten „Investitionsoffensive“ in der vergangenen Legislaturperiode ein zweistelliger Milliardenbetrag übriggeblieben – auch hier konnte das vorhandene Geld schlicht nicht abfließen.

Doch es ist nicht nur der Mangel an konkreten Projekten, für die es sich lohnt, das Geld der Steuerzahler einzusetzen. Oft genug kommen auch die Verwaltungen nicht nach, Planungen baureif zu machen oder ausgeplante Projekte zu genehmigen. Das beschämendste Beispiel stellt der mit großer medialer Begleitmusik verabschiedete „Digitalpakt Schule“ dar. Nachdem die Länder, die stets auf ihre alleinige Zuständigkeit für die Bildung pochen, es jahrzehntelang versäumt haben, für moderne Schulen auf der technischen Höhe der Zeit zu sorgen, stellte der Bund ihnen 6,5 Milliarden Euro bereit, damit die Kreide aus den Klassenzimmern zugunsten von Laptops verschwindet. Bis heute sind davon gerade einmal 851 Millionen Euro ausgegeben worden – ein lächerliches Achtel der Fördersumme. Und obwohl die mangelnde Digitalisierung in unseren Schulen in jeder Talkshow beklagt wird, sind die Länder bis heute nicht in der Lage, das Geld sinnvoll auszugeben.

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Vor diesem Hintergrund ist höchste Vorsicht geboten, wenn die Politiker der künftigen Ampelkoalition sich jetzt mit immer größeren Forderungen nach „Zukunftsinvestitionen“ überbieten. Die Grünen wollen in den kommenden zehn Jahren 50 Milliarden Euro pro Jahr für Klima, Digitales und Infrastruktur ausgeben – zusätzlich zu den bisherigen Haushaltsplanungen natürlich. Angesichts der bisherigen Erfahrungen sollten die Politiker jedoch ihren Aktionismus bremsen und den Überbietungswettbewerb mit großen Zahlen einstellen. Bevor dem Steuerzahler wieder neue Milliarden abgenommen oder als Schulden aufgebürdet werden, müsste einmal etwas konkreter dargelegt werden, wofür das Geld eigentlich fließen soll. Dann lässt sich mancher Unsinn – und auch so manche Geldverschwendung – vielleicht im Ansatz vermeiden. „Fordert weniger, plant besser“, lautet die Devise. Zumindest bis zu dem Tag, an dem der Rechnungshof nicht jährlich Mängel und Verstöße moniert.

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