Landtagswahl 2016 Illegale Parteispenden für AfD-Wahlkämpfer?

Anonyme Spender sollen eine Wahlkampagne gegen Flüchtlinge für die AfD finanziert haben. Die Inhalte erinnern zum Teil an Nazi-Zeitschriften. Der Vorgang ist pikant, die Grünen vermuten Verstöße gegen das Parteienrecht.

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Die Legalität der AfD-Unterstützung durch eine anonyme Gruppe soll nach Forderungen der Grünen untersucht werden. Quelle: Reuters

Berlin Die Grünen vermuten, dass die AfD-Landesverbände in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz von illegalen Parteienspenden für eine Wahlkampagne profitieren und fordern Konsequenzen. „Die AfD versucht anscheinend das Parteiengesetz mit seinen Transparenzpflichten zu umgehen. Die Bundestagsverwaltung soll das prüfen“, sagte der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, dem Handelsblatt.

Hintergrund ist, dass die beiden West-Landesverbände der Alternative in Deutschland (AfD) großzügig Hilfe von anonymen Unterstützern erhalten. In den vergangenen Tagen wurden zahlreiche Werbeplakate für die AfD aufgestellt und fast zwei Millionen Exemplare der Zeitung „Extrablatt“ an Haushalte verteilt. Darin wird gegen Flüchtlinge Stimmung gemacht und zur Wahl der AfD aufgerufen.

„Finanziert wird die Zeitung sowie der Plakataushang aus einer Vielzahl von größeren und kleineren Spenden“, sagte Josef Konrad, Mitglied des AfD-Bezirksverbands Oberfranken, dem Handelsblatt. Konrad ist Geschäftsführer der Polifakt Medien GmbH in Leipzig, die das „Extrablatt“ herausgibt. Hinter der Aktion steht laut Konrad eine „Gruppe besorgter Bürgerinnen und Bürger“, die sich zur „Vereinigung zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten“ zusammengeschlossen habe. Namen nannte er nicht. Konrad sagte lediglich: „Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse dieser Gruppe sind vielfältig.“

Wie die Grünen sehen auch die CDU und die FDP das Projekt kritisch. „Ich gehe davon aus, dass der Herr Bundestagspräsident (Norbert Lammert, Anm. der Redaktion) und seine Verwaltung ein sehr wachsames Auge auf die Parteienfinanzierung haben. Und ich vertraue darauf, dass die Bundestagsverwaltung dann, wenn entsprechende Hinweise auf Verstöße gegen das Parteiengesetz vorliegen, diesen Dingen nachgehen wird“, sagte der Vorsitzende der Südwest-CDU, Thomas Strobl, dem Handelsblatt. Der Chef der baden-württembergischen FDP sagte dem Handelsblatt: „Falls sich die Verdachtsmomente erhärten sollten, wäre eine Untersuchung durch die Bundestagsverwaltung unerlässlich.“

Michael Koß vom Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaft der Ludwig-Maximilians-Universität München sieht die umstrittene Hilfe für die AfD ebenfalls kritisch. Er halte die Praktiken für eine „problematische Form der Umwegfinanzierung von Parteien“, sagte der Experte zu Fragen der Parteienfinanzierung dem Handelsblatt. Auch er plädiert für eine Prüfung durch die Bundestagsverwaltung. Er mache sich aber „wenig Hoffnung, dass das dann zu irgendwelchen Konsequenzen führt“.

Leider sei der AfD-Vorgang kein Einzelfall, sagte Koß weiter. So sei die „Der nächste Kanzler muss ein Niedersachse sein“-Kampagne von Carsten Maschmeyer im Wahlkampf 1998 genauso folgenlos geblieben wie der Umstand, dass der langjährige Wirtschaftsprüfer der FDP-Rechenschaftsberichte, Heinz-Wilhelm Bühler, aktives FDP-Mitglied sei. „Deshalb schätze ich das Interesse, in dieser Hinsicht allzu kritisch zu ermitteln, auf Seiten der Bundestagsverwaltung sehr gering ein“, sagte Koß.

Die Chefs der AfD-Landesverbände beteuern, nichts von der Aktion gewusst zu haben, obwohl sie selbst mit Interviews in den Blättern auftauchen. Er habe dieses „Extrablatt“ bislang weder erhalten noch auf anderem Wege gesehen, deshalb könne er die Inhalte bisher auch nicht einschätzen, sagte Jörg Meuthen, Vorsitzender der Südwest-AfD, dem Handelsblatt. „Sollte es tatsächlich fremdenfeindliche Positionen und herabwürdigende Karikaturen enthalten, stünden diese ganz sicher nicht in Einklang mit den Positionen meiner Partei, da wir uns bekanntermaßen von Fremdenfeindlichkeit und Herabsetzung anderer Menschen, egal welcher Herkunft, klar distanzieren.“ Meuthen betonte, dass es sich bei dem Produkt „definitiv nicht um eine Publikation meiner Partei“ handle.


Karikaturen im Stil von Nazi-Zeitschriften

Sowohl in der Zeitung „Extrablatt“ als auch auf den Plakaten wird massiv gegen Migranten Position bezogen. In der Zeitung sind beispielsweise auch Karikaturen von Flüchtlingen abgebildet, die im Stil an die frühere antisemitische Nazi-Postille „Der Stürmer“ erinnern. Die Publikation ist auch im Netz präsent.

Auf den Plakaten sind unterschiedliche Motive zu sehen. Auf einem werden Ausschreitungen von Migranten in der Silvesternacht gezeigt. Im Vordergrund ist ein weinendes junges Mädchen zu sehen. Darunter steht der Slogan: „Köln – Stuttgart – Hamburg: Mehr Sicherheit für unsere Frauen und Töchter. Jetzt AfD wählen“.

Auf einem weiteren Motiv werden ebenfalls mutmaßliche Flüchtlinge gezeigt. In einem Schattenriss sieht man Personen, die gemeinsam eine Frau „antanzen“ – ebenfalls eine Anspielung auf die Ausschreitungen in der Silvesternacht. Darunter steht der Slogan: „Köln-Stuttgart-Hamburg… Nur meckern nützt nichts. Jetzt AfD wählen“.

„Extrablatt“-Chefredakteur Konrad wies der Vorwurf der Fremdenfeindlichkeit zurück. Der Inhalt der Zeitung basiere auf Fakten, Statistiken, Aussagen von Fachleuten sowie Zitaten aus anderen führenden Printprodukten Deutschlands, sagte er. „Diese sind weder fremdenfeindlich noch herabwürdigend, sondern informativ.“ Ziel des „Extrablattes“ sei es, „die Bevölkerung sachlich über die negativen Auswirkungen der Euro- und Flüchtlingspolitik zu informieren“.

Zudem habe sich die „Vereinigung zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten“ dazu entschlossen, dem „Extrablatt“ eine Wahlempfehlung für die AfD hinzuzufügen, „da die AfD im Moment in Deutschland leider die einzige Partei ist, die sich gegen die Euro- und Einwanderungsmisere wehrt“.

Konrad betonte ausdrücklich die „parteiliche Unabhängigkeit und überparteiliche Zusammensetzung der Vereinigung“, weshalb diese keine ihrer Aktionen mit eine Partei abspreche oder über ihre Aktivitäten informiere. Entsprechend unwissend reagierte auch der AfD-Spitzenkandidat Uwe Junge. „Wir sind selbst davon überrascht. Da gibt es irgendjemanden, der uns offenbar etwas Gutes will“, sagte Junge der „Rheinzeitung“. Das Flüchtlingsthema hätte er aber so nicht aufgegriffen. „Das ist nicht mein Stil.“

AfD-Bundeschef Meuthen nannte es grundsätzlich erfreulich, externe Unterstützung für die politische Arbeit der AfD in Form von Wahlempfehlungen zu bekommen. „Unabgestimmte Aktionen wie diese durch unbekannte externe Unterstützer bergen natürlich zugleich in sich das Risiko, mit den eigenen Positionen verzerrt wahrgenommen zu werden“, sagte Meuthen und fügte hinzu: „Die AfD selbst hätte so nicht plakatiert.“

Eine illegale Parteienfinanzierung sieht Meuthen aber nicht. „Die Vorwürfe der Grünen entbehren jeder Grundlage“, sagte er. Diese Partei solle sich in Sachen Parteienfinanzierung eher mit sich selbst befassen. „Einerseits die geltende Parteienfinanzierung zu beklagen und andererseits praktisch zeitgleich eine 300.000-Euro-Einzelspende für die Endphase des Wahlkampfs zu vereinnahmen, zeigt ja doch auch eine gewisse Janusköpfigkeit“, sagte Meuthen.

Die üppige Spende für die Grünen, die am Dienstag auf der Website des Bundestags öffentlich gemacht wurde, kommt vom Berliner Vermögensberater Jochen Wermuth. Der 46-Jährige führt in Berlin eine Anlageberatungsfirma, die sich nach eigenen Angaben auf nachhaltige Investitionen, etwa im Bereich der erneuerbaren Energien, spezialisiert hat.

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