




Werden die Arbeitnehmer durch das niedrige Lohnniveau abgeschreckt?
Wir haben immer noch Abwanderung. Die Thüringer Agentur für Fachkräftesicherung soll Abgewanderte zurückholen. Die haben einen engen Bezug zu ihrer Heimat. 120.000 Menschen pendeln täglich oder wöchentlich aus Thüringen raus, vor allem nach Bayern und Hessen. Es gibt das Interesse, zurückzukommen, aber nicht um jeden Preis. Auch deshalb muss sich das Lohnniveau ändern.
Ist denn jetzt – nach Jahren der Zurückhaltung – die Zeit für große Lohnerhöhungen gekommen?
Die Zeit für Lohnerhöhungen ist da. Wir hatten 15 Jahre Lohnzurückhaltung, in allen anderen Ländern sind die Löhne gestiegen. Und die Handelsbilanzüberschüsse, die im Ausland immer kritisiert werden, bekommen wir nur weg, wenn wir Importe zulassen und kaufen. Auch dazu brauchen die Menschen mehr Geld. Die Lohnpolitik muss sich an der Produktivität plus Inflation orientieren, aber sie kann auch ein paar Jahre etwas darüber liegen. Denn viele Menschen haben beim Blick in die Lohntüte nicht den Eindruck, dass hier gerade ein XXL-Aufschwung läuft.
Deutschland
Haben Sie als Wirtschaftsminister keine Sorge, dass Betriebe leiden?
Als Wirtschaftsminister muss ich auch an die Investitionen denken. Aber man kann beides haben, denn die Unternehmen haben in den letzten Jahren gut verdient – von der Automobilindustrie bis zu Mittelständlern. Also muss man auch die Arbeitnehmer an diesem Erfolg und an den Gewinnen beteiligen.
Verlieren wir dann nicht wieder die gerade erkämpfte Wettbewerbsfähigkeit?
Ein Wirtschaftsmodell, das nur auf Lohnzurückhaltung basiert, ist nicht tragfähig. Vor zehn Jahren war das vielleicht notwendig, aber heute nicht mehr. Ordentliche Lohnerhöhungen tragen auch zum sozialen Frieden bei.