Kulturpolitik Niemand weiß, was Deutschlands Theater kosten

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Besserung kommt – in ein paar Jahren

Dass die bestehende Datengrundlage in Deutschland vor allem im Vergleich zu anderen europäischen Ländern äußert schlecht ist, ist in der Kulturszene ein seit Jahren bekanntes Problem. So beschrieb Dieter Haselbach, ein bekannter deutscher Soziologe, schon 2000 die Theaterstatistik als „gegenüber jedem Interpretationsansatz recht sperrig“. Er forderte eine Neufassung der Statistik. Im Jahr 2012 veröffentlichte er zusammen mit anderen Experten das Buch „Kulturinfarkt“, in dem die Autoren die deutschen Kultursubventionen kritisieren. Auch die Kulturpolitische Gesellschaft (KuPoGe), die sich selbst als Zusammenschluss „kulturpolitisch interessierter und engagierter Menschen aus den Bereichen Kulturarbeit, Kunst, Politik, Wissenschaft, Publizistik und Kulturverwaltung“ beschreibt, fordert seit längerem eine neue Kulturstatistik.

Doch warum gibt es sie immer noch nicht? Norbert Sievers, Hauptgeschäftsführer der KuPoGe, wirft der Kulturpolitik Versagen vor: „Politiker leben davon sich zu inszenieren. Deshalb gefallen sie sich in der Rolle des Mäzens.“ In der Folge würden sie sich auf prestigeträchtige Projekte fokussieren. „ Wenn es eine entsprechende Statistik gäbe, würde man schnell erkennen, wo am Bedarf vorbei produziert wird.“

Die politische Verantwortung für eine Kulturstatistik liegt bei der Kultusministerkonferenz. Dort stimmt man der Einschätzung zu, dass mit der bestehenden Datenlage kaum eine vernünftige Kulturpolitik zu machen ist. Immerhin hatte schon vor zehn Jahren eine Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages die Datenlage für die Kultur, als „wissenschaftlich nur begrenzt aussagefähig und damit politisch nur partiell nutzbar“ bezeichnet. Außerdem kommt die Kommission in ihrem Abschlussbericht zu dem Schluss, dass die Nutzung von Verbandsstatistiken für kulturpolitische Zwecke nicht möglich sei. Das entwertet also die Theaterstatistik des Bühnenvereins.

Immerhin drei Jahre später zogen die Kultusministerkonferenz und der damalige Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Bernd Neumann, die Konsequenzen aus diesem Bericht. Sie beauftragten das Statistische Bundesamt mit der Erstellung einer einheitlichen Kulturstatistik. In diesem Jahr hat das Projekt erste Früchte getragen. Mit dem Spartenbericht Musik ist die erste Teilstatistik erschienen. Bis 2022 soll das Projekt abgeschlossen sein. Spätestens dann dürfte auch die Statistik für die deutschen Theater vorliegen. Die könnten dann schon längst immaterielles Weltkulturerbe sein. Die Unesco entscheidet 2019 über den deutschen Antrag.

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