Landtagswahl in Schleswig-Holstein Knapper Fight an der Förde

An diesem Sonntag entscheidet sich, ob die SPD die Macht in Schleswig-Holstein an die CDU verliert. Und es geht darum, ob Kanzlerkandidat Schulz endlich einen Erfolg im Duell mit Kanzlerin Merkel verbuchen kann.

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Der Spitzenkandidaten der CDU für die Landtagswahl liegt bei den letzten Umfragen vorne. Quelle: picture alliance/dpa

Die Kanzlerin ließ es sich nicht nehmen, am Freitag noch einmal an der Strandpromenade von Eckernförde für die CDU zu werben. Es ist der Wahlkreis von Daniel Günther, dem Spitzenkandidaten für die Landtagswahl. Danach ging es gemeinsam nach Norderstedt, um im Stadtpark den Endspurt einzuleiten im nördlichsten Bundesland mit seinen 2,8 Millionen Einwohnern.

Schleswig-Holstein ist die zweite von drei Landtagswahlen in diesem Bundestagswahljahr. Im Saarland sicherte die CDU die Macht entgegen allen Unkenrufen. Nun muss die SPD in Kiel und in einer Woche in Düsseldorf die Macht verteidigen.

Vier Mal war die Kanzlerin in Schleswig-Holstein, um ihren Parteifreunden zu helfen. Weit öfter war SPD-Chef Martin Schulz vor Ort. Und er gab zum Schluss noch einmal alles: Er verteilte rote Rosen auf dem Wochenmarkt in Husum, beschwor die Wähler auf Kundgebungen in Kiel und Lübeck und setzte sogar einen „Schulz-Zug“ aufs Gleis – einen Sonderwagen an einem Regionalexpress, um durch Schleswig-Holstein zu fahren. Das Ganze ist eine Anspielung auf den Internet-Slogan #Schulzzug, mit dem der Hype um Schulz direkt nach seiner Nominierung begann. Und natürlich war Schulz auch in Eckernförde, zu Besuch in einer Fischräucherei, um dabei zu helfen, Günther das Direktmandat mit zu entreißen – und damit sein Landtagsmandat.

Günther dürfte seinen Wahlkreis gewinnen, aber ob es für die Mehrheit im Land reicht? Ein Wahlsieg für die CDU wäre überraschend – und würde die Stimmung heben. Seit CDU und CSU nicht mehr jeden Tag öffentlichkeitswirksam über die Flüchtlingskrise streiten und obendrein der Schub, den Martin Schulz den Sozialdemokraten gab, spürbar nachlässt, geht es aufwärts in den Umfragen.

Das freut vor allem Spitzenkandidat Daniel Günther, der erst Ende vergangenen Jahres für den glücklosen Parteichef Ingbert Liebing eingesprungen ist – gewissermaßen als der letzte Trumpf der CDU. Seit April weist er auf steigende Werte der CDU hin, während die SPD stagniert. Und in der Tat: Lag Regierungschef Torsten Albig mit seiner SPD bis April vorn und sah auch die Mehrheit für seine „Küsten-Ampel“ mit den Grünen und dem südschleswigschen Wählerverband SSW gesichert, so lag er in der letzten Umfrage nur noch bei 29 Prozent und damit drei Punkte hinter der CDU. Auch die Koalitionsmehrheit war weg. Plötzlich musste er noch kämpfen, nachdem er selbst beim TV-Duell unvorbereitet gewirkt und entsprechend keine gute Figur gemacht hatte.

Im Land gibt es eigentlich keine echte Wechselstimmung. Die politischen Fragen kreisen um typische Landesthemen wie das Abitur nach acht oder neun Jahren, mehr Investitionen in die Infrastruktur und die Zukunft strukturschwacher Regionen. So gab sich auch Schleswig-Holsteins SPD-Chef und Bundesvize Ralf Stegner zuletzt betont kämpferisch: Mit Ausnahme der Zeit direkt nach der Barschel-Affäre sei es immer knapp in Schleswig-Holstein gewesen. „Wir sind zuversichtlich, dass wir die Nase vorne haben. Da läuft also gar nichts schief.“ Und SPD-Kandidat Schulz lobte, dass die SPD insgesamt wieder an Selbstbewusstsein gewonnen habe, wie er auf seiner Zugfahrt von Kiel nach Lübeck erklärte. Immerhin. Mit Blick auf die Bundestagswahl am 24. September räumte Schulz ein: „Auf dem Weg bis zur Wahl wird es noch viele Höhen und Tiefen geben.“


Was von der Wahl im Norden abhängt

Die Wahl im Norden hat enorme Bedeutung für die politische Stimmung im gesamten Bundesgebiet. Nach rund 100 Tagen als Kanzlerkandidat braucht Schulz dringend einen Sieg seiner SPD. Zuletzt verpassten die Genossen an der Saar ihr Wahlziel. Ein weiterer Dämpfer, und die Stimmung in der Partei könnte kippen. Auch für die noch wichtigere Wahl eine Woche später in Nordrhein-Westfalen wäre Rückenwind wichtig, kündigt sich doch auch dort ein Kopf-an-Kopf-Rennen an. Vom Wahlausgang dort hängt ab, ob Schulz für die Bundestagswahl im September überhaupt noch so etwas wie Wechselstimmung erzeugen kann.

Und da sind die Grünen. Sie stehen in Schleswig-Holstein vergleichsweise gut da, stabil mit zwölf Prozent in den Meinungsumfragen. Im Bund dagegen liegen sie nur bei 6,5 bis 8 Prozent – und in NRW orakelte bereits die grüne Spitzenkandidatin, dass die Partei aus dem Landtag fliegen könnte. Umso wichtiger ist das Ergebnis in Kiel. Wenn es dort nicht zur Regierungsbeteiligung reicht, dann stürzt auch die grüne Gallionsfigur im Norden ab: der Realo Robert Habeck, derzeit Agrar- und Umweltminister. Er kandidiert weder für den Landtag noch für den Bundestag, bräuchte also ein Ministeramt, um in der Landespolitik bleiben zu können. Die Urwahl für die Spitzenkandidatur zur Bundestagswahl hatte er knapp verloren.

Im Land ist Monika Heinold die Frontfrau, derzeit Finanzministerin. Beide gelten als gutes Gespann. Habeck wäre einer, der offen für eine Koalition von Union, Grünen und FDP wäre, dem sogenannten Jamaika-Bündnis. Schließlich setzt die CDU inzwischen auch auf eine Ökologisierung der Landwirtschaft, ein wichtiges Thema vor Ort. Eine Jamaika-Konstellation hätte Signalwirkung für die Bundestagswahl.

Auch die AfD-Spitze schaut gespannt gen Norden, ist es doch die erste Wahl nach dem Bundesparteitag, auf dem AfD-chefin Frauke Petry entmachtet und der Rechtsruck der Partei vollzogen wurde. In den Umfragen kommt die Partei auf sechs Prozent. Kommt es so, oder wird sie den erstmaligen Einzug ins Parlament verpassen? Das wäre nach der Saar-Wahl die zweite Niederlage in diesem Jahr. Auch würden damit erstmals wieder weniger Parteien im Parlament sitzen, da die Piraten nach 8,2 Prozent bei der vergangenen Wahl dieses Mal krachend Schiffsbruch erleiden dürften. Auch die Linken bangen noch, die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen.

Bleiben zwei Fragen. Erstens: Wer wird die Nase vorn haben? Herausforderer Günther oder Amtsinhaber Albig? Und Zweitens: Wer kann mit wem koalieren? Spätestens diese Frage könnte eine komplizierte Antwort erfordern. Eine Große Koalition gilt angesichts der gepflegten Feindschaft der beiden Volksparteien als letzte Option. Vorher dürften beide ein Dreierbündnis ausloten. Entweder reicht es erneut doch noch für die Küsten-Ampel aus SPD, Grünen und SSW. Oder die SPD verhandelt noch mit der FDP und spielt mit einer Minderheitsregierung erst einmal auf Zeit.

Die CDU hingegen dürfte allein dann eine Chance auf den Machtwechsel haben, wenn sie ein Jamaika-Bündnis aufstellt. „Es sind relativ lange Koalitionsgespräche denkbar“, ist sich ein erfahrener Landespolitiker sicher.

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