Kurswechsel in der Zypernfrage gefordert Union setzt Türkei weiter unter Druck

Ihre grundsätzlichen Bedenken gegen eine EU-Vollmitgliedschaft der Türkei hat die Union bekräftigt. Gleichzeitig präzisierte sie ihr Modell einer Privilegierten Partnerschaft. Politiker von CDU/CSU und FDP pochten vor Beginn der Verhandlungen am 3. Oktober auf einen Kurswechsel Ankaras in der Zypern-Frage.

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HB BERLIN. Außenminister Joschka Fischer (Grüne) mahnte vor den Beratungen mit seinen EU-Kollegen in Wales am Donnerstag, die EU müsse ihre Versprechen an Ankara halten. CDU-Außenexperte Friedbert Pflüger kritisierte in der „Neuen Presse“: „Es kann nicht angehen, dass sich Ankara weiterhin weigert, Zypern anzuerkennen, obwohl es doch EU-Mitgliedstaat ist.“ Ähnlich äußerte sich die europapolitische Sprecherin der FDP- Bundestagsfraktion, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Wenn die türkische Regierung bei ihrer harten Position bleibe, Zypern nicht wie die anderen 24 EU-Mitgliedsländer als gleichwertigen Partner zu behandeln, riskiere sie den Startschuss für die Aufnahme der Verhandlungen am 3. Oktober. Der CSU-Außenpolitiker Karl-Theodor zu Guttenberg verwies indes auf die Vorteile der Privilegierten Partnerschaft, die der Türkei in zahlreichen Politikfeldern Verbesserungen bringe. Das Unionskonzept beinhalte eine Ausweitung der Zollunion, Visa-Erleichterungen und eine engere Zusammenarbeit mit der EU. „Auch wenn die Türkei das Angebot heute als Rückschritt im Vergleich zum Vollbeitritt ansieht, könnte sich während der Verhandlungen auch in Ankara die Einsicht durchsetzen: Eine privilegierte Partnerschaft ist besser als eine unterprivilegierte Mitgliedschaft“, sagte er der dpa. Der CDU-Europapolitiker Matthias Wissmann wies die Äußerungen des türkischen Außenministers Abdullah Gül zurück, der die Ablehnung der Union einer vollen EU-Mitgliedschaft der Türkei als „unrechtmäßig und unmoralisch“ bezeichnet hatte. „Es wäre gut, wenn rhetorisch abgerüstet würde“, sagte Wissmann der „Berliner Zeitung“. Auch wer eine Alternative zur Vollmitgliedschaft ins Gespräch bringe, wolle weiter enge Beziehungen zur Türkei. Fischer nannte die Ablehnung einer Vollmitgliedschaft der Türkei durch Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel „gefährlich blind“. Einwände aus der Union, dass die Türkei in arabischen Ländern nicht als Vorbild wahrgenommen werde, wies er in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ als „eines der dämlichsten Argumente, die ich je gehört habe“, zurück. Von einer dauerhaften Verankerung einer offenen und demokratischen Türkei in der EU gehe eine „ungeheuer große Signalwirkung“ auf den Nahen Osten aus. Die CDU-Bundestagsabgeordnete und Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, sprach sich dagegen strikt gegen eine Aufnahme der Türkei als Vollmitglied aus: „Die Türkei ist Orient, nicht Okzident, wie jedes Kind bereits im Geographieunterricht lernt.“ Das „riesige orientalische Land“ würde die EU sprengen, „auch wenn alle Aufnahmekriterien mustergültig umgesetzt würden“.

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