Landtagswahlen beginnen Durch Brandenburg geht ein tiefer Riss

Brandenburg ist vor der Wahl eines neuen Landtags gespalten. Während der Gürtel um Berlin erblüht, kämpfen ganze Regionen um den Anschluss. Was bedeutet das vor Ort?

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Still ruht Templin: Bürgermeister Detlef Tabbert sucht nach neuen Bürgern. Quelle: Werner Schuering für WirtschaftsWoche

In der Not nimmt Detlef Tabbert Granit, Granitbänder, so viel Präzision muss sein. In Templin wird gerade eine Straße grundsaniert, und für den Gehweg hatte Bürgermeister Tabbert die Auswahl zwischen einem neuen hübschen Kopfsteinpflaster, das so gut hierher gepasst hätte – oder eben diesen großen, grauen Granitplatten.

Nur hatte er das wirklich, eine Wahl? Tabbert schaltet im Gesicht ein Grinsen ein und erzählt, dass er jetzt selber gern erzählen würde, warum er das nur wegen der vielen jungen Frauen mit ihren hohen Hacken gemacht habe, aber... Als er entschied, hatte er in Wahrheit eben doch die vielen Senioren vor Augen, die mit den flachen Schuhen und den wackligen Beinen. „Bei uns“, sagt er, „ist der demografische Wandel schon da. Wir können uns nicht erst damit beschäftigen, wenn der Rollator Pflicht ist.“

Ein Pensionsparadies

Aus seiner Not spinnt Templins Bürgermeister nicht nur eine launige Geschichte, er macht daraus so etwas wie eine Geschäftsidee. Tabbert hat ein Parteibuch der Linken, aber er war 20 Jahre lang Unternehmer mit einer Leasingfirma, die landwirtschaftliches Gerät vermittelt hat. Das prägt. Das Konzept für seine Heimatstadt ist ein Ruhestandsrefugium, ein Pensionsparadies, überschaubar, aufgeräumt, idyllisch, mit Krankenhaus, Sole-Therme und Pflegeheim, Alleinstellungsmerkmal: aufregungsarm und stolperfrei. Dass die Geburtenrate auch hier nach unten geht, dass die Jungen weggehen, wenn die Schule fertig ist, all das kann Tabbert kaum verhindern. „Aber der Zuzug der Generation Ü 60, der macht mir Freude.“

Diese Politiker wollen in Brandenburg an die Macht
Dietmar Woidke (SPD)Der Regierungschef ist ein gestandener Mann in der Brandenburger Landespolitik. Seit 1994 sitzt der 52-jährige Agraringenieur im Potsdamer Parlament, er war von 2004 bis 2009 Umweltminister unter SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck. Im August 2013 wurde Woidke zum Nachfolger gewählt, nachdem Platzeck aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten war. Woidke gilt als umgänglich, aber in der Sache hart. Allerdings fehlt ihm nach einem Jahr im Amt noch die Popularität des einstigen Landesvaters Platzeck. Quelle: dpa
Christian Görke (LINKE)Der 52-Jährige erwies sich Anfang des Jahres als Senkrechtstarter der Linken. Der damalige Fraktionsvorsitzende übernahm im Januar das Finanzressort und wurde zum Parteichef gekürt. Er sitzt auch als Vertreter Brandenburgs im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft. Der Sportlehrer gilt als durchsetzungsstark und kann auch schon mal kräftig gegen den politischen Gegner austeilen. Seine Laufbahn begann Görke 1985 in der DDR-Staatspartei SED, er setzte sie in den Nachfolgeparteien PDS und Linke fort. Quelle: dpa
Michael Schierack (CDU)Der 47-Jährige gilt als Newcomer an der Spitze der Landespolitik: Erst seit 2009 sitzt der Orthopäde im Landtag, im Herbst 2012 übernahm er den Parteivorsitz. Der Teamplayer sorgte für Einigkeit in der zuvor zerstrittenen brandenburgischen Union. Dort ist er seit seiner Wahl zum Fraktionsvorsitzenden im Februar und dann zum Spitzenkandidaten der starke Mann. Schierack will erklärtermaßen Rot-Rot ablösen, vermeidet aber im Wahlkampf die scharfen Töne. Quelle: REUTERS
Andreas Büttner (FDP)Der 41-jährige Liberale zog 2009 in den Potsdamer Landtag ein, als die FDP nach 15 Jahren wieder die Fünf-Prozent-Hürde übersprungen hatte. Seit 2010 führt er die Fraktion. Der Polizeibeamte und Bildungsexperte ist ein scharfzüngiger Redner: Dies bekam im Landtag zumeist SPD-Bildungsministerin Martina Münch zu spüren, etwa wegen des hohen Unterrichtsausfalls in den Schulen. Büttner bezeichnet sich als gläubigen Mormonen. Quelle: Presse
Axel Vogel und Ursula Nonnemacher (Grüne)Die brandenburgischen Grünen treten traditionell mit einer Doppelspitze zur Landtagswahl an. Der 58-jährige Diplom-Kaufmann Vogel zog 2009 in den Landtag ein und übernahm den Fraktionsvorsitz. Dem aus dem Ruhrgebiet stammenden Gründungsmitglied der Grünen liegt eine nachhaltige Entwicklung der ländlichen Regionen besonders am Herzen. Zu seinen Themen gehört zudem die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit und die Dauerbaustelle Hauptstadtflughafen. Die 57-jährige Notärztin Nonnemacher zog ebenfalls 2009 mit den Grünen in den Landtag ein. Neben Innenpolitik waren ihre Themen Gesundheit und Soziales und der demografische Wandel. Ihre Wurzeln sieht sie in der Kommunalpolitik. Nonnemacher fällt im Landtag als eifrige Rednerin mit vielen Anfragen auf. Quelle: dpa
Alexander Gauland (AfD)Alexander Gauland kennt Brandenburg als ehemaliger Verleger der Regionalzeitung "Märkische Allgemeine" recht gut. Stimmen die Brandenburger wie von den Meinungsforschern zuletzt prognostiziert, dürfte der Pensionär und ehemalige CDU-Mann die eurokritische Alternative für Deutschland (AfD) erstmals in den Brandenburger Landtag führen. Der konservative Jurist war in Hessen unter Ministerpräsident Walter Wallmann (CDU) zeitweise Chef der Staatskanzlei gewesen. Gauland ist Gründungsmitglied seiner Partei. Quelle: dpa

Wenn das also seine Kunden sind, dann richtet er sich eben nach ihnen. Viele gebürtige Templiner sind unter den Rückkehrern, Menschen, die mit der Rente wieder zurück zu ihren Wurzeln wollen, aber auch zahlreiche Berliner, die hier die Gemächlichkeit, die Natur und die günstigen Mieten schätzen – und ab und an den Bahn-Stundentakt zum Abstecher in die große Hauptstadt.

Eine Strategie für die Ewigkeit, das weiß Tabbert selbst, ist das nicht, aber immerhin ist es eine. Die Uckermark im Nordosten Brandenburgs, in der Templin liegt wie ein kleines, bescheidenes Schmuckstückchen, hat schließlich auch mit fast 15 Prozent die höchste Arbeitslosenrate der Republik, und die Stadt selbst macht da keine rühmliche Ausnahme. Die meisten hier sind langzeitarbeitslos, manche seit wenigen Jahren, andere haben schon seit der Wende keinen richtigen Job mehr gehabt. Die Unterstützung kostet eine Menge Geld, das für andere Dinge fehlt, und was die Sache am Schlimmsten macht: Hoffnung auf Besserung ist kaum in Sicht.

Wie einen Mühlstein schleppt die ganze Region dieses Problem mit sich herum. Herausforderungen, so steht es in bemerkenswerter Offenheit im Leitbild der Stadt, stellten sich in Templin „noch zwingender, härter und zugespitzter als anderswo“. Man kann es nicht klarer formulieren.

Welche Länder überaltern
Platz 8: Schweden Quelle: dapd
Platz 7: Portugal Quelle: REUTERS
Senioren beim Nordic-Walking Quelle: dpa
Griechenland Quelle: dpa
Platz 10: Finnland Quelle: dapd
Platz 5: Bulgarien Quelle: Reuters
Platz 4: Italien Quelle: dapd

Schrumpfen ohne Schmerzen

Man dürfe sich deshalb keinen falschen Illusionen hingeben, sagt Tabbert. „Wir müssen gnadenlose preußische Sparsamkeit an den Tag legen, anders werden wir nicht über die Runden kommen.“ Gewerbesteuern fließen eher spärlich, und für die knapp 16.000 Einwohner erreichen die Gemeinde auch nur recht überschaubare Schlüsselzuweisungen. Es gibt immerhin eine traditionsreiche und zugleich innovative Holzindustrie, aber die anderen großen Arbeitgeber sind das Krankenhaus und ein Pflegeheim. Wachsen, das ahnt wohl auch der Bürgermeister, wird Templin nicht mehr. Wenn es gelingt, das Schrumpfen zu verlangsamen, und das ohne zu große Schmerzen, dann wäre schon viel gewonnen.

Wo der Mensch geht, da übernehmen die Tiere

Umso mehr muss man zeigen, was man hat, gerade weil es nicht so viel ist. Es gibt zum Beispiel eine kleine Broschüre über „Kunst & kreatives Schaffen“ in Templin, auf die man im Rathaus sehr stolz ist. Rund 40 Maler, Grafiker, Bildhauer und Fotografen leben hier – „Interesse erwünscht“ steht gleich auf dem Cover. Auch deshalb wurde gerade mehr als eine Million Euro in die Sanierung des Hauses der Jugend und der Kunst am Altstadtrand gesteckt. Mit der Universität Potsdam hat sich Tabbert außerdem ein Schnupperprogramm ausgedacht: Lehramtsstudenten, die sich für ihr Schulpraktikum drei Monate in den Brandenburger Norden trauen, können im größten Hotel des Ortes umsonst wohnen. „Zwei Frauen“, freut er sich, „machen jetzt hier ihr Referendariat.“ Zwei Lichtblicke gegen den großen dunklen Trend.

Nichts beschreibt die Misere in der Brandenburger Peripherie so treffend wie ein einziges Wort, das hier zum stehenden Begriff geworden ist: Wolferwartungsland. Wo der Mensch geht, wo die Dörfer langsam sterben, da übernehmen die Tiere.

So klingt die bittere Wahrheit, allerdings nur ein gewisser Teil von ihr. Denn neben der darbenden Provinz gibt es im märkischen Land auch erblühende Flecken, voller Aufbruch und Zuversicht. Sie liegen fast alle wie ein pulsierender Ring um Berlin. Wer in diesem Speckgürtel Bauland für ein Häuschen kaufen möchte, muss mittlerweile 96 Euro pro Quadratmeter bezahlen, 2012 waren es noch 79 Euro. Viel weiter draußen ist der Grund hingegen schon für 36 Euro zu bekommen. Es sind ein paar der offenkundigen Spuren eines Risses, der dieses Land prägt.

„Die Wachstumskerne Brandenburgs verteilen sich um die Hauptstadt herum“, bilanziert Axel Lindner, Ökonom am Institut für Wirtschaftsforschung Halle. „Sie haben sich in den vergangenen Jahren wesentlich besser entwickelt als das flache Land.“ Aufstieg und Abstieg vollziehen sich gleichzeitig. Das Ergebnis: „Die Unterschiede zwischen den Regionen sind im Osten massiv, und in Brandenburg sieht man dies besonders deutlich“, sagt Lindner.

Die Politiker, die für die Landtagswahl am 14. September um Stimmen werben, verschleiern diesen Zustand lieber. Auf den Veranstaltungen des SPD-Ministerpräsidenten Dietmar Woidke etwa werden kleine Einspielfilmchen gezeigt, darunter einer, in dem es heißt: „Wir wollen gut leben, überall in unserem Land.“ So wenig Realitätssinn muss an Wählerzumutung reichen. Im Wahlprogramm der CDU, die gerne anstelle der Linken wieder mitregieren würde, steht der Satz: „Wir erwarten vor allem, dass sich die grundlegenden Lebensbedingungen in den Regionen fernab der Hauptstadt nicht verschlechtern.“ Nur wie das auch in Zukunft ganz konkret gelingen soll, mit – Tendenz sinkend – 2,5 Millionen Einwohnern auf einer Fläche, die fast so groß ist wie ganz Belgien, darüber wird geflissentlich geschwiegen, und zwar bei allen Parteien.

Diese Berufe sind bei Jugendlichen unbeliebt
Drei Jahre dauert eine Ausbildung zum Hotelkaufmann, oder zur Hotelkauffrau - danach können sie im Hotel so ziemlich jede Tätigkeit übernehmen. Sie koordinieren das Zusammenspiel von Übernachtung, Restaurant, Küche, Lager und Verwaltung, übernehmen jedoch überwiegend kaufmännische Aufgaben. Mit ihrer Ausbildung könnten sie sogar in Privat- und Kurklinken arbeiten oder in Reisbüros - vielfältige Einsatzmöglichkeiten, trotzdem sind 13,8 Prozent der Ausbildungsplätze unbesetzt. Quelle: dpa/dpaweb
Gebäudereiniger leben genau wie Maurer, Dachdecker und Zimmerer besonders gefährlich, denn in diesen Berufsgruppen passieren die meisten aller meldepflichtigen Arbeitsunfälle, besonders in der kalten Jahreszeit. Die Ausbildung des Handwerksberufs dauert drei Jahre - und danach arbeiten die Menschen vor allem in Gebäudereinigungsunternehmen oder bei spezialisierten Dienstleistern. 16,4 Prozent aller Ausbildungsplätze waren 2013 unbesetzt. Quelle: dpa
Ein Zucchiniröllchen mit Kürbisfüllung hat der vegane Koch Attila Hildmann hier gezaubert. Er selbst lebt ganz ohne tierische Produkte wie Milch, Käse und Eier. Drei Jahre dauert auch hier die Ausbildung zum Koch oder zur Köchin. Danach sollte man in der Lage sein ganz unterschiedliche Gericht zu zu bereiten und sie anzurichten. Trotzdem bleiben 17,7 Prozent der Lehrstellen frei. Quelle: dpa
Es heißt umständlich "Fachkraft im Gastgewerbe" - dahinter verbergen sich Menschen, die Gäste betreuen, die Getränke ausschenken, im Restaurant bedienen und Hotelzimmer herrichten. Zwei Jahre dauert die Ausbildung, danach kann sie unter Umständen durch aufbauende Ausbildung zum Hotelfachmann oder Hotelkaufmann ergänzt werden. 2013 blieben 19,3 Prozent der Ausbildungsstellen unbesetzt. Quelle: dpa
19,5 Prozent der Ausbildungsstellen zum Fachmann, zur Fachfrau für Systemgastronomie blieben 2013 unbesetzt. Sie sorgen dafür, dass in ihrer Filiale Angebot, Qualität und Service nicht von festgelegten Regeln abweichen. Wegen des starren Ablaufs arbeiten sie vor allem in Selbstbedienungsrestaurants und bei Fastfood-Ketten. Möglich wäre aber auch eine Beschäftigung in Mensen und Kantinen. Quelle: dpa
Das Bäckerhandwerk in Deutschland wird immer stärker von Großbetrieben dominiert, traditionelle Bäcker haben häufig eine langjährige Tradition und sind Familienbetriebe. Der Beruf des klassischen Bäckers scheint also ohnehin auszusterben. Allerdings stellen sie nicht nur Brot, Torten und Feinbackwaren her, sondern finden auch Beschäftigung in der Gastronomie und im Catering-Bereich. 2013 blieben 22,8 Prozent der Ausbildungsplätze leer. Quelle: dpa
Der Klempner ist ein klassischer Männerberuf, der Frauenanteil liegt bei weniger als drei Prozent. Unter der Berufsbezeichnung versteht man einen Handwerker, der mit Metall arbeitet und Blechbauteile für Hausdächer und Fassaden herstellt, sie anbringt und repariert. Knapp ein Viertel aller Ausbildungsplätze blieb hier leer. Quelle: dpa

Es könnten bescheidene, aber tatkräftige Brandenburger wie Holger Pleske und seine mehr als 270 Mitarbeiter sein, die einen gehörigen Anteil dazu beitragen, wenn dieser Wandel glimpflich ablaufen soll. Pleske ist Geschäftsführer der MAP Maschinen- & Apparatebau Produktions GmbH in Rathenow. Hier, im Havelland westlich von Berlin, werden einige der kleineren und größeren Erfolgsgeschichten geschrieben, die ihren Ausdruck dann in hübschen Statistiken finden, die man schon eher in den Reden und Broschüren der wahlkämpfenden Parteien findet.

Aber Erfolge sind es durchaus: Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs im Havelland so stark wie nirgendwo sonst in Brandenburg – um 4,6 Prozent. Beim Abbau der Arbeitslosigkeit liegt das Bundesland auch dank solcher Zahlen im nationalen Vergleich schon seit Längerem vorne (was Brandenburg im Bundesländer-Dynamikranking der WirtschaftsWoche regelmäßig Spitzenplätze einbrachte – trotz Uckermark).

Nicht mehr ganz so optimistisch

Bei Holger Pleske lässt sich dieser Aufschwung an der Pinnwand seines nüchternen Büros besichtigen. Dort hängt ein ausgerissener Artikel aus der Lokalzeitung, mit dem großen Foto eines gewaltigen Containerschiffes. MAP fertigt unter anderem Motorengehäuse für Siemens, die in genau diesen Giganten benötigt werden. Ein bisschen Rathenow schippert also mit auf den Routen der Globalisierung zwischen Rotterdam, Singapur und Hongkong. Draußen vor den Werkshallen stehen zwei Flugzeugattrappen mit Flügel und Turbine aus Stahl, die auf Knopfdruck in Flammen gesetzt werden können. Flughafen-Feuerwehren proben an ihnen den Ernstfall, diese beiden warten auf den Transport nach Italien.

Schwere Suche

„Gut schweißen“, sagt Pleske, „können sehr viele Unternehmen. Auch die mechanische Bearbeitung großer Bauteile machen einige. Aber beides zusammen, das beherrschen dann doch nur wenige.“ 2004 wurde MAP aus der Insolvenzmasse dreier Vorgängerbetriebe gegründet, 2007 folgte die Übernahme durch eine westdeutsche Maschinenbaugruppe. Damals hatte MAP rund 200 Mitarbeiter, mittlerweile sind rund 70 mehr im Unternehmen, auch dank Investitionen von rund 15 Millionen Euro. „Heute haben wir alle Bedingungen, um produktiv arbeiten zu können“, sagt Pleske. „Die Entwicklung war hervorragend.“

Neben der Brillenkette Fielmann, die in Rathenow ein Produktions- und Logistikzentrum aufgebaut hat, ist MAP einer der größten Arbeitgeber im 22.000-Einwohner-Städtchen. 20 Azubis bildet die Firma gerade aus, nicht wenig. Aber die Suche nach geeigneten Kandidaten fällt immer schwerer. Zum einen, weil es einfach immer weniger Bewerber werden, zum anderen sinkt das Niveau. „Wir müssen über Ausbildung einen Großteil unseres Bedarfs an guten Mitarbeitern decken“, sagt Pleske. „Eine 2 oder 3 im Zeugnis ist mir da nicht so wichtig, technikverliebt müssen sie sein.“ Es klingt schon nicht mehr ganz so optimistisch.

Viele Mitarbeiter kommen morgens auf dem Fahrrad in den Betrieb, für die Suche nach Azubis reicht ein solcher Radius längst nicht mehr aus. Aus mehr als 50 Kilometer Entfernung kommen mittlerweile Bewerber. MAP ist offensichtlich attraktiv genug, aber es ist doch ein Symptom der Schwäche, dass selbst im boomenden Havelland schon sehr bald Grenzen erreicht sein könnten.

Locken und Hoffen

Geschäftsführer Pleske merkt das ja, bei sich ganz persönlich. Er selbst ist in Rathenow mehr als heimisch, aber wenn er darüber spricht, wie Kneipennächte wegen Lärms verhindert werden, dann merkt man, wie er zweifelt. Weil es an Kinos fehlt und an Discos. Weil die Bundesgartenschau, die 2015 in Rathenow stattfinden wird, die Kids nun wirklich nicht vom Hocker reißt. Ende September wird Pleske alle Mitarbeiter zum zehnjährigen Firmenjubiläum auf das Gelände einladen, es soll ein Familienfest werden, mit Musik und einer Hüpfburg für die Kinder. Für die etwas Älteren soll es Entdeckungstouren durch die Werkshallen geben – neugierig machen, locken. Vielleicht, hofft er, kann man jemand begeistern.

Pleske hat selbst zwei Kinder. Ein Sohn von ihm studiert in Dresden. Ob der jemals dorthin zurückkehren wird, wo er aufgewachsen ist? „Soll ich ihm raten, hier zu bleiben?“, fragt der Vater.

Sein Schweigen ist die Antwort.

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