Hartz-IV-Bezieher mit geringen Jobaussichten sollen länger in Ein-Euro-Jobs und leichter in Frührente geschickt werden können. Das sieht ein geplanter Änderungsantrag für ein derzeit im Bundestag beratenes Gesetz zu Hartz-IV-Rechtsvereinfachungen vor. Der Antrag liegt der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vor. Opposition und Gewerkschaften üben scharfe Kritik. „Die sogenannte Rechtsvereinfachung entpuppt sich immer mehr als Repressionsverschärfung“, sagt Linke-Chefin Katja Kipping. Eine Übersicht über die Pläne:
- Zwangsverrentung
Nach Schätzungen werden jährlich tausende Hartz-IV-Empfänger aufgefordert, vorzeitig mit 63 in Rente zu gehen, obwohl sie dabei Abschläge hinnehmen müssen. Kommen die Menschen der Aufforderung nicht nach, können Jobcenter die Anträge dafür stellen. Nötige Unterlagen würden die Betroffenen aber oft nicht vorlegen, heißt es in der Begründung des neuen Vorstoßes. Deshalb sollen die Jobcenter in solchen Fällen künftig Hartz-IV-Leistungen versagen, bis die Betroffenen ihren Mitwirkungspflichten nachkommen.
Fakten zur Weiterbildung
Da Bildung Ländersache ist, wird der Bildungsurlaub in den Bundesländern unterschiedlich gehandhabt. Welches Recht gilt, entscheidet sich nach dem Ort des Arbeitsplatzes. Während für Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Thüringen keine gesetzlichen Regelungen über den Bildungsurlaub haben, sind die Gesetze in den übrigen Ländern recht ähnlich geregelt.
In den Bundesländern, die eine gesetzliche Regelung haben, hat ein Arbeitnehmer nach sechs Monaten in einem Unternehmen Anspruch auf Bildungsurlaub. Einzige Ausnahme: Rheinland-Pfalz. Dort sind es zwei Jahre. Zudem hat Nordrhein-Westfalen für Auszubildende und Beamte sowie Mitarbeiter in Kleinbetrieben mit weniger als zehn Beschäftigten getroffen. Ihnen steht gesetzlich kein Bildungsurlaub zu.
Wer fünf Tage die Woche arbeiten geht, hat üblicherweise Anspruch auf fünf Tage Bildungsurlaub im Jahr. Wer weniger arbeitet, bekommt auch entsprechend weniger Bildungsurlaubstage. Möchte man längere Weiterbildungen besuchen als die jährlichen fünf Tage, kann der Bildungsurlaub auch verlängert werden. Dann gelten zehn Tage für zwei Jahre, die dann am Stück genommen werden können.
Wer eine Fortbildung besuchen möchte, muss seinen Arbeitgeber mindestens sechs Wochen im Voraus informieren – im Saarland sind es acht, in Niedersachsen und Bremen vier Wochen im Voraus. Der Arbeitgeber muss seine Zustimmung generell geben. Ablehnen kann er ihn nur, wenn es wichtige betriebliche Gründe gibt, die gegen einen Weiterbildungsurlaub zu diesem Zeitpunkt sprechen.
Generell fallen unter den Begriff der Weiterbildung, die einen Bildungsurlaub rechtfertigt, berufliche und politische Fortbildungsmaßnahmen. In Brandenburg, Bremen, Niedersachsen, dem Saarland und Schleswig-Holstein ist der Arbeitnehmer noch freier in seiner Wahl: Hier spricht der Gesetzgeber von Weiterbildung allgemeiner Art. In Brandenburg wird darüber hinaus auch die kulturelle Weiterbildung noch eingeschlossen.
Obwohl die Arten der Weiterbildung zunächst sehr schwammig klingen und viel Auswahl bieten, müssen Weiterbildungsgewillte doch die eine oder andere Einschränkung beachten. So gibt es verschiedene Ausschlusskriterien, die die Bundesländer festgelegt haben. Veranstaltungen, die in erster Linie der Erholung oder Unterhaltung dienen – also eher allgemeine Freizeitveranstaltungen sind – können nicht als Weiterbildungsmaßnahmen genutzt werden. Auch Angebote, die nur dadurch zugänglich werden, dass man beispielsweise einer bestimmten Gewerkschaft, Partei oder Religionsgemeinschaft angehört, werden vom Gesetzgeber zumeist ausgeschlossen. Ein weiterer wichtiger Punkt: Die Weiterbildungseinrichtung muss vom jeweiligen Bundesland anerkannt werden. Das gilt etwa für Volkshochschulen oder verschiedene Fortbildungswerke.
Wer Bildungsurlaub macht, bekommt zunächst auf jeden Fall seinen Lohn in voller Höhe weitergezahlt. Handelt es sich um eine betriebliche Weiterbildung trägt der Arbeitgeber zudem die Seminarkosten. Handelt es sich allerdings um eine andersartige Weiterbildung, muss der Arbeitnehmer selbst dafür aufkommen. Trotzdem lohnt es sich mit dem Arbeitgeber zu sprechen. Auch wenn dieser gesetzlich nicht dazu verpflichtet ist, übernehmen viele Chefs trotzdem die Kosten, wenn es sich für die Firma lohnt. Außerdem gibt es verschiedene Förderungen, die Arbeitnehmer für ihre Weiterbildung beantragen können. So gibt es bei der Agentur für Arbeit sogenannte „Bildungsgutscheine“, die für Fortbildungen verwendet werden können. Wer in Hessen arbeitet, kann zudem auf einen Qualifizierungsscheck vom hessischen Wirtschaftsministerium hoffen.
Die Linken, die Grünen und der DGB kritisierten die Pläne. Die Bundesregierung wolle das Arbeiten übers Rentenalter hinaus attraktiver machen - und verschärfe gleichzeitig die Praxis der Jobcenter, ältere Arbeitslose aufs Abstellgleis zu schicken, sagte der Linken-Rentenexperte Matthias W. Birkwald der dpa. Die Grünen-Arbeitsmarktexpertin Brigitte Pothmer warf Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) ein falsches Spiel mit älteren Arbeitslosen vor. Das DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach forderte die Abschaffung der Zwangsverrentung.
- Ein-Euro-Jobs
Dauerbezieher von Hartz IV könnten bald weit länger als bisher Ein-Euro-Jobs verrichten. Derzeit dürfen Betroffene binnen fünf Jahren nicht länger als insgesamt 24 Monate Ein-Euro-Jobs ausüben. Künftig sollen solchen Arbeitsgelegenheiten immer wieder verlängert werden können, wenn die Betroffene innerhalb der letzten zehn Jahre insgesamt neun Jahre die Grundsicherung für Arbeitsuchende bekommen haben. Denn den Betroffenen sei es „auch bei guter Konjunktur kaum möglich, vom Aufbau der Beschäftigung zu profitieren und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen“.
Die Grünen-Expertin Pothmer kritisierte: „Solche Menschen in Ein-Euro-Jobs zu schieben, ist ein großer arbeitsmarktpolitischer Fehler.“ Ein-Euro-Jobs seien Sackgassen. Insgesamt hätten bis zu 400 000 der gut eine Million Langzeitarbeitslosen nur geringe Chancen, auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.
Die Zahl der geförderten Jobs für Langzeitarbeitslose sank in den vergangenen zwei Jahren von knapp 140.000 auf unter 90.000, zumeist Ein-Euro-Jobs.
- Kinder
Bei Hartz IV für Kinder getrennt lebender Eltern, bei denen nur ein Elternteil hilfebedürftig ist, sollen nur jene Tage berücksichtigt werden, an denen sich das Kind auch beim Elternteil mit Hartz IV aufhält. Linke-Chefin Kipping kritisierte: „Rechtsvereinfachung nennt es die große Koalition, wenn Müttern mit Hartz IV der Lebensunterhalt für ihre Kinder gekürzt wird, weil das Kind ein paar Tage beim umgangsberechtigten Vater ist, der kein Hartz IV bezieht.“
Das Bundeskabinett gab den Vorschlägen des Sozialministeriums Anfang des Monats unbemerkt von der Öffentlichkeit grünes Licht. Die Fraktionen von Union und SPD wollen darüber noch beraten.