Kulturpolitik Niemand weiß, was Deutschlands Theater kosten

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Mit den Daten kann niemand arbeiten

Neben dieser spärlichen staatlichen Datengrundlage gibt es allerdings eine weitere: Die jährliche Theaterstatistik des Deutschen Bühnenvereins. Auf ihrem Cover steht: „Die wichtigsten Wirtschaftsdaten der Theater, Orchester und Festspiele“. Und tatsächlich gibt es auf über 250 Seiten Tabellen, die die deutsche Theaterlandschaft bis ins kleinste Detail beleuchten. Wollen Sie wissen, wie viele Schüler- und Studentenkarten das E.T.A.-Hoffmann-Theater in Bamberg in der Spielzeit 2014/2015 herausgegeben hat? Es sind 13.623. Und wie viele Opern hat das Mecklenburgische Staatstheater in Schwerin in dieser Zeit aufgeführt? Es sind 79.

Die Theaterstatistik ist seit 50 Jahren die beste Datengrundlage, die Kulturpolitiker und Forscher bekommen können. Aber auch sie ist problematisch, denn die Daten verschiedener Theater sind nur bedingt vergleichbar. Darauf weist der Bühnenverein auch an mehreren Stellen hin. Das begründet er damit, dass immer auch die Situation vor Ort verglichen werden müsse. Also zum Beispiel die Größe des Theaters, die Zahl der Spielstätten oder auch das Einzugsgebiet. Besonders pikant wird das Problem mit der Vergleichbarkeit, wenn man nicht die Zahl der Inszenierungen oder Premieren mit einander vergleicht, sondern die staatlichen Zuschüsse betrachtet.

Will man zum Beispiel das Einspielergebnis vergleichen, also fragen, wie viel Prozent der Ausgaben ein Theater durch eigene Einnahmen deckt, so scheinen das Grenzlandtheater Aachen und das Theater Oberhausen laut Theaterstatistik Extreme zu sein. Im Grenzlandtheater Aachen beträgt das Einspielergebnis 87,9, im Theater Oberhausen hingegen nur 6,9 Prozent. Hinzu kommt, dass das Grenzlandtheater Aachen eine deutliche höhere Auslastung vorzuweisen hat – bei annährend gleicher Besucherzahl.
Ist das Theater in Aachen also nicht nur günstiger, sondern hat auch das besser auf die Nachfrage passende Platzangebot? Auf diese Frage reagiert der Bühnenvereins ausweichend. Die Zahlen seien nicht vergleichbar. Außerdem müsse man sich auf die Angaben der Mitgliedstheater verlassen und habe keine Möglichkeit der Kontrolle.

Es drängt sich schließlich die Frage nach der Rolle des Deutschen Bühnenvereins auf. Der versteht sich als „Interessen- und Arbeitgeberverband der Theater und Orchester“, wie er selbst auf seiner Webseite schreibt. Damit wird die einzige detaillierte Statistik zu deutschen Theatern von einem Verein herausgegeben, dessen uneingeschränktes Interesse an der Aussagefähigkeit der Daten zweifelhaft sein dürfte. Welcher Verband will schon seine Mitglieder bloßstellen.

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