Laschet vs. AfD CDU-Vize sieht „kriminelle Energie“ bei AfD

Mit polemischen Aussagen provoziert die AfD oft scharfe Reaktionen. Ein Tweet, in dem der Sohn von Boris Becker als „Halbneger“ beschimpft wird, schießt nun aber deutlich übers Ziel hinaus. Auch AfDler wenden sich ab.

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Ministerpräsident Armin Laschet kritisiert die AfD scharf Quelle: dpa

Berlin Scharfe Attacken kommen ihm selten über die Lippen. Aber das, was die AfD in den letzten Tagen auf Twitter an Hetze geboten hat, ist selbst einem Armin Laschet zu viel. Ebenfalls in dem Kurznachrichtendienst machte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident und stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende seinem Ärger Luft.

„Das, was Abgeordnete der AfD seit Tagen an Rassismus twittern, verlässt vorsätzlich und mit krimineller Energie den Grundkonsens, den Demokraten bei allem Meinungsstreit nach 1949 aufgebaut haben“, schrieb Laschet. „So soll der Weg in eine andere Republik systematisch vorbereitet werden.“

Auch SPD und Grüne reagierten mit scharfer Kritik auf die zum Jahreswechsel gehäuften verbalen Ausfälle von AfD-Funktionären in den sozialen Medien. Erst polemisierte die AfD-Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch mit einem Tweet gegen muslimische „Männerhorden“, weshalb sie bei Twitter vorübergehend gesperrt wurde. Kurz darauf sorgte ein Kommentar vom Account ihres Fraktionskollegen Maier für Empörung. Selbst führende AfD-Politiker gingen auf Distanz.

Maier griff Noah Becker, den Sohn der Tennis-Legende Boris Becker, scharf an. „Dem kleinen Halbneger scheint einfach zu wenig Beachtung geschenkt worden zu sein, anders lässt sich sein Verhalten nicht erklären“, schrieb der aus Sachsen stammende AfD-Politiker bereits am Dienstag auf Twitter. Später wurde das Posting wieder gelöscht. Becker, der unter anderem als DJ arbeitet, hatte in einem Interview erklärt, Berlin sei im Vergleich zu London oder Paris eine „weiße Stadt“. Er sagte, er selbst sei „wegen meiner braunen Hautfarbe attackiert worden“.

Maier versuchte sich aus der Schusslinie zu nehmen, indem er in einem weiteren Posting erklärte, nicht er, sondern ein Mitarbeiter habe den Kommentar verbreitet, „der umgehend nach Bekanntwerden gelöscht“ worden sei. Den Mitarbeiter habe er sich inzwischen „zur Brust genommen“, verlautete aus Parteikreisen. Demnach sprach Maier von einer bedauerlichen „Panne“, für die sich „bei Herrn Becker entschuldigen“ wolle. Dem twitternden Mitarbeiter habe er eine Abmahnung erteilt. Ferner seien „die organisatorischen Konsequenzen gezogen“ worden, damit so etwas nicht mehr vorkommt. . Maier habe zudem intern betont, dass dieser Kommentar nicht sein Stil sei.

Die Realität ist allerdings eine andere. Maier, der vor seinem Einzug in den Bundestag als Zivilrichter, arbeitete, ist bekannt für seine oft drastische Wortwahl. Das Landgericht Dresden hatte ihm im August einen Verweis erteilt, weil er mit seinen rechten Parolen gegen das Mäßigungsgebot für Richter verstoßen habe.

Der AfD-Landesverband Sachsen hatte im November ein Parteiausschlussverfahren gegen den Juristen zurückgezogen, das noch unter der inzwischen ausgeschiedenen Parteichefin Frauke Petry in Gang gekommen war. Grund für das Verfahren waren Äußerungen Maiers zu einem angeblichen deutschen „Schuldkult“ und der „Herstellung von Mischvölkern“ durch Zuwanderung. Maier gilt als Vertreter des rechtsnationalen Parteiflügels um den Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke. Maier hatte sich selbst als „kleiner Höcke“ bezeichnet.


„Versnobte neoliberale Rassisten in Nadelstreifen“

Führende AfD-Politiker reagierten verärgert auf den Kommentar auf Maiers Twitter-Account. Der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland sagte: „Das ist nicht mein Stil.“

Deutlich schärfer reagierte der Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Frank-Christian Hansel. „Es reicht, Leute! Wenn Ihr Euch oder Eure Mitarbeiter nicht im Griff habt, geht nach Hause!“, schrieb Hansel auf seiner Facebook-Seite. „Es kann und darf nicht sein, dass immer wieder von AfD-Funktionären Facebook- oder Twitter-Posts rausgehen, die die Arbeit der gesamten Partei, nämlich der AfD als Partei des politischen Realismus aus der Mitte der Gesellschaft, an und in der wir seit 5 Jahren hart arbeiten, zunichtemachen.“

Indirekt legte Hansel den kritisierten Funktionären den Parteiaustritt nahe. „Die AfD braucht keine Leute, die immer noch das primitive Vokabular und den Duktus der 50er Jahre verwenden“, erklärte er. „Hier geht es auch nicht mehr um Stil-und Geschmacksfragen, sondern um bewusstes Schüren von Vorurteilen, genau das, wogegen wir uns immer wehren, dass es uns fälschlicherweise medial vorgeworfen wird!“

Laut „Bild“ will Noah Becker in Absprache mit seinem Vater juristisch gegen den AfD-Abgeordneten Maier vorgehen. Rechtsanwalt Christian-Oliver Moser sagte der Zeitung: „Ich bin jetzt beauftragt, unverzüglich die erforderlichen straf- und zivilrechtlichen Schritte gegen Herrn Jens Maier, MdB, wegen dieser eindeutig rassistischen Twitter-Nachricht zu ergreifen.“ Juristischen Ärger haben auch andere AfD-Abgeordnete.

Die Staatsanwaltschaft Köln prüft mehrere Anzeigen wegen Volksverhetzung gegen Beatrix von Storch und Alice Weidel. Die Kölner Polizei und zahlreiche Privatpersonen hätten von Storch wegen des Verdachts der Volksverhetzung angezeigt, sagte der Kölner Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn am Dienstag. Die Reaktion der AfD-Fraktionschefin Weidel auf die zeitweise Twitter-Sperrung für von Storch hätten viele Dritte ebenfalls als Volksverhetzung angesehen. Von Storch hatte auf Neujahrswünsche der Kölner Polizei unter anderem auf Arabisch mit einem Kommentar reagiert, den Twitter wegen mutmaßlicher Volksverhetzung löschte. Damit kam das neue Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) zur Anwendung.

Der SPD-Bundesvize Ralf Stegner sieht sich vor diesem Hintergrund erneut in seiner Ablehnung der AfD bestätigt. „Durch die Twitterei von Storch, Weidel &Co. wird die rechtsextreme Gesinnung der AfD-Hetzer einmal mehr all denen dargeboten, die immer noch glauben, das sei eine normale oder demokratische Partei“, schrieb Stegner auf Twitter.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek nannte Weidel und von Storch auf Twitter „versnobte neoliberale Rassisten in Nadelstreifen“.

Auch aus dem Kulturbereich wurde Kritik laut. Mit Blick auf den hetzerischen Tweet von Beatrix von Storch twitterte der Filmschauspieler Armin Rohde: „Als das letzte Mal eine Partei im Reichstagsgebäude saß, deren Vorsitzende sich der Volksverhetzung schuldig machten, war es für Strafanzeigen wohl längst zu spät.“

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