Leitkultur, Multikulti, Islam Mit CSU-Realismus gegen die AfD

Während andere Parteien noch nach Rezepten gegen die Alternative für Deutschland suchen, ist die CSU schon kampfbereit. Mit einer einfachen Strategie: Sie will die Rechtspoplisten mit ihren eigenen Waffen schlagen.

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Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU): Mit klarer, realpolitischer Kante gegen die AfD. Quelle: dpa

Berlin Eine kürzlich veröffentlichte Forsa-Umfrage dürfte manchen AfD-Politiker in Staunen versetzt haben. Die Anhänger der Rechtspopulisten haben demnach mehr Vertrauen zu CSU-Chef Horst Seehofer als zu ihrer eigenen Parteivorsitzenden. Während Frauke Petry von den AfD-Unterstützern in der Befragung im Auftrag von „Stern“ und RTL nur 47 von 100 Vertrauenspunkten erhielt, wurde Seehofer mit 69 Punkten bewertet.

Eine weitere Erhebung lieferte einen ebenfalls ungewöhnlichen Befund. Die Meinungsforscher von Infratest-dimap analysierten für die ARD die jüngsten Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Das überraschende Ergebnis: Viele AfD-Wähler hätten demnach gern der CSU ihre Stimme gegeben - wenn die Partei bundesweit und nicht nur in Bayern wählbar wäre.

Zwischen 57 und 72 Prozent der AfD-Wähler fände es demnach gut, wenn Seehofers Partei, die immer wieder die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kritisiert, in ganz Deutschland auf dem Stimmzettel stünde.

In der AfD-Bundesspitze müssten vor diesem Hintergrund eigentlich die Alarmglocken schrillen. Zwar sind solche Umfragen „nur“ Momentaufnahmen, doch geben sie auch immer Hinweise darauf, welcher Partei die Wähler zuneigen. Und wenn ausgerechnet AfD-Anhänger sich von einer CSU gut vertreten fühlen würden, dann könnte das auch mit den Themen zu tun haben, für die die Seehofer-Partei steht.

In der Flüchtlingspolitik vertritt die CSU einen strammen Anti-Merkel-Kurs. Das macht die AfD zwar auch, ihre „Merkel stoppen“-Rhetorik hat aber mit politischem Realismus wenig zu tun. Merkels Popularität zeigt bisher kaum Schleifspuren. Laut einer Forsa-Umfrage erreicht sie mit 52 Prozent bei der Kanzlerpräferenz ihren höchsten Wert in diesem Jahr.

Das Ziel der CSU ist auch nicht, die Kanzlerin zu schwächen oder gar zu stoppen, ihr geht es um eine Korrektur ihrer Flüchtlingspolitik und nebenbei auch darum, der erstarkten AfD das Wasser abzugraben. „In Zeiten wie diesen, wo es ums Eingemachte geht, muss die Union sich auf ihren Markenkern konzentrieren und darf nicht weiter nach links rutschen“, sagte der Vorsitzende der Grundsatzkommission, der CSU-Landtagsabgeordnete Markus Blume, dem Handelsblatt. „Sie muss in der bürgerlichen Mitte, also rechts von der Mitte, die Partei der ersten Wahl sein.“

Die CSU ist in dieser Hinsicht schon weit gekommen. Während andere Parteien noch nach erfolgversprechenden Rezepten gegen die Rechtspopulisten suchen, setzt die Seehofer-Partei auf ihre ganz eigene Realpolitik, ohne dabei der Brechstangen-Politik der AfD zu erliegen. Und das, obwohl beide Parteien eine gewisse programmatische Nähe aufweisen. Allerdings mit dem Unterschied, dass die CSU schon lange vor der AfD das konservative Feld abgesteckt hat.


„Positionen sind nicht inakzeptabel, weil die AfD sie auch ausspricht“

„Es ist doch nicht die CSU, die der AfD nachläuft“, sagt denn auch der Passauer Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter dem Handelsblatt. Das gilt auch für die aktuellle Flüchtlingspolitik. „Die CSU formuliert seit Monaten eine Strategie der Praktikabilität, die aus ihrem Markenkern abgeleitet ist.“ Humanität gehöre unverzichtbar dazu. „Sonst wären nicht die CSU-Vorschläge in die Asylpakete eingegangen“, betont Oberreuter. „Aber dazu gehören nicht kulturelle Relativierung und Selbstpreisgabe, auch nicht die Hinnahme materieller Überforderung.“

Die CSU, bringt Oberreuter ein wesentliches Merkel der Anti-AfD-Strategie Seehofers auf den Punkt, formuliere, was die Mehrheit in der Flüchtlingskrise denkt. Und sie handelt, etwa mit einem „kraftvollen Integrationsprogramm“ (Seehofer) im Umfang von rund 500 Millionen Euro. Zum Vergleich: Die EU-Mitgliedstaaten stellen bis zum Jahr 2018 ein, wie der Politikwissenschaftler kritisch anmerkt, „lächerliches“ Nothilfe-Paket von bis zu 700 Millionen Euro zur Versorgung von Flüchtlingen in Griechenland und anderen Ländern bereit.

Und selbst wenn die CSU auch mal in den Verdacht gerät, Positionen der Rechtspopulisten zu übernehmen, wäre es aus Sicht von Oberreuter „absolut falsch“, darin einen Kursschwenk zu sehen. „Bislang akzeptable Positionen sind nicht deswegen inakzeptabel, weil die AfD sie auch ausspricht“, sagt der Politik-Professor. Übernähme die AfD die CSU-Programmatik, gäbe es keine elementaren Probleme mit ihr. „Die gibt es aber, weil Respektierung der Menschenwürde, Akzeptanz von Pluralität und Toleranz nicht außer Zweifel stehen und die Einbindung Deutschlands in einen zivilisierten, kooperativen Staatenverbund auch nicht.“ Ihm sei daher „schleierhaft, wo hier eine Brücke zur CSU sein soll“.

Gleichwohl besetzen beide Parteien ähnliche Themen. Dabei hat es den Anschein, als ob die AfD bewusst auf Inhalte aus dem konservativen Parteienspektrum zugreift. In ihrem offiziellen Entwurf für ein Grundsatzprogramm skizziert sie jedenfalls politischen Linien, die sehr stark an die CSU-Programmatik erinnern, wie folgende Beispiele zeigen.


Leitkultur: CSU und AfD betonen christliche Werte


AfD und CSU befürworten eine deutsche Leitkultur. Da die CSU ihr Parteiprogramm aus dem Jahr 2007 derzeit überarbeitet, gibt es aber noch keine konkreten Festlegungen. Im aktuellen Programm taucht der Begriff Leitkultur nur einmal auf. Die Bedeutung hängt für die CSU stark mit dem Bekenntnis zur deutschen Kulturnation zusammen. „Ihre Sprache, Geschichte, Traditionen und die christlich-abendländischen Werte bilden die deutsche Leitkultur“, heißt es in dem Programm.

Und: „Das Verständnis unserer eigenen kulturellen Identität ist nicht zuletzt für den Dialog mit anderen Kulturen eine Grundvoraussetzung.“ Die CSU betont in diesem Zusammenhang, die für sie verbindlichen Werte, etwa die Einhaltung der Menschenrechte, das Bekenntnis zum Rechtsstaat, das Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung und die Gleichberechtigung von Mann und Frau.

Werte werden auch im neuen Programm eine große Rolle spielen. „Was sind unsere Werte? Was sind für uns unsere ordnungspolitischen Vorgaben? Was macht für uns gutes Leben aus?“ Genau hier spiele auch die Diskussion um die Leitkultur eine wichtige Rolle, sagte der Vorsitzende der CSU-Grundsatzkommission, Markus Blume, kürzlich bei einer Veranstaltung des CSU-Kreisverbands Wunsiedel.

Als „zentrale Grundwerte für die CSU“ nannte Blume „Freiheit und Verantwortung“. Diese leiteten sich aus christlichen Grundwerten ab. Auf dem Parteitag der CSU im November vergangenen Jahres zeichnete er auch schon ein ungefähres Bild einer Gesellschaft a là CSU. „Hierbei gelte es, die Grundstatik unseres Landes zu erneuern“, sagte er. Dabei diene unsere deutsche Leitkultur als Antwort, um unsere Gesellschaftsordnung zu stärken, auch gegen Widerstände, so Blume.


„Die Leitkultur ist kein Gegenkonzept gegen Zuwanderung“

Gleichwohl betonte der CSU-Politiker bei seinen Parteifreunden in Wunsiedel, dass die Leitkultur nicht staatlich verordnet werden könne. „Die Leitkultur ist kein Gegenkonzept gegen Zuwanderung, sondern ein Ordnungs- und Handlungsrahmen, wie unser Zusammenleben funktioniert und welche Werte bei uns gelten“, sagte der Chef der CSU-Grundsatzkommission. Das müsse einerseits in der Verfassung verankert werden, aber auch untereinander verbindlich gelten und gelebt werden. „Auch die Zuwanderer müssen wissen, wofür unsere Gesellschaft steht“.

Blume konstatiert eine „große Unsicherheit und Besorgnis bei vielen Menschen, dass sich unser Land verändert“. Er bezog sich dabei auf eine Umfrage, der zufolge 83 Prozent der Menschen nicht wollten, dass sich das Land durch die Zuwanderung verändere, sondern dass sich die Zuwanderer an die hiesigen Regeln anpassten. „Das fordert die CSU seit vielen Jahren“, so Blume.

Konkreter wurde jüngst der stellvertretende CSU-Vorsitzende und Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt, der Muslime und Flüchtlinge in einem Interview aufforderte, die deutsche Leitkultur mit Bier und Schweinefleisch zu respektieren.

Wie für die CSU speist sich auch für die AfD die deutsche Leitkultur im Wesentlichen aus der „religiösen Überlieferung des Christentums“. Als weitere Kriterien nennt die Partei die wissenschaftlich‐humanistische Tradition, „deren antike Wurzeln in Renaissance und Aufklärung erneuert wurden“ sowie das römische Recht, auf dem der deutsche Rechtsstaat fuße. So steht es im Entwurf für ein Grundsatzprogramm, das die Partei Ende April beschließen will. Diese Traditionen lägen nicht nur der freiheitlich‐demokratischen Grundordnung zugrunde, sondern prägten auch den Umgang der Menschen miteinander.


Multikulti-Gesellschaft: Ablehnung eint CSU und AfD


Mit einer multikulturellen Gesellschaft können AfD und CSU wenig anfangen. Das wird schon im aktuellen CSU-Programm deutlich: Zwar wird ein „soziales und kulturelles Miteinander“ befürwortet. Aber, heißt es in dem Programm aus dem Jahr 2007: „Wir lehnen ein multikulturelles Neben- und Gegeneinander ab, weil es kalt und unsozial ist, die Solidarität unseres Volkes untergräbt und zu Intoleranz und Gewalt führt.“

Zu erwarten ist daher, dass sich die CSU auch in ihrem runderneuerten Programm gegen rot-grünes Multikulti positioniert. Blume sieht hierbei offenbar auch die Mehrheit der Bürger auf der Seite seiner Partei. So argumentiert er, dass nach aktuellen Umfragen nur 29 Prozent der Befragten noch eine Multi-Kulti-Gesellschaft befürworte, der Rest sei für eine Leitkultur, selbst mehrheitlich die Anhänger der Grünen. „Auch das fordert die CSU seit Jahren“, so Blume.

Bei einem Kongress seiner Partei vor etwa einem Jahr in München hatte Blume schon die Marschrichtung vorgegeben. „Es kann uns als CSU nicht behagen, dass die Relativierung (der Werte) immer weiter voranschreitet“, sagte er. „Eine weltoffene Gesellschaft funktioniert nicht ohne Bindekräfte.“

Radikaler will sich die AfD positionieren. „Die Ideologie des Multikulturalismus, die importierte kulturelle Strömungen auf geschichtsblinde Weise der einheimischen Kultur gleichstellt und deren Werte damit zutiefst relativiert, betrachtet die AfD als ernste Bedrohung für den sozialen Frieden und für den Fortbestand der Nation als kulturelle Einheit“, heißt es in dem Parteiprogramm-Entwurf. Und: „Ihr gegenüber müssen der Staat und die Zivilgesellschaft die deutsche kulturelle Identität als Leitkultur selbstbewusst verteidigen.“


Islam: CSU für Deutsche sprechende Imame, AfD gegen Moscheen


Ähnlichkeiten zwischen AfD und CSU finden sich auch in ihrem Umgang mit dem Islam. In ihrem Grundsatzprogramm aus dem Jahr 2007 setzt die CSU noch vergleichsweise zurückhaltend für eine islamische Religionsunterweisung in der Schule in deutscher Sprache ein, die anhand staatlich genehmigter Lehrpläne und durch in Deutschland staatlich ausgebildete Lehrkräfte erteilt werde. „Religiöse Unterweisung muss auf der Grundlage der Werte des Grundgesetzes und der bayerischen Verfassung stattfinden“, heißt es dort.

Im Zuge der Flüchtlingskrise intoniert die CSU das Thema inzwischen aber deutlich schärfer. So warnte der CSU-Politiker Markus Söder kürzlich in einem Gastbeitrag für „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vor einem aus seiner Sicht falschen Islamverständnis. „Sicher: Viele Menschen islamischen Glaubens leben in Deutschland und gehören zu unserer Gesellschaft“, schreibt der bayerische Heimat- und Finanzminister. „Aber der Islam gehört - anders als Christentum und Judentum - nicht zum Fundament unserer Kultur“, so Söder unter Anspielung auf ein Zitat von Christian Wulff.

Der frühere Bundespräsident hatte 2010 gesagt, Christen- und Judentum seien „zweifelsfrei“ Bestandteil der deutschen Kultur. „Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.“ Die Äußerung löste heftige Debatten aus.

Der CSU-Landtagsabgeordnete Martin Schöffel forderte für Deutschland sogar ein Islamgesetz nach österreichischem Vorbild. „Dort sind wichtige Dinge vorgeschrieben, etwa dass Imame Deutsch können müssen und keine dubiosen Finanzierungen aus dem Ausland bei Moscheebauten erlaubt sind. Nachdem die Kultuspolitik Länderhoheit ist, kann Bayern hier einen Anfang setzen“, erklärte das Mitglied der Grundsatzprogramm-Kommission kürzlich bei einer Veranstaltung des CSU-Kreisverbands Wunsiedel.

Unmissverständlich bringt die AfD ihre Haltung zur Religion der Muslime zum Ausdruck: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“, heißt es im Parteiprogramm-Entwurf. Wie der CSU-Politiker Schöffel strebt auch die AfD an, die Auslandsfinanzierung von Moscheen zu beenden. „Die Finanzierung des Baus und Betriebs von Moscheen durch islamische Staaten oder ausländische Geldgeber bzw. ihre Mittelsmänner soll unterbunden werden“, schreibt die AfD und fügt zur Begründung hinzu, dass die „wachsende Einflussnahme des islamischen Auslands“ mit dem freiheitlichen Verfassungsstaat und der Integration von hier lebenden Muslimen „nicht vereinbar“ sei.

Die AfD verlangt außerdem, verfassungsfeindlichen Vereinen den Bau und Betrieb von Moscheen zu untersagen, weil sie befürchtet, „dass die dort verbreitete Lehre gegen das Grundgesetz und unsere Rechtsordnung verstößt und zu politisch‐religiöser Radikalisierung führt“.

Die AfD fordert überdies, dass Imame in deutscher Sprache an deutschen Universitäten ausgebildet werden, denn von aus dem islamischen Ausland entsandten Imamen, so ihre Annahme, gehe die „Gefahr rechts‐ und verfassungswidriger Indoktrination der Moscheebesucher“ aus. Auch das Minarett ist der AfD ein Dorn im Auge. Sie sieht darin ein „islamisches Herrschaftssymbol“, das sie ebenso ablehnt wie den Muezzinruf. „Minarett und Muezzinruf stehen im Widerspruch zu einem tolerant en Nebeneinander der Religionen, das die christlichen Kirchen in der Moderne praktizieren“, heißt es im AfD-Programmentwurf.

In der AfD wird derzeit sogar diskutiert, den Bau und Betrieb von Moscheen in Deutschland generell zu untersagen. Einen entsprechenden Vorschlag für das zu verabschiedende Parteiprogramm hatte der AfD-Bezirksverband Niederbayern vorgelegt. Damit ging der Bezirksverband über den Entwurf der offiziellen AfD-Programm-Kommission hinaus. An der Ausarbeitung des Vorschlags sollen sich auch Mitglieder des rechtsnationalen Parteiflügels beteiligt haben. Die AfD-Mitglieder können Änderungsanträge für den Parteitag noch bis zum 8. April stellen.


Innere Sicherheit: CSU und AfD für mehr Polizei


In ihrem Programm-Entwurf fordert die AfD einen „sicherheitspolitischen Befreiungsschlag, um den Schutz der Bürger an erste Stelle zu setzen“. Ihre Ideen dazu bleiben aber vage. So ist es wenig überraschend, dass die die Partei einen „deutlichen Personalabbau“ bei der Polizei beklagt und ankündigt, die Stellenpläne „im erforderlichen Maß aufzustocken und die Ausrüstung auf den modernsten Stand zu bringen“.

Beim Thema Strafjustiz wird die AfD konkreter: Das Strafmündigkeitsalter will sie demnach auf zwölf Jahre senken. Derzeit liegt das Alter bei 14 Jahren, da der Gesetzgeber davon ausgeht, dass Kinder vorher ihre Handlungen nicht voll überblicken können. Untersuchungshaft soll auch ohne Beweise schon dann möglich sein, wenn dringender Tatverdacht besteht.

In ihrem aktuellen Parteiprogramm reklamiert die CSU für sich, „die Partei der Inneren Sicherheit“ zu sein. Mit Sätzen wie „Wir akzeptieren keine rechtsfreien Räume und Stadtviertel, die von Polizei und Behörden aufgegeben werden“ betont die CSU, dass sie sich den Problemen stellen will. Sie verspricht: „Wir stärken der Polizei den Rücken.“ Polizei und Justiz müssten alle notwendigen und modernen Instrumente zur wirksamen Verbrechensbekämpfung erhalten. „Vergehen und Verbrechen dürfen sich nicht lohnen.

In Bayern hat die CSU denn auch schon Nägel mit Köpfen gemacht. Innenminister Joachim Herrmann wies jüngst darauf hin, dass die bayerische Polizei aktuell so viel Personal wie nie zuvor habe. Zusammen mit den im Dezember 2015 beschlossenen 925 zusätzlichen Stellen seien das 2016 insgesamt knapp 41.500 Stellen, rund zehn Prozent mehr als noch 2007. „Diese Stärkung der Polizei ist deutschlandweit absolut einmalig und sucht ihresgleichen“, sagte der Innenminister.


Zuwanderung: CSU setzt auf Obergrenze, AfD auf Grenzschließungen


In der Zuwanderungsfrage wirken die Ideen der CSU aus dem Jahr 2007 so, als wären sie erst in diesem Tagen formuliert worden. Zwar ist in dem aktuellen Programm nicht von einer „Obergrenze für Flüchtlinge“ die Rede, wie diese angesichts des Migrantenzustroms nach Deutschland von Parteichef Seehofer schon mehrfach ins Spiel gebracht wurde. Dort ist allerdings davon die Rede, dass „die Integrationsfähigkeit unseres Volkes“ Grenzen habe. „Keine Gemeinschaft kann Menschen anderer kultureller Prägung in beliebiger Zahl integrieren.“

Die CSU befürwortet demnach, das „tatsächlich politisch Verfolgte“ einen Anspruch auf Asyl hätten. Gleichzeitig will sie sich dafür einsetzen, „den Personenkreis und den Umfang der Zuwanderung entsprechend den Interessen unseres Landes und der gesellschaftlichen Situation zu begrenzen und zu steuern“. Deutschland müsse für Spitzenkräfte zugänglich sein, heißt es im aktuellen Programm. „Wir wollen aber keine Zuwanderung, die unsere Sozialsysteme einseitig belastet.“

Geändert hat sich der Blick der CSU auf das Thema durch die Flüchtlingskrise. Auf einem Parteitag im November vergangenen Jahres beschlossen die Delegierten einstimmig den Leitantrag des Parteivorstands, der eine nationale Begrenzung der Flüchtlingszahl in diesem Jahr verlangt. Deutschland müsse ein Signal aussenden, dass die „Kapazitätsgrenzen bereits erreicht“ seien. Deshalb solle Deutschland „ein Kontingent für Bürgerkriegsflüchtlinge entsprechend seiner leistbaren Kapazitäten festlegen“.

Die AfD trommelt lauter in der Flüchtlingsfrage und spricht von einem „Paradigmenwechsel“, der in der „Asylzuwanderung“ notwendig sei. Sie begründet dies unter anderem damit, dass Europa von einer „Völkerwanderung historischen Ausmaßes“ herausgefordert werde. „Das Asylrecht“, schreibt die Partei in ihrem offiziellen Programmentwurf, „darf nicht länger als ein Vehikel der Masseneinwanderung missbraucht werden.“

Daher fordert sie eine „vollständige Schließung“ der EU‐Außengrenzen. Menschen, die aus politischen oder anderen Gründen auf der Flucht sind, sollen stattdessen „Anträge auf Schutz“ in sogenannten Asylzentren in sicheren Staaten stellen können. Erst nach Anerkennung eines „Schutzgrundes“ werde ihnen die sichere Reise nach Deutschland ermöglicht.

Wie die CSU will auch die AfD eine Zuwanderung in die Sozialsysteme verhindern. „Der wichtigste (Fehl‐)Anreiz, über das Asylrecht in das deutsche Sozialsystem einzuwandern, ist bereits seit Jahrzehnten die fehlende Durchsetzung der Ausreisepflicht gegenüber Ausländern, die unter keinem Gesichtspunkt bleibeberechtigt sind“, kritisiert die Partei und kündigt an: Die AfD will diese Missachtung des Rechtsstaats beenden.“


Bundeswehr: CSU setzt Wehrpflicht aus, AfD will Wiedereinfhrung

Beim Thema Bundeswehr wäre die CSU fast mit der AfD auf einer Linie, wenn ihr Programm in dieser Hinsicht nicht schon längst von der Wirklichkeit eingeholt worden wäre. Die seit Juli 1956 geltende Wehrpflicht wurde zum 1. Juli 2011 ausgesetzt – auf Betreiben des damaligen CSU-Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg. Dabei hatte die CSU vier Jahr zuvor in ihrem Programm dieses Instrument noch als „von zentraler Bedeutung für unsere nationale Sicherheitsvorsorge“ bezeichnet.

„Angesichts der vielfältigen Gefahren für unsere Sicherheit und aus Gründen der Gerechtigkeit gegenüber der jungen Generation strebt die CSU eine Ausdehnung der Allgemeinen Wehrpflicht zu einer sicherheitspolitisch begründeten Dienstpflicht für Männer, die den Dienst auch im Zivil- und Katastrophenschutz ermöglicht, sowie eine bessere Anrechnung von Freiwilligendiensten an“, heißt es noch im aktuellen CSU-Programm.

Trotz Aussetzungsbeschluss blieb die Wehrpflicht aber im Grundgesetz verankert und kann mit einfacher Mehrheit in Bundestag und Bundesrat wieder eingeführt werden.

Die AfD fordert denn auch die Rückkehr zur Allgemeinen Wehrpflicht. Sie verspricht sich davon, dass sich die Bevölkerung mit „ihren Soldaten” und „ihrer Bundeswehr” identifiziere, sich das „Bewusstsein für die wehrhafte Demokratie“ wiederbelebe, Nachwuchs aus allen Gesellschaftsschichten gewonnen und damit eine „intelligentere Armee“ möglich werde und schließlich dass ein „breites Potential an Reservedienstleistenden“ entstehe. „Deshalb tritt die AfD dafür ein, für alle männlichen deutschen Staatsbürger im Alter zwischen 18 und 28 Jahren den Grundwehrdienst wieder einzusetzen.“

Die Dauer des Wehrdienstes will die Partei von der Sicherheitslage abhängig machen. Den Wehrdienstleistenden solle eine „gründliche, kriegs‐ und einsatzorientierte Ausbildung“ ermöglicht werden. Kriegsdienstverweigerern will die AfD einen Wehrersatzdienst ermöglichen.


Soziale Marktwirtschaft: CSU für Modernisierung, AfD für Bewahrung


CSU und AfD bekennen sich zum Vater der sozialen Marktwirtschaft, Ludwig Erhard – mit dem Unterschied, dass Erhards Ideen in der Wirklichkeit der Rechtspopulisten deutlich nationale Züge tragen, während die CSU mit ihrem neuen Grundsatzprogramm die Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung grundlegend modernisieren will.

Dazu strebe die CSU eine Ordnung an, „die unsere offene Gesellschaft sowie unsere soziale Marktwirtschaft zukunftsfähig macht, und uns erlaubt, in der digitalen Welt Prinzipien wie fairen Wettbewerb und Ausgleich zur Geltung zu bringen“, sagte CSU-Grundsatzkommissions-Chef Blume dem Handelsblatt. Die klassische Umverteilungspolitik sei gescheitert. Wir wollen die Menschen nicht mit Geld ruhigstellen, sondern befähigen mitzukommen“, sagte Blume.

Dies sei zentral, um „die Akzeptanz in unsere Wirtschaftsordnung wieder zu erhöhen und auf ein neues Wirtschaftswunder hinzuarbeiten. Uns geht es um eine Art Ludwig Erhard 2.0“, sagte Blume. Dazu gehöre eine faire Besteuerung sowie Fairness am Arbeitsplatz, etwa bei der Entlohnung. Und es gehe darum, fairen Wettbewerb zu schaffen. Monopole wie Google oder Facebook seien „Gift für die Marktwirtschaft und letztlich auch für eine freie Gesellschaft“

Für die AfD stellt die „größte Hypothek für das Funktionieren der Sozialen Marktwirtschaft“ die Euro‐Rettungspolitik der Staaten des Euro‐Währungsverbundes und die „Manipulation der Geldpolitik“ durch die Europäische Zentralbank dar. „Hier werden grundlegende Marktmechanismen wie der Zusammenhang von Sparen und Investieren ausgehebelt, Haftungsgrundsätze verletzt und das Verhältnis von Schuldnern und Gläubigern einseitig verzerrt“, schreibt die Partei in ihrem Programm-Entwurf.

Der Kritik folgen schwammig formulierte Konsequenzen. So will die AfD „aus Sorge um unser Geld“ darüber nachdenken, „ob grundsätzlichere Reformen am Geldsystem mit seinem Kartell aus Zentral‐ und Geschäftsbanken zur Schöpfung von Kreditgeld notwendig sind“. Oder die Partei verspricht, quasi Unmögliches möglich machen zu wollen. „Wir fordern, das Experiment Euro geordnet zu beenden“, erklärt sie. Und sie fügt hinzu: „„Sollte sich der Bundestag dieser Forderung nicht anschließen, muss über den Verbleib Deutschlands im Währungsverbund eine Volksabstimmung durchgeführt werden.“


Großer Rückhalt für die CSU in Bayern

Dass die CSU mit ihrer Politik so falsch nicht liegen kann, zeigt eine kürzlich veröffentlichte, repräsentative Umfrage des Hamburger Instituts GMS im Auftrag des Fernsehsenders Sat.1 Bayern. Die CSU käme demnach auf 48 Prozent und würde damit ihre absolute Mehrheit in Bayern behalten. Die SPD müsste sich laut Umfrageergebnis mit 16 Prozent zufriedengeben, die Grünen kämen auf 11 Prozent.

Die Freien Wähler und die FDP würden jeweils 5 Prozent erzielen. Die rechtspopulistische AfD erreicht neun Prozent. Im Gegensatz zu den jüngsten Wahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt würde die AfD in Bayern also kein zweistelliges Ergebnis erzielen können.

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sieht in der Umfrage eine „deutliche Bestätigung“ für den Kurs seiner Partei. Und Thomas Kreuzer, Vorsitzender CSU-Fraktion im bayerischen Landtag, meinte: „Weil die Menschen sehen, dass wir auch für schwierige Probleme wie die aktuelle Flüchtlingskrise Lösungen anbieten und an ihrer Durchsetzung arbeiten, gelingt es uns besser als der CDU in anderen Ländern das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen.“ Deshalb fänden auch populistische Parteien wie die AfD gerade bei den CSU-Anhängern weniger Anklang, „weil kein Grund für eine Protestwahl besteht“.

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