
Mit Hannelore Kraft als Spitzenkandidatin und dem Kernthema soziale Gerechtigkeit will die nordrhein-westfälische SPD auch bei der Landtagswahl im Mai stärkste Kraft werden. Bei einer Parteikonferenz in Düsseldorf wurde die Landesvorsitzende und Ministerpräsidentin am Samstag einstimmig von allen 422 Delegierten auf Platz 1 der Landesliste gewählt. Die 55-Jährige, die ihre Partei zum dritten Mal in Folge in eine Landtagswahl führt, hatte keinen Gegenkandidaten.
Parallel dazu wählte eine Landesvertreterversammlung der CDU Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl im September. Die Delegierte stimmten am Samstag in Bad Sassendorf mit 98 Prozent der abgegebenen Stimmen für ihn. Bei den drei vorherigen Bundestagswahlen war Bundestagspräsident Norbert Lammert Spitzenkandidat im mitgliederstärksten CDU-Landesverband gewesen. Er kandidierte aber nicht wieder und beendet seine politische Karriere.
Nordrhein-Westfalen ist nach Einwohnern das größte Bundesland. Deswegen gilt die Landtagswahl dort als kleine Bundestagswahl. Dem Urnengang am 14. Mai kommt in diesem Jahr besondere Bedeutung zu, weil er der letzte politische Stimmungstest vor der Bundestagswahl am 24. September ist.
Die SPD und die K-Frage – ein Hang zur Sturzgeburt
... der SPD-Kanzlerkandidaten hat schon oft für besondere Geschichten gesorgt. Vier Beispiele.
1998 - GERHARD SCHRÖDER: Damals konkurrieren Schröder und Parteichef Oskar Lafontaine um die Spitzenkandidatur. Entschieden wird das Rennen am 1. März bei der Landtagswahl in Niedersachsen. Der kraftstrotzende Ministerpräsident Schröder hat angekündigt, in der K-Frage zurückzuziehen, wenn er mehr als zwei Prozentpunkte verliert. Schröder aber rockt die Wahl, holt für die SPD mit 47,9 Prozent ein Plus von 3,6 Prozentpunkten. Irgendwann klingelt in Hannover ein Telefon. Schröder geht ran, es ist Lafontaine: „Na, Kandidat“, soll der Saarländer zur Begrüßung gesagt haben. Lafontaine macht den Weg für Schröder frei, bildet mit ihm im Wahlkampf eine Doppelspitze.
Schröder schlägt Kohl und wird Kanzler. Doch die Freundschaft mit Oskar zerbricht. Im März 1999 schmeißt der gekränkte Finanzminister Lafontaine hin, wird später Chef der neuen Linkspartei. „Und so resultierte aus dem Dualismus der sozialdemokratischen Doppelspitze des Jahres 1998 die Spaltung der Linken sieben Jahre später“, schreibt der Göttinger Parteienforscher und SPD-Kenner Franz Walter für den „Spiegel“.
2009 - FRANK-WALTER STEINMEIER: Am 6. September 2008, einem Samstag ein Jahr vor der Wahl, sickert durch, dass Außenminister Steinmeier bei der K-Frage zugreift. Erst heißt es noch, das sei im besten Einvernehmen mit Parteichef Kurt Beck erfolgt. Doch am Tag darauf kommt es bei der Klausur der Spitzengenossen zum Putsch vom Schwielowsee. Der glücklose Pfälzer Beck schmeißt entnervt hin, spricht von Intrigen. Franz Müntefering kehrt an die Parteispitze zurück. Dem in Umfragen populären Steinmeier geht auf der Strecke die Luft aus. Gegen Angela Merkel hat er am Ende keine Chance, die SPD stürzt mit 23 Prozent auf ihr schlechtestes Nachkriegsergebnis ab.
2013 - PEER STEINBRÜCK: Auch dieses Mal kommt es anders, als es sich die Parteispitze vorgenommen hat. Drei Kandidaten stehen zur Auswahl: Ex-Finanzminister Steinbrück, Parteichef Sigmar Gabriel und Steinmeier. Ende September 2012 macht Steinmeier, der sich eine erneute Kandidatur nicht antun will, beim Abendessen mit ein paar Journalisten seinen Verzicht deutlich. Das Drehbuch, die Verkündung möglichst bis zu Beginn des Wahljahres hinauszuzögern, ist im Eimer. Gabriel, der schon damals selbst nicht will, fliegt überstürzt aus München nach Berlin zurück, um Steinbrück in der Parteizentrale zu präsentieren. Die Kür ist verpatzt, es wird ein Pleiten-Pech-und-Pannen-Wahlkampf. Steinbrück und die SPD landen bei 25,7 Prozent. Gabriel führt die SPD per Mitgliederentscheid in die große Koalition.
2017 - MARTIN SCHULZ: Monatelang zaudert Gabriel, ob er selbst Angela Merkel herausfordern soll. Sein mieses Image in den Umfragen wirkt wie einbetoniert. Viele in der Partei stöhnen, mit dem unbeliebten Goslarer werde die SPD nichts reißen. Andere Spitzengenossen wollen Gabriel vor die Wand fahren lassen, um die Partei dann neu zu ordnen. Gabriel, der bereits länger an Rückzug denkt, will allein entscheiden. Er verdonnert die Führung zum Schweigen. Am 29. Januar soll das Rätsel um die K-Frage aufgeklärt werden. Der Zeitplan hält lange, die SPD zeigt sich diszipliniert.
Es kommt der 21. Januar. In Montabaur treffen sich Gabriel und Martin Schulz. Umfrage-Liebling Schulz denkt, er wird „nur“ Außenminister. Gabriel, der zum Wohl der SPD zurückziehen will, bietet ihm Parteivorsitz und Kandidatur an. Der Ex-EU-Politiker greift zu. Gabriel weiht den mit ihm befreundeten „Stern“-Chefredakteur Christian Krug ein. Weite Teile der SPD wissen von dem spektakulären Deal noch nichts. Gabriel will die Gremien am 24. Januar informieren. Daraus wird nichts - wieder gibt es eine Sturzgeburt. Eine halbe Stunde vor einer Fraktionssitzung wird im Internet das Titelbild des neuen „Sterns“ publik: „Der Rücktritt“.
In einer kämpferischen Rede betonte Kraft vor rund 470 Delegierten in Düsseldorf, dass soziale Gerechtigkeit das Kernthema ihrer Partei auch im „NRW-Plan“ für die nächste Wahlperiode bleibe. Herzstück ihrer Politik sei das Programm „Kein Kind zurücklassen“. Der Ertrag der Investitionen in eine vorbeugende Sozialpolitik werde sich aber vollständig erst in mehreren Jahren zeigen.
Die NRW-SPD beschloss einstimmig ihr Wahlprogramm, das unter anderem weitgehend beitragsfreie Kindergärten sowie Wahlfreiheit für acht oder neun Jahre Gymnasium vorsieht. In ihrem „NRW-Plan“ verpflichtet sich die Partei auch, am gebührenfreien Studium festzuhalten. Zudem will die SPD in der nächsten Wahlperiode mehr Polizisten einstellen und mit einem Programm für mehr Sicherheit in den Kommunen sorgen.
Aus Sicht der FDP-Opposition ist das Programm kein guter Plan für NRW. „So zementiert die SPD das Land für Jahre weiter auf Abstiegsplätzen“, kritisierten die Liberalen in einer Mitteilung.
Die SPD regiert in NRW seit 2010 mit den Grünen. Bei der Wahl 2012 war sie mit 39,1 Prozent unerwartet deutlich stärkste Partei geworden. Derzeit liegt sie in den Umfragen bei 36 Prozent - vier Punkte vor der oppositionellen CDU. Wegen der Schwäche der Grünen hat Rot-Grün aber keine Mehrheit mehr.