Kurz erklärt Wieso prescht Schulze jetzt bei der CO2-Steuer vor?

Bundesumweltministerin Svenja Schulze hat drei Gutachten zur möglichen Ausgestaltung eines CO2-Preises in der Bundespressekonferenz vorgestellt Quelle: dpa

SPD-Ministerin Svenja Schulze legt gleich drei Gutachten vor, die zeigen sollen: Klimaschutz per CO2-Steuer ist sinnvoll und sozial ausgewogen zugleich. Die Sommerdebatte rund ums Klimakabinett ist damit eröffnet.

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1. Warum stellt die Umweltministerin die Gutachten gerade jetzt vor?

Wer schreibt, der bleibt, heißt es in der Politik. Und wer zuerst kommt, der setzt den Ton einer Debatte. Deshalb prescht Svenja Schulze jetzt vor, trotz der politischen Sommerpause. Oder besser gesagt: genau deswegen. Die kommenden Wochen bis Anfang September wurden von der großen Koalition schließlich explizit als intensive Arbeitsphase deklariert. Bis dahin soll der Plan der Regierung stehen, wie man die internationalen Klimaverpflichtungen künftig einzuhalten gedenkt, die Deutschland unterschrieben hat. Das Klimaziel für 2020 reißt die Regierung bereits sicher, 2030 soll das nicht wieder passieren. Zumal es in Zukunft teuer werden kann, weil im Falle weiteren Scheiterns Strafzahlungen in Milliardenhöhe drohen.

2. Was ist die wichtigste Botschaft?

Seit Monaten wirbt die Umweltministerin für mehr Ehrgeiz beim Klimaschutz, ihr Entwurf für ein Klimaschutzgesetz brachte aber im Frühjahr den Koalitionspartner von der Union auf die Barrikaden. Vor allem wegen der Emissions-Sparziele, die Schulze jedem Sektor, unter anderem auch für Verkehr und Wohnen, aufdrücken wollte. „Klima-Planwirtschaft“ grollten CDU und CSU. Seitdem geht nichts so recht voran.



Nun legt Schulze also nach. Am liebsten würde die Ministerin eine CO2-Steuer einführen, Treibhausgas-Emissionen damit einen einheitlichen Preis geben – und die Einnahmen an die Bürger zurückverteilen. So ähnlich macht es beispielsweise die Schweiz. „Ein CO2-Preis ist kein Allheilmittel, mit dem wir alle Klimaziele erreichen. Zusammen mit anderen Maßnahmen ist er aber ein wichtiger Baustein, damit Deutschland wegkommt von der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas“, wirbt Schulze. „Künftig soll gelten: Wer sich klimafreundlich verhält, wird belohnt.“

Das Lieblingsbeispiel der Steuer-Gegner ist allerdings die geringverdienende Pendlerin mit altem Auto, die auf dem Land in einem unsanierten Haus lebt. Menschen wie sie dürften nicht stärker belastet werden. Schulze selbst führt gerne eine Krankenschwester aus dem Münsterland an. Ihr Versprechen: Durch die Rückzahlung der CO2-Steuereinnahmen – von Schulze „Klimaprämie“ genannt – lässt sich die ökologische Umstellung des Steuersystems auch für sie „sozial ausgeglichen“ werden.

3. Hat das Ganze Chancen, umgesetzt zu werden?

Das weiß heute noch keiner, nicht mal Frau Schulze selbst. Die Bundeskanzlerin hat zwar öffentlich und mit Ehrgeiz erklärt, bis zum Herbst müsse eine Gesamtstrategie stehen. Doch die Differenzen sind riesig. Eine Steuer lehnen viele in der Union ab, aus Prinzip oder aus Angst vor Gelbwesten-Protesten auch in Deutschland. Einer Ausweitung des bestehenden EU-Emissionshandels auf den Verkehr wiederum (Favorit vieler Konservativer) erteilen viele Genossen eine Absage: weil zu langwierig in der Umsetzung. Hinzu kommen noch drei Landtagswahlen im Osten, bei denen das Thema Klimaschutz eher als Bedrohung denn als Verheißung wahrgenommen wird.

Ob in den wenigen Wochen bis September also ein kohärenter Plan der großen Koalition entsteht, der idealerweise die offene Mautfrage ebenso einbezieht wie den geplanten Kohleausstieg bis 2038, den Stromnetz- und Erneuerbaren-Ausbau? Höchst zweifelhaft.

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