
Was am Wahlabend kaum jemand für möglich hielt, klappte in den frühen Morgenstunden am Montag dann doch noch: Die hessische FDP legte nach einer Zitterpartie immerhin eine Punktlandung hin, mit der sie die Fünf-Prozent-Hürde für den Einzug in den Wiesbadener Landtag packt. Doch ihre Rolle als Koalitionspartner der CDU des amtierenden Ministerpräsidenten Volker Bouffier können die hessischen Liberalen mit dem knappen Ergebnis nicht weiter spielen. Schwarz-gelb hat laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis die Mehrheit in Hessen verloren.
Die Punktlandung der FDP hilft bei der Bildung einer neuen Regierung für das wirtschaftsstarke Bundesland also nicht. Bouffiers CDU muss sich stattdessen nach einem neuen Koalitionspartner umschauen. Möglich ist eine große Koalition mit der SPD unter Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel, der für seine Partei ein deutlich besseres Ergebnis herausgeholt hat als seine Vorgängerin Andrea Ypsilanti bei der letzten Landtagswahl. Auch ein schwarz-grünes Bündnis wäre in Wiesbaden möglich.
Eine SPD-geführte Regierung könnte in Hessen nur an die Macht kommen, wenn Sozialdemokraten und Grüne mit der Linkspartei kooperieren, die es knapp in den Landtag geschafft hat. Allerdings waren die hessischen Genossen schon einmal grandios bei dem Versuch gescheitert, mit Hilfe von ganz Links eine Regierung in Wiesbaden zu etablieren. Ob nun Schäfer-Gümbel ein solch riskantes Manöver wiederholt? Im Wahlkampf hat er sich gegen eine Zusammenarbeit mit den Linken gesträubt, ein Umschwenken wäre daher Wortbruch gegenüber den Wählern.
Angesichts der unklaren Verhältnisse macht in Wiesbaden das Wort von Neuwahlen die Runde. So glaubt der hessische FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn nicht daran, dass die Parteien eine neue Landesregierung auf die Beine stellen können. Dann würde sich in Hessen wiederholen, was schon im Anschluss an die vorangegangenen Landtagswahlen 2008 passiert war. Als damals Ypsilantis Traum von einer SPD-geführten Regierung platzte, holte der amtierende CDU-Ministerpräsident Koch bei den folgenden Neuwahlen genug Stimmen, um gemeinsam mit der FDP regieren zu können.
Auch wenn noch nicht absehbar ist, welche Parteien die Regierung bilden werden, eines ist klar: Für den Flughafenbetreiber Fraport wird es ungemütlich. Grüne und Linke haben mit Forderungen nach mehr Ruhe für die lärmgeplagten Anwohner bei den Wählern punkten können. Die SPD teilt zumindest einige Forderungen der Fluglärmgegner und hat der bisherigen Regierung Versagen in der Frage vorgeworfen. Es gilt als sehr wahrscheinlich, dass mindestens eine der bisherigen Oppositionsparteien in die neue Regierung einzieht.
Die Planer des nur zehn Bahnminuten von den Hochhäusern der Frankfurter City entfernten Mega-Flughafens müssen wohl nicht um die angestrebte Expansion fürchten, doch könnte eine linke Landesregierung schmerzhafte Nadelstiche setzen und beispielsweise das Nachtflugverbot ausweiten. Wenig zu befürchten hätte der größte deutsche Flughafen nach Expertenmeinung von einer Großen Koalition. "Die SPD ist verhältnismäßig Airport-freundlich", sagt Analyst Jochen Rothenbacher von der Bank Equinet.