Die Gläubigen
Wenn es um sein Seelenheil geht, so das Credo der Freiheitsfreunde, weiß der Einzelne am besten, was ihm frommt. Ein liberaler Verfassungsstaat schützt daher die Glaubensfreiheit – auch als ein Menschenrecht auf Irrtum. Kein Wunder, dass sich die Kirchen schwertun mit der Toleranz gegenüber abweichenden Meinungen. Ihre Wahrheit gilt ihnen im Zweifel mehr als die Freiheit.
So wurden die Menschenrechte, wie der Theologe Friedrich Wilhelm Graf sagt, noch bis in die Fünfzigerjahre von beiden großen Kirchen in Deutschland als "liberalistische Verirrung" verstanden.
Freiheit durch Autoritäten
Dieser ökumenische Antiliberalismus klingt noch heute nach: Im „linken“ Protestantismus durch die Emotionalisierung der Politik, die den Unterschied zwischen Moral und Religion einebnet, im "rechten" Katholizismus durch die Forderung nach Begrenzung individueller Freiheit, die sich den gottgegebenen sittlichen Werten zu beugen hat. In den Augen der römisch-katholischen Kirche ist der einzelne Christ hingeordnet auf die Gemeinschaft der Gläubigen.
Den modernen Individualismus beschreibt Papst Benedikt XVI. mit einer seiner Lieblingsformeln als "Diktatur des Relativismus". Wahre Freiheit bedürfe der Bindung an Autoritäten: an Ehe, Familie, Staat – und Kirche. Zum Erbe des Liberalismus gehört indessen die Einsicht, dass religiöse Akteure keine Privilegien in Sachen Wahrheit beanspruchen können. Vor der Verfassung sind alle gleich frei, fromme Christen wie liberale Atheisten.
Der Dogmatischste: Papst Benedikt XVI.
Die Moralisierendste: Margot Käßmann