Lieferkettengesetz „Wenn jemand das Gesetz nicht befolgen will, werden wir hart durchgreifen“

Quelle: imago images

Das neue Lieferkettengesetz ist für viele Unternehmen gerade jetzt eine Zumutung. Chefkontrolleur und Bafa-Präsident Torsten Safarik bemüht sich im Interview um Beruhigung und will die Belastungen für Firmen verringern.

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WirtschaftsWoche: Ab dem Beginn des nächsten Jahres gilt für die großen deutschen Unternehmen das neue Lieferkettengesetz – ein Bürokratieberg, sagen die Kritiker. Dabei haben die Firmen gerade genug Probleme mit Energie, Inflation, fehlenden Fachkräften. Jetzt also noch die Berichte für das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa), bei dem Sie der Präsident sind. Muss das sein?
Torsten Safarik: Ich habe mit einer ganzen Reihe von Unternehmen gesprochen und war teilweise sehr positiv überrascht, wie weit sie schon sind. Aber nicht alle haben sich damit so beschäftigt, wie man sich das wünscht. Und deshalb hat die letzte Bundesregierung das Gesetz verabschiedet. Wir als Behörde setzen es um. Mir ist klar, dass die Berichtspflichten für Unternehmen eine Belastung sind. Unser Ziel ist es aber, diese Belastung so gering zu halten wie möglich.

Wie wollen Sie das schaffen?
Wir wollen schlanke Verfahren und geringe Kosten für die Unternehmen. Dass wir Aufgaben effizient umsetzen können, haben wir zum Beispiel bei der Ausfuhrkontrolle und der Prüfung von Gebäudesanierungen gezeigt. Für die meisten Anträge haben wir Online-Portale eingeführt, das läuft alles elektronisch. Außerdem diskutieren wir mit den Verbänden und Unternehmen über Schnittstellen, damit bestimmte Daten automatisch eingehen. Die Reaktionen sind unterschiedlich, deshalb müssen wir schauen, ob das funktioniert.

Ihre Behörde soll die Firmen in wenigen Wochen kontrollieren. Von außen hat man aber in den vergangenen Monaten nicht den Eindruck gehabt, als ob das schon zu Beginn klappt. Täuscht der Eindruck?
Natürlich ist die neue Aufgabe auch für uns eine Herausforderung. Zeitlich ist das schon knapp. Wir mussten warten, bis die neue Bundesregierung nach den Bundestagswahlen den Haushalt aufstellt. Der regelt auch unser Budget und gibt Mittel für Räume und Mitarbeiter frei. Was ich aber sagen kann, ist: Zum 1. Januar 2023 werden wir voll arbeitsfähig sein.

Der Mathematiker Torsten Safarik ist seit Juni 2019 Präsident des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, kurz Bafa. Quelle: PR

Zur Person

Was passiert intern gerade? Wie stellt sich das Bafa auf?
Wir haben schon in Borna bei Leipzig eine Immobilie angemietet und planen im Dezember die Eröffnung. Der neue Standort ist Teil der Strukturstärkung in den neuen Bundesländern. Dank des Bunds entstehen jetzt dort neue hochwertige Arbeitsplätze.
Finden Sie ausreichend Personal?
Wir sind mitten in der Rekrutierung, die erste Managementebene ist im Zulauf, wie man sagt. 57 Stellen sind vom Bundeshaushalt genehmigt, die werden wir auch bis zum Jahresende besetzen. Für das nächste Jahr haben wir zusätzliches Personal beantragt. Das werden wir auch bekommen, davon gehe ich aus.

Die Verbände und Unternehmen kritisierten, dass sie kaum Anhaltspunkte haben, wie sie berichten sollen. Vor kurzem hat Ihre Behörde nun Handreichungen und FAQs veröffentlicht. Reicht das?
Die Handreichungen sollen zeigen, wie Berichtspflichten oder ein Beschwerdemechanismus aussehen sollen. Bereits veröffentlicht ist die Handreichung zur Risikoanalyse – das Kernstück des Ganzen. Die Dokumente sind verständlich geschrieben und kommen sehr gut an. Wir werden in den nächsten Wochen noch weitere Hilfen veröffentlichen und sind für die Unternehmen ansprechbar. Das ganze Thema ist uns im Bafa sehr wichtig. Das sieht man daran, dass die Referatsleiter im mittleren Management mir direkt berichten. Der Aufbau ist also Chefsache.

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Bei vielen Firmen herrscht dennoch eine große Unsicherheit, ob und wie sie den Anforderungen gerecht werden können. Was sagen Sie denen?
Wichtig ist die so genannte Bemühenspflicht. Wenn ein Unternehmen sich bemüht, das Gesetz einzuhalten, dann sind wir deren Partner. Es ist auch menschlich, am Anfang Fehler zu machen und wenn man versucht, daraus zu lernen, werden wir auch nicht mit der Bußgeldkeule kommen. Es bringt doch wenig, Unternehmen in Deutschland mit Hürden zu belasten, damit sie Nachteile auf den Weltmärkten erringen. Das hätte ja nur zur Folge, dass Unternehmen aus Ländern in die Lücke stoßen, in denen die Menschenrechte teilweise mit Füßen getreten werden. Damit würden wir dem Thema einen Bärendienst erweisen.

Dann können sich die Abteilungsleiter ja zurücklehnen.
Wenn jemand das Gesetz nicht befolgen will oder irgendwelche Ausflüchte wählt, dann werden wir hart durchgreifen. Im Gesetz sind viele Rechtsbegriffe bewusst unbestimmt, was einige Unternehmen bedauern. Aber für uns ist es die Möglichkeit, mit Augenmaß zu entscheiden, ob die Bemühungen angemessen sind. Ein Unternehmen mit 3000 Beschäftigten kann natürlich nicht das Gleiche leisten, wie beispielsweise ein Konzern mit 100.000 Beschäftigten.

Unternehmen wie ZF beschäftigen ganze Abteilungen, die Lieferketten auf Gefahren prüfen. Für kleine und mittelständische Firmen werden die neuen Auflagen zum Kraftakt. Das können Unternehmen trotzdem tun.
von Artur Lebedew

Betroffen sind auch kleinere Mittelständler, weil die Großen die Anforderungen an sie weiterleiten. Ist das im Sinne der Regel?
Wir als Bafa werden nur von jenen eine Berichtspflicht einfordern, die im Gesetz verankert sind. Aber wenn ich mich in die Rolle eines Mittelständlers versetze, würde ich nicht schauen, dass ich das deutsche Recht gerade so erfülle. Ein bisschen mehr zu machen kann auch dem eigenen Vorteil dienen, weil immer mehr Verbraucher ein höheres Engagement beim Thema Menschenrechte wünschen. Wenn wir außerdem in Richtung Brüssel schauen, sehen wir, dass weitere Gesetze kommen, bei denen weniger zwischen mittelbaren und unmittelbaren Zulieferern unterschieden wird. Das heißt, als Unternehmer würde ich mir die Frage stellen, ob es nicht besser wäre, wenn ich mich schon jetzt auf die Anforderungen vorbereite.

Wie sind die Mittelständler aus ihrer Sicht vorbereitet?
Da bin ich mit einer allgemeinen Antwort vorsichtig, weil ich vermehrt mit den Großen zu tun habe. Ein kleiner Handwerksbetrieb mit zehn Beschäftigten hat natürlich nicht die Möglichkeit, eine Person nur für die Berichtspflicht abzustellen. Wenn es eine Erweiterung der Regelung oder auch neue Anforderungen von der Europäischen Union geben wird, werden wir als Bafa die Unternehmen anders unterstützen und zum Beispiel deutlich weiterreichende Handreichungen zur Verfügung stellen.
Können Sie erläutern, wie die Prüfungen ablaufen?
Auf die Details der Prüfung möchte ich nicht eingehen. Das Finanzamt sagt auch nicht, wie sie die Prüfung durchführen.

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Vielen Unternehmen ist unklar, wie Sie Risikoländer und Risikoregionen wie etwa in China, wo keine unabhängigen Kontrollen möglich sind, richtig einschätzen wollen.
Das ist eine Herausforderung, klar. Wir werden bei der Risikobeurteilung auf verschiedene Quellen und Datenbanken zurückgreifen. Daneben stehen wir mit dem Auswärtigen Amt in Kontakt, um Informationen und Einschätzungen zu erhalten. Was klar ist: Wir verlangen nichts Unmögliches von den Unternehmen. Es geht bei den Prüfungen nicht darum, unsere moralischen und ethischen Vorstellungen in die Welt zu exportieren. Ich bin überzeugt, dass wir auf diesem Weg der Einhaltung von Menschenrechten und internationalen Standards in Lieferketten ein gutes Stück vorankommen.

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Welchen Tipp können Sie Firmen mitgeben, um sich auf das neue Lieferkettengesetz vorzubereiten?
Beschäftigen Sie sich mit dem Thema Menschenrechte! Und beschäftigen Sie sich damit, wie man als Unternehmen diese verbessern kann. Lesen Sie auch intensiv unsere Handreichungen und Fragebögen. Die einen Anforderungen betreffen die Administration, das Andere aber ist die menschliche Seite. Als Unternehmer hat man unabhängig vom Gesetz eine ethische Verantwortung.

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