Landtagswahlen 2016 Deutscher Kulturrat warnt vor Wahl der AfD

Die AfD in Sachsen-Anhalt will die Kulturschaffenden in Deutschland zu einem positiven Heimatbezug verpflichten. Der Deutsche Kulturrat ist alarmiert und spricht von einer „Kampfansage an den gesamten Kulturbereich“.

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Will den Kulturschaffenden in Deutschland einen „positiven“ Heimatbezug vorschreiben: Der AfD-Landesvorsitzende von Sachsen-Anhalt, André Poggenburg. Quelle: dpa

Berlin Der Deutsche Kulturrat hat eindringlich davor gewarnt, bei den Landtagswahlen am 13. März die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) zu wählen. Hintergrund ist eine Passage im Wahlprogramm der AfD in Sachsen-Anhalt zum Thema Kultur: „Museen, Orchester und Theater sind in der Pflicht“, heißt es dort, „einen positiven Bezug zur eigenen Heimat zu fördern.“

Der Geschäftsführer des Spitzenverbands der Bundeskulturverbände, Olaf Zimmermann, sagte dazu dem Handelsblatt: „Das ist eine Kampfansage an den gesamten Kulturbereich.“ Im Grundgesetz stehe unmissverständlich: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“

Das bedeute, die Kunst dürfe nicht instrumentalisiert werden. Die AfD habe dagegen mit ihrer Forderung an Museen, Orchester und Theater, wonach diese sich zu einem „positiven“ Heimatbezug verpflichten sollten, „die Katze aus dem Sack gelassen“, fügte Zimmermann hinzu.

Für Künstler sei die AfD wegen ihrem rechten Gedankengut „sowieso nicht wählbar“, sagte Zimmermann weiter. „Jetzt gibt es noch einen gewichtigen Grund mehr, nein zu dieser Partei zu sagen.“

Dass Zimmermann Alarm schlägt, kommt nicht von ungefähr. Die Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt am 13. März dürften zu einem Triumphzug für die AfD werden. In Sachsen-Anhalt hätte inzwischen selbst die Große Koalition keine Mehrheit mehr, wie eine aktuelle Insa-Umfrage für „Bild“ ergibt: Die CDU kommt auf 29,5 Prozent (minus 0,5), die SPD auf 17 (plus 1) – genau wie die AfD. Offenbar scheinen viele Wähler Gefallen an den Thesen des AfD-Landesverbands im Osten zu finden.

Experten ordnen die Partei in dem Bundesland weit rechts ein. Das Wahlprogramm habe „eine Programmatik, die im Wesentlichen  von  völkischen,  nationalistisch-identitären und rechtspopulistischen Inhalten und Rhetoriken getragen wird“, urteilt das Göttinger Institut für Demokratieforschung in einer Studie. „Es zeigt sich ein moralischer Alleinvertretungsanspruch, dem zufolge einzig die AfD die wahren Interessen der Bevölkerung vertrete.“


AfD-Landeschef Poggenburg hegt Sympathie für rechte Positionen

Geführt wird der Verband von AfD-Bundesvorstandsmitglied André Poggenburg. Mit ihm an der Spitze habe die Landespartei „zunehmend Distanz zu Strukturen und Forderungen insbesondere der Neuen Rechten“ verloren, konstatieren die Wissenschaftler.

Poggenburgs Sympathie für rechte Positionen zeigt sich beispielsweise darin, dass er Anfang 2015 die Parteieintritte des neurechten Verlegers und Autors Götz Kubitschek und von dessen Ehefrau Ellen Kositza befürwortet hat. Kubitschek, der auch mit dem rechten Thüringer AfD-Hardliner Björn Höcke befreundet ist, gilt als eine der zentralen intellektuellen Figuren der Neuen Rechten, er ist Mitbegründer des Instituts für Staatspolitik in Schnellroda im südlichen Sachsen-Anhalt.

Die damalige Bundesparteiführung um Bernd Lucke hatte der Aufnahme jedoch eine Absage erteilt. Poggenburg sagte damals dazu: „Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.“

Für Aufsehen sorgte Poggenburg, als er im Mai 2015 im sachsen-anhaltischen Tröglitz bei einer Veranstaltung des teils als rechtspopulistisch, teils als verschwörungsfreundlich eingeordneten Compact-Magazins auftrat. Gut einen Monat zuvor war am gleichen Ort ein Konflikt um eine geplante Flüchtlingsunterkunft eskaliert. Poggenburg spielte die Ausschreitungen herunter und meinte, die „hiesigen Geschehnisse“ seien „teilweise medial über Gebühr ausgeschlachtet“ worden.

Die Göttinger Wissenschaftler listen darüber hinaus weitere Beispiele auf, die eine Nähe Poggenburgs zu rechtem Denken nahelegen. „Er nutzt und verteidigt den historisch durch den Nationalsozialismus belegten Begriff der „Volksgemeinschaft“, den er „in keiner Weise negativ“ sieht“, heißt es in der Expertise.


Auch Ungarn und Polen als Bedrohung für die Kultur

Den Holocaust habe er zudem als „Sache“ bezeichnet, die „einfach abzulehnen“ sei. Die Stelen des Denkmals für die ermordeten Juden Europas in Berlin habe Poggenburg „Klötzer“ genannt, die von vielen Berlinern „einfach nur als störend empfunden“ würden. In der DDR habe es Denkmäler gegeben, die einen noch ganz anders gepackt hätten, zitieren die Studienautoren den Landesvorsitzenden.

Für den Kulturrat-Chef Zimmermann ist die AfD aber nicht das alleinige Problem, dem man sich entgegenstelle müsse. Die Gefahr, dass sich die Freiheit der Kunst „immer mehr verflüchtigen“ werde, gehe auch von anderen Entwicklungen aus.

In einem Beitrag für die „Neue Musikzeitung“ verweist Zimmermann auf Ungarn und Polen, wo man in diesen Monaten erleben könne, „was das konkret für die Musiker, Schriftsteller und Bildenden Künstler, aber auch für die Intendanten der Theater und Orchester und besonders für die Mitarbeiter der Medien bedeutet“. In Frankreich befinde sich überdies die rechtsextreme Front National (FN) auf dem Vormarsch.

„Die Freiheit der Kunst und der Meinung ist in Europa  in höchster Gefahr“, warnt Zimmermann. Was auf dem Spiel steht, hat die von ihm mit unterstützte „Allianz für Weltoffenheit, Solidarität, Demokratie und Rechtsstaat – gegen Intoleranz, Menschenfeindlichkeit und Gewalt“ auf den Punkt gebracht: „Deutschland ist ein demokratisches und weltoffenes Land, eingebettet in die Europäische Union als Werte- und Wirtschaftsgemeinschaft, den universellen Menschenrechten verpflichtet.“

Zimmermanns Appell an die Wahlberechtigen in Deutschland lautet daher, nur Parteien zu wählen, die das nicht ändern wollten.

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