Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen NRW hat gewählt: Sieger CDU will Bündnis schmieden – SPD hofft auf Ampel

NRW-Grünen Spitzenkandidatin Mona Neubaur freut sich nach den ersten Prognosen bei der Wahlparty der Grünen. Quelle: dpa

Die Wahl in Nordrhein-Westfalen ist gelaufen. Die Grünen sind die großen Gewinner. Nun stellt sich die Frage: Werden Sie mit CDU-Ministerpräsident Wüst regieren oder hieven sie SPD-Rivale Kutschaty auf den Chefposten?

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Es ist der größte politische Stimmungstest in diesem Jahr, mit möglichen Auswirkungen auch auf den Bund: In Nordrhein-Westfalen, Deutschlands bevölkerungsreichstem Bundesland, waren am Sonntag rund 13 Millionen Bürgerinnen und Bürger zur Landtagswahl aufgerufen. Die Wahllokale waren am Sonntag von 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr geöffnet. Im Zentrum des Geschehens: Der CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst und sein vielversprechendste Herausforderer Thomas Kutschaty, Spitzenkandidat der SPD, aber auch die Grünen nach einem fulminanten Stimmengewinn.

Bereits die ersten Prognosen zeigten: Die CDU von Ministerpräsident Wüst ist klar stärkste Kraft geworden. Schon erste Hochrechnungen von ARD und ZDF bestätigten dann früh: Die Christdemokraten landen deutlich vor der SPD mit Spitzenkandidat Thomas Kutschaty. Die Grünen erzielen ein Rekordergebnis, sie werden bei der Regierungsbildung zu einem entscheidenden Faktor. Die bislang mitregierende FDP erleidet dagegen schwere Verluste. Sie schafft es nur knapp über die Fünf-Prozent-Hürde und musste zunächst, ebenso wie die AfD, um den Wiedereinzug in den Landtag zittern.

Laut ZDF-Daten lag die Wahlbeteiligung in NRW nur bei 56 Prozent. Bei der Landtagswahl 2017 waren es noch 65,2 Prozent gewesen.

Die seit fünf Jahren regierende schwarz-gelbe Koalition hat eindeutig keine Mehrheit mehr. Denkbar wäre unter anderem ein schwarz-grünes Bündnis. Kutschaty könnte aber auch versuchen, als Zweitplatzierter ein Ampel-Bündnis mit Grünen und FDP nach dem Vorbild im Bund zu schmieden. Für Rot-Grün dürfte es sehr knapp nicht reichen.

Sehen Sie hier die aktuellsten Zahlen zu den Ergebnissen der NRW-Landtagswahl:

Die CDU verdankt ihren Erfolg bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen nach Ansicht von Wahlforschern ihrem Spitzenkandidaten Hendrik Wüst, ihrem guten Ansehen sowie einer älteren Wählerschaft. Inhaltlich zeige die CDU aber relative Defizite, heißt es in der am Sonntagabend veröffentlichen Analyse der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen. Auch die SPD habe mit Ansehen und sozialen Themen gepunktet, „ihr Spitzenkandidat bleibt aber blass“.

Wüst habe auf der +5/-5-Skala beim Ansehen eine 1,8 erreicht. Im Ministerpräsidenten-Vergleich sei das jedoch eine nur mäßige Bilanz. „SPD-Herausforderer Thomas Kutschaty, den gut die Hälfte der Befragten namentlich nicht kennt“, komme auf 1,4. Von den Befragten wünschten sich 41 Prozent laut der Erhebung der Wahlforscher Wüst als Regierungschef, 61 Prozent bescheinigten dem bisherigen Ministerpräsidenten eine gute Arbeit. Nur 33 Prozent wünschten sich Herausforderer Kutschaty als Regierungschef.

Der Wahlsieger hat vor allem bei älteren Wählerinnen und Wählern punkten können. „Das Fundament für den CDU-Erfolg legt einmal mehr die Generation 60plus“, heißt es in der Analyse. Bei der beteiligungsstarken Generation der ab 60-Jährigen habe die CDU auf 43 Prozent zulegt, bei den unter 45-Jährigen jedoch Verluste einstecken müssen. Bei den unter 30-Jährigen etwa sei die CDU mit 18 Prozent hinter Grüne (25 Prozent) und SPD (21 Prozent) gefallen.

CDU-Spitzenkandidat Hendrik Wüst wollte sich am Wahlabend noch auf keine neue Regierungskoalition festlegen. „Ich werde mit allen Demokraten sprechen und heute Abend keine Festlegung treffen“, sagte Wüst in der ARD. Gewinner der Wahl in NRW seien CDU und Grüne, der Regierungsauftrag liege bei der CDU, so der bisherige Ministerpräsident. Die CDU wertete das Ergebnis als Rückenwind. Parteichef Merz schrieb auf Twitter: „Die CDU ist zurück, unser nach vorn gerichteter Kurs wurde bestätigt.“

SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty sprach sich am Sonntagabend für Gespräche aller demokratischen Parteien im bevölkerungsreichsten Bundesland aus. „Wir stehen allen Gesprächen offen“, sagte er in der ARD. Er könne aber am Wahlabend keine abschließende Stellungnahme über mögliche Koalitionen abgeben. Die SPD verfüge indes über viele Schnittmengen mit den Grünen.

Grünen-Spitzenkandidatin Mona Neubaur äußerte sich begeistert über das Wahlergebnis ihrer Partei. „Was für ein Vertrauensvorschuss“, sagte sie. „Es ist nicht möglich, eine Regierung an uns vorbei zu bilden.“ Sie nannte es das entscheidende Kriterium, wie viele eigene Inhalte man am Verhandlungstisch mit anderen Parteien erstreiten könne. Für die CDU spreche, dass sie deutlich gewonnen habe und „moderner ist, als sie noch vor wenigen Jahren hier in Nordrhein-Westfalen war“, sagte sie in den ARD-„Tagesthemen“. Klimaschutz werde eine große Rolle spielen. „Es wird eine starke grüne Handschrift geben.“

FDP-Spitzenkandidat Joachim Stamp deutet einen Verzicht auf eine Regierungsbeteiligung an. „Ich glaube, die Frage stellt sich heute Abend gar nicht“, sagte er im ZDF mit Blick auf das schwache Abschneiden seiner Partei. Er räumte eine „ganz schwere Niederlage“ ein. Man werde sich nun darauf konzentrieren zu analysieren, woran es gelegen habe. FDP-Chef Christian Lindner, selbst aus NRW, sprach ernüchtert von einer „desaströsen Niederlage“.

AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla sagte im ZDF er sei mit dem Abschneiden seiner Partei „in Gänze nicht zufrieden“. Notwendig sei nun eine „Initiative West“. Darüber werde man beim nächsten Bundesparteitag diskutieren. Ziel müsse es sein, zumindest ein zweistelliges Ergebnis im Westen zu erreichen.

Linken-Chefin Janine Wissler sah trotz des verpassten Einzugs in den NRW-Landtag viel Potenzial für ihre Partei. „Es gibt ganz viele soziale Leerstellen“, sagte sie am Sonntagabend im ZDF mit Blick auf die Bundesregierung. Auch ein konsequenter Klimaschutz fehle. Es brauche daher eine Kraft im Parlament, die dagegen die Stimme erhebe und Alternativen zur bestehenden Politik mache.

Für die Bundesparteien und die im Bund regierende Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP gilt die Abstimmung in NRW auch als „kleine Bundestagswahl“ und als wichtiger Stimmungstest. Eine Woche vorher hatte die CDU mit Ministerpräsident Daniel Günther bei der Wahl in Schleswig-Holstein klar gesiegt. Zuvor hatte bei der Landtagswahl im Saarland die SPD mit Anke Rehlinger hoch gewonnen. Dass NRW längst nicht mehr das „Stammland“ der SPD ist, zeigt sich daran, dass sich CDU und SPD in den vergangenen Jahren an der Regierung abgewechselt haben. 2017 bildeten CDU und FDP eine Koalition, bis 2017 war ein rot-grünes Bündnis am Ruder.

Mit Material von Reuters und dpa

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