
Die Bundesagentur für Arbeit verlangt mehr Geld für die Jobcenter. Wenn man Langzeitarbeitslose stärker fördern und wieder in Arbeit bringen wolle, müsse die nächste Regierungskoalition nach der Bundestagswahl mehr Mittel für die Jobcenter bereitstellen, sagte Vorstandschef Detlef Scheele der Deutschen Presse-Agentur. Das Jobcenter-Budget wurde seit 2013 nicht mehr erhöht.
„Wir haben uns darauf vorbereitet, tätig zu werden“, sagte Scheele. Die Programme zur Förderung von Langzeitarbeitslosen stünden, man wählen gerade die Startregionen aus. „Aber wenn wir nicht nur kleckern wollen, sondern den Problemen signifikant entgegentreten wollen“, müssten die Jobcenter-Etats nach Jahren der Deckelung aufgestockt werden, betonte der BA-Chef. Der 60-Jährige hatte das Amt im Frühjahr von Frank-Jürgen Weise übernommen, der in Ruhestand gegangen war.
400 Millionen Euro für die Verwaltung
Hinzu komme, dass in den vergangenen Jahren mit einem immer größeren Teil des Hartz-IV-Etats die steigenden Verwaltungskosten aufgefangen worden seien, stellte Scheele fest. In diesem Jahr seien es allein 400 Millionen Euro gewesen, die in den Verwaltungsetat des Hartz-IV-Bereichs umgeschichtet wurden. „Das ist nicht gut. Wenn man das weiter macht, könnte man da nicht wirksam tätig werden“, gab Scheele zu bedenken.
Unterstützung erhofft sich Scheele ferner bei der von ihm favorisierten Berufsberatung für Menschen in Arbeit. „Ich fände es gut, wenn es gelänge, einen Konsens darüber zu finden, dass wir auch berufstätige Menschen beraten, sofern sie in eher digitalisierungsanfälligen Branchen arbeiten, un- und angelernt sind und in Betrieben sind, die keine eigenen Personal- und Weiterbildungsabteilungen haben.“ Viele Beschäftigte stünden im Zuge der Digitalisierung vor neuen Herausforderungen. Von ihnen sollten möglichst wenige arbeitslos werden, weil sie die Wirtschaft brauche.
Auch bei dem Unterhaltsgeld für arbeitslose Umschüler setzt der Bundesagentur-Chef auf die künftige Bundesregierung. „Wir haben ja zur Zeit Prämiensystem bei der Umschulung“. Die Abbruchquote bei diesen Maßnahmen sei aber hoch. Mit einem Unterhaltsgeld, von dem sie während der Umschulung leben könnten, sei die Versuchung geringer, „nicht sofort aus der Fortbildung oder Umschulung auszusteigen, wenn sie einen Job angeboten bekommen, der kurzfristig ein höheres Einkommen als der Regelsatz ermöglicht.“
Zehn Jahre Hartz IV: Arbeitslosigkeit damals und heute
Rund 2,7 Millionen Menschen in Deutschland - das sind 6,3 Prozent - sind heute arbeitslos (Stand: Oktober 2014). Vor zehn Jahren war noch jeder Zehnte (10,1 Prozent) ohne Job, 4,4 Millionen Menschen hatten keine Arbeit (Stand: Oktober 2004). Im darauffolgenden Jahr erreichte die Arbeitslosigkeit mit rund fünf Millionen Arbeitslosen ihren Spitzenwert seit der Wiedervereinigung. Im Wesentlichen hing diese Entwicklung mit der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zusammen („Hartz-IV-Effekt“).
Den Zahlen nach zu urteilen haben Frauen heute wie damals kein größeres Risiko als Männer, arbeitslos zu werden. Der tatsächliche Anteil arbeitsloser Frauen dürfte dennoch höher liegen: Statistiker vermuten, dass insbesondere unter Frauen die stille Reserve höher liegt, weil viele keine Vermittlungschancen mehr sehen.
Im Jahresmittel 2004 betrug die Arbeitslosigkeit im Westen 8,5 Prozent, im Osten war sie mit über 18 Prozent mehr als doppelt so hoch.
Der Abstand hat sich inzwischen merklich verringert, ist aber weiterhin groß: Im Westen liegt die Quote heute bei etwa sechs Prozent, im Osten bei etwa zehn Prozent. Während das Potenzial an Menschen, die einer Arbeit nachgehen können, in Gesamtdeutschland stieg, sank es im Osten leicht.
Der Anteil der Arbeitslosen unter 25 Jahren ist in den vergangenen zehn Jahren zwar zurückgegangen. 2005 waren in dieser Altersgruppe noch knapp 15 Prozent arbeitslos, heute hat sich die Zahl mehr als halbiert. Ein Grund zum Jubeln ist das aber nur bedingt: Schließlich sinkt aus demografischen Gründen seit Jahren die Zahl der jungen Erwachsenen insgesamt. Die Arbeitslosenquote der Unter-25-Jährigen liegt seit zehn Jahren konstant etwa drei Prozentpunkte über der Gesamtquote.
In den vergangenen zehn Jahren stieg der Anteil der 55- bis 64-Jährigen an der Gesamtarbeitslosigkeit von 25 auf über 33 Prozent. In absoluten Zahlen waren aber weniger Ältere arbeitslos. Denn auch hier spielt die demografische Entwicklung eine Rolle. 2005 waren gut 15 Millionen Menschen zwischen 50 und 64 Jahre alt, 2015 werden es bereits über 18 Millionen sein. In dieser Gruppe hat sich der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten seit 2005 um knapp zehn Prozentpunkte erhöht, denn die Zahl der arbeitenden Älteren ist auf knapp 9 Millionen angestiegen.
Die bei der Bundesarbeitsagentur gemeldeten offenen Stellen sind in den vergangenen zehn Jahren mehr geworden - mit einem deutlichen Knick zur Finanzkrise 2009. Im Jahr 2005 waren 256.000 Stellen als offen gemeldet, 2013 waren es 434.000. Seit 2012 ist die Zahl der offenen Stellen wieder rückläufig.
Eine wichtige Stellschraube, um aus heutigen Arbeitslosen Fachkräfte von Morgen zu machen, sieht Scheele bei der Dauer der Umschulungen - und hofft auch hier auf Einsicht der künftigen Regierung. Bisher dürfe die Bundesagentur nur maximal zweijährige Umschulungen genehmigen. Denn der Gesetzgeber gehe davon aus, dass die Umschulung die zweite Ausbildung sei. Das sei aber inzwischen immer seltener der Fall. „Es wäre deshalb gut, wenn wir auch dreijährige Umschulungen bezahlen könnten, sofern sie keine faktische Erstausbildung ist“, betonte der BA-Manager.