Deutschland diskutiert noch, andere Länder sind vor Jahren schon auf eine Kohlendioxid-Steuer umgeschwenkt, um klimaschädliches Wirtschaften teurer und den Umstieg auf andere Energie lohnender zu machen. An Erfahrungen aus der Schweiz, Schweden, Frankreich, Großbritannien und jüngst auch Kanada lässt sich immerhin erkennen, was funktioniert und welchen Fehler man nicht zweimal begehen sollte.
Die Schweiz
Das Nachbarland wird von deutschen Politikern gerne mal als Vorbild für den Umstieg in der Klimapolitik bemüht. Die Eidgenossen erheben seit 2008 eine so genannte Lenkungsabgabe auf fossile Brennstoffe wie Heizöl, Sprit oder Erdgas. Seit 2018 beträgt sie 96 Franken je Tonne CO2. Auf Rechnungen beim Kauf von Brennstoffen wird genau ausgewiesen, mit wieviel die Abgabe zu Buche schlägt.
Das eingenommene Geld fließt zu zwei Dritteln wieder – ganz unabhängig vom Verbrauch – an Bürger und Unternehmen zurück. So erhalten die Menschen in der Schweiz, egal ob jung oder alt, jeden Monat über ihre Krankenversicherung pro Kopf Geld zurückerstattet. Die Krankenkassen wurden dafür pragmatisch ausgesucht, weil so alle erreicht werden und die Kassen ohnehin mit der Geldüberweisung zu tun haben. Etwa ein Drittel (oder aktuell höchstens 450 Millionen Franken) geht in die Förderung von CO2-vermindernden Maßnahmen an Gebäuden, also Sanierungen oder den Austausch von Heizkesseln. Noch einmal 25 Millionen Franken kommen dem Technologiefonds zur Erforschung klimaschonender Innovationen zu.
Schweden
Das skandinavische Königreich hat bereits 1991 eine CO2-Steuer eingeführt, acht Jahre bevor Klimaaktivistin Greta Thunberg zur Welt kam. Die Schweden haben damals mit umgerechnet knapp 30 Euro je Tonne CO2 angefangen, inzwischen sind für einen Tonne CO2-Ausstoß rund 115 Euro fällig (1180 Kronen). Das ist nach einer Liste der Weltbank international der höchste Preis fürs klimaschädliche Gas, gefolgt von der Schweiz und Finnland. Zum Start in den 1990er Jahren wurden zugleich mehrere unpopuläre Steuern abgeschafft oder abgesenkt – Vermögen-, Kapital- und Ertragsteuern.
Auch die Steuerbemessungsgrundlage und verschiedene Abzüge wurden verringert, so dass die klimaabhängigen Abzüge bei einzelnen finanziell nicht besonders zu spüren war. Das Land importiert Kohle oder Öl, hat aber selbst keinen eigenen Kohleabbau. Das macht die Umstellung von diesem Brennstoff leichter. Größere Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, zahlen zum Teil bis zu 60 Prozent weniger auf CO2. So soll die Abwanderung von Arbeitsplätzen vermieden werden, wichtiger aber noch verhindert werden, dass eine Ersatz-Fabrik dann im Nachbarland die klimaschädlichen Gase ausstößt, die man eigentlich verringern will.
Frankreich
Erst 2014 hat das westliche Nachbarland eine CO2-Steuer umgesetzt, zunächst mit sieben Euro je Tonne. Die Steuerwurde zunächst durch andere Steuersenkungen ausgeglichen, die allerdings weitreichend wirkt und anders als in der Schweiz und Schweden nicht problemlos angenommen wurde. Der CO2-Ausstoß wird über die Stromkosten und den Spritverbrauch bei den Franzosen abgerechnet. 44,60 Euro kostet die Tonne Kohlendioxid aus Brennstoffen. Strom wird dabei kaum teurer, weil es wenig Kohlestrom und viel Atomstrom gibt, der fast CO2-neutral hergestellt wird.
Doch höhere Spritpreise haben vor allem der Landbevölkerung und Berufspendlern zu schaffen gemacht. Für sie hat die Politik bisher noch keine ausreichenden Angebote zu Belastung parat. Die Protestbewegung der Gelbwesten entstand auch wegen der steigenden Tankstellenpreise. Zuletzt setzte Präsident Emmanuel Macron eine geplante Erhöhung der Steuer aus – ein Zugeständnis an die Gelbwesten. Ursprünglich war für 2022 ein CO2-Preis von 86,20 Euro geplant gewesen. 2030 sollten 100 Euro je Tonne gelten.
Mit den Einnahmen soll der Ausbau erneuerbarer Energien vorangetrieben werden. Haushalte mit geringem Einkommen bekommen Energieschecks – 200 Euro im Jahr 2019. Für alte Diesel- und Benzin-Autos gibt es beim Kauf eines sparsamen Autos 2000 Euro Prämie.
Das müssen Sie zur CO2-Steuer und ihren Folgen wissen
- Die Bundesregierung diskutiert, ob Deutschland eine CO2-Steuer einführt, die auf den Ausstoß von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen erhoben wird.
- Es besteht Handlungsbedarf, weil Deutschland verpflichtende Ziele nicht einhält und in der EU hohe Strafen zahlen muss.
- Länder wie Schweden oder die Schweiz haben bereits seit Jahren eine vergleichbare Steuer. Kanada führte sie kürzlich ein.
- Der Regierungsberater Ottmar Edenhofer und der Klimaökonom Matthias Kalkuhl vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) haben für die Wirtschafts-Woche berechnet, wie eine CO2-Steuer auf Privathaushalte wirkt.
- Alle Energieträger werden, abhängig von ihren Folgen fürs Klima, besteuert. Einbezogen sind Kraftstoffe fürs Auto wie Benzin und Diesel, Kosten fürs Heizen und Warmwasser sowie für Strom.
- Diskutiert werden verschiedene Preise. In den Berechnungen werden drei realistische Startvarianten von 20, 40 und 60 Euro für den Ausstoß einer Tonne CO2 angenommen.
- Der Staat nimmt mehr Geld ein – je nach Höhe einen ein- bis zweistelligen Milliardenbetrag pro Jahr. Ein Teil der Mehreinnahmen wird für die Senkung anderer Steuern verwendet, etwa bei der Stromsteuer, oder für niedrigere Sätze für bestimmte Industrien.
- Der Großteil der Mehreinnahmen fließt jedoch als jährliche Pro-Kopf-Ausschüttung an die Bürger zurück. Bei einer Steuer in Höhe von 40 Euro pro Tonne CO2 sind es 77 Euro pro Kopf, bei 60 Euro bereits 162 Euro. Das soll soziale Härten vermeiden.
- Familien, die höhere Energiekosten haben, erhalten dadurch mehr Geld als Singles. Trotzdem wird es auch Verlierer der Reform geben – etwa ein Alleinstehender, der auf dem Land lebt und eine lange Autofahrt zur Arbeit hat. Besserverdiener zahlen drauf.
- Die Rückerstattung aus der CO2-Steuer könnte jährlich über die Steuererklärung erfolgen. Oder wie in der Schweiz über die Krankenversicherung.
- Entscheidend für die Effekte einer CO2-Steuer ist der Preis. Die Experten des Mercator-Instituts halten einen Preis von 50 bis 60 Euro je Tonne CO2 für realistisch, damit Deutschland seine Klimaziele einhält. In der politischen Diskussion geht es dagegen meistens um niedrigere Einstiegspreise von 20 oder 40 Euro.
Großbritannien
Etwas bescheidener ist die britische Regierung in einen CO2-Preis eingestiegen. Den europäischen Emissionshandel, nach dessen Regeln Energieerzeuger und große Industriebetriebe Zertifikate zum CO2-Ausstoß kaufen müssen, haben die Briten 2001 durch einen Mindestpreis für CO2 ergänzt. Dieser gilt für Erdgas, Kohle, Flüssiggas und Elektrizität. Effektiv wirkt so ein Mindestpreis wie eine Steuer. Der Mindestpreis hat inzwischen dafür gesorgt, dass Kohlekraftwerke vom Markt gehen und durch klimafreundlichere Gaskraftwerke ersetzt werden. Der Mindestpreis liegt bei 18 Pfund (mehr als 20 Euro) je Tonne. Der Emissionshandel für die Energiebranche bringt inzwischen aber einen höheren Preis von zuletzt fast 25 Euro je Tonne. Der ungewisse Brexit beeinflusst auch den Fortbestand dieser Energiebesteuerung. Bisher gelten die heutigen Regeln nur bis 2020.
Kanada
Seit April 2019 gilt auch in ganz Kanada eine CO2-Abgabe. Bisher hatten einzelne Provinzen bereits einen solchen Preis auf klimaschädliches Wirtschaften, nicht aber die von den Konservativen regierten Landesteile, wo oft auch die Gas- und Ölindustrie ist. Die Bundesregierung in Ottawa erhebt nun 20 kanadische Dollar (etwa 13 Euro) je Tonne CO2. Bis 2022 soll der Preis auf 50 Euro steigen. Das Geld soll als Klimadividende wieder an die Bürger zurückfließen. Der Schritt war ein Wahlversprechen des Premierminister Justin Trudeau von den Liberalen. Das Thema wird sicher im anstehenden Wahlkampf wichtig, die Opposition ist vehement gegen dieses System.