In der Not nimmt Detlef Tabbert Granit, Granitbänder, so viel Präzision muss sein. In Templin wird gerade eine Straße grundsaniert, und für den Gehweg hatte Bürgermeister Tabbert die Auswahl zwischen einem neuen hübschen Kopfsteinpflaster, das so gut hierher gepasst hätte – oder eben diesen großen, grauen Granitplatten.
Nur hatte er das wirklich, eine Wahl? Tabbert schaltet im Gesicht ein Grinsen ein und erzählt, dass er jetzt selber gern erzählen würde, warum er das nur wegen der vielen jungen Frauen mit ihren hohen Hacken gemacht habe, aber... Als er entschied, hatte er in Wahrheit eben doch die vielen Senioren vor Augen, die mit den flachen Schuhen und den wackligen Beinen. „Bei uns“, sagt er, „ist der demografische Wandel schon da. Wir können uns nicht erst damit beschäftigen, wenn der Rollator Pflicht ist.“
Ein Pensionsparadies
Aus seiner Not spinnt Templins Bürgermeister nicht nur eine launige Geschichte, er macht daraus so etwas wie eine Geschäftsidee. Tabbert hat ein Parteibuch der Linken, aber er war 20 Jahre lang Unternehmer mit einer Leasingfirma, die landwirtschaftliches Gerät vermittelt hat. Das prägt. Das Konzept für seine Heimatstadt ist ein Ruhestandsrefugium, ein Pensionsparadies, überschaubar, aufgeräumt, idyllisch, mit Krankenhaus, Sole-Therme und Pflegeheim, Alleinstellungsmerkmal: aufregungsarm und stolperfrei. Dass die Geburtenrate auch hier nach unten geht, dass die Jungen weggehen, wenn die Schule fertig ist, all das kann Tabbert kaum verhindern. „Aber der Zuzug der Generation Ü 60, der macht mir Freude.“
Wenn das also seine Kunden sind, dann richtet er sich eben nach ihnen. Viele gebürtige Templiner sind unter den Rückkehrern, Menschen, die mit der Rente wieder zurück zu ihren Wurzeln wollen, aber auch zahlreiche Berliner, die hier die Gemächlichkeit, die Natur und die günstigen Mieten schätzen – und ab und an den Bahn-Stundentakt zum Abstecher in die große Hauptstadt.
Eine Strategie für die Ewigkeit, das weiß Tabbert selbst, ist das nicht, aber immerhin ist es eine. Die Uckermark im Nordosten Brandenburgs, in der Templin liegt wie ein kleines, bescheidenes Schmuckstückchen, hat schließlich auch mit fast 15 Prozent die höchste Arbeitslosenrate der Republik, und die Stadt selbst macht da keine rühmliche Ausnahme. Die meisten hier sind langzeitarbeitslos, manche seit wenigen Jahren, andere haben schon seit der Wende keinen richtigen Job mehr gehabt. Die Unterstützung kostet eine Menge Geld, das für andere Dinge fehlt, und was die Sache am Schlimmsten macht: Hoffnung auf Besserung ist kaum in Sicht.
Wie einen Mühlstein schleppt die ganze Region dieses Problem mit sich herum. Herausforderungen, so steht es in bemerkenswerter Offenheit im Leitbild der Stadt, stellten sich in Templin „noch zwingender, härter und zugespitzter als anderswo“. Man kann es nicht klarer formulieren.
Schrumpfen ohne Schmerzen
Man dürfe sich deshalb keinen falschen Illusionen hingeben, sagt Tabbert. „Wir müssen gnadenlose preußische Sparsamkeit an den Tag legen, anders werden wir nicht über die Runden kommen.“ Gewerbesteuern fließen eher spärlich, und für die knapp 16.000 Einwohner erreichen die Gemeinde auch nur recht überschaubare Schlüsselzuweisungen. Es gibt immerhin eine traditionsreiche und zugleich innovative Holzindustrie, aber die anderen großen Arbeitgeber sind das Krankenhaus und ein Pflegeheim. Wachsen, das ahnt wohl auch der Bürgermeister, wird Templin nicht mehr. Wenn es gelingt, das Schrumpfen zu verlangsamen, und das ohne zu große Schmerzen, dann wäre schon viel gewonnen.