Lieferstopp von Johnson & Johnson Immunologe fordert deutschen Impf-Alleingang

Johnson & Johnson verschiebt seinen Impfstofflieferungen nach Europa. Quelle: REUTERS

Der Lieferstopp des Impfstoffs von Johnson & Johnson könnte zur nächsten Gefahr für die deutsche Impfkampagne werden. Immunologe Carsten Watzl spricht sich nun für einen deutschen Alleingang ohne die EU aus.

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Nach dem Stopp der Impfungen von Johnson & Johnson (J&J) in den USA fordern deutsche Immunologen von der Bundesregierung eine schnelle Nachbestellungen von mRNA-Impfstoffen – notfalls im nationalen Alleingang. „Wenn es sich bewahrheitet, dass die Nebenwirkungen ähnlich häufig sind, wäre die Konsequenz, dass wir in Deutschland auch den Impfstoff von J&J ebenso wie AstraZeneca nicht für die unter 60-Jährigen verwenden sollten“, sagt der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Carsten Watzl, der Zeitung „Augsburger Allgemeinen“. Hirnvenenthrombosen scheinen seiner Ansicht nach eine generelle Nebenwirkung der Vektorimpfstoffe zu sein.

Für die Impfung der unter 60-Jährigen stehe jedoch bis Herbst nicht ausreichend mRNA-Impfstoff zur Verfügung, was mangels Herdenimmunität eine vierte Pandemie-Welle auslösen könnte. Deswegen müsse die Bundesregierung sowohl mit Biontech als auch mit Curevac in neue Verhandlungen treten und mehr Impfdosen für Deutschland sichern. „Deutschland sollte hier einen Alleingang wagen, da es über die EU zu lange dauert und jetzt viele andere Länder ähnlich aktiv werden.“

Johnson & Johnson verschob wegen US-Ermittlungen zu seltenen Blutgerinnseln nach einer Impfung mit seinem Impfstoff gegen das Coronavirus die Lieferungen in Europa. „Wir haben diese Fälle mit europäischen Gesundheitsbehörden geprüft“, teilte das Unternehmen am Dienstag mit. „Wir haben die Entscheidung getroffen, proaktiv die Einführung unseres Impfstoffs in Europa zu verschieben.“ Hunderttausende Dosen des Impfstoffs hätten in den kommenden Wochen nach Europa geliefert werden sollen. Zuvor hatten Aufsichtsbehörden in den USA am Dienstag mitgeteilt, sie würden einen Stopp bei der Verabreichung des Impfstoffs empfehlen.



Für die Bundesrepublik kommt der Lieferstopp zu Unzeiten. Das Mittel von Johnson & Johnson hätte der seit Monaten stockenden Impfkampagne auf die Sprünge helfen können. Es klingt nämlich nach der perfekten Lösung: Nur eine Impfung ist nötig, um einen Menschen gegen das Coronavirus zu immunisieren – die zweite Spritze kann entfallen. Bei den Impfstoffen von Biontech, Moderna und AstraZeneca sind dagegen zwei Dosen nötig. Auf die perfekt anmutende Lösung müssen Europa und Deutschland nun erstmal warten. Das ist besonders bedrohlich für den Impffortschritt, da mit AstraZeneca ein anderer Impfstoffhersteller gerade von einem Debakel ins nächste rutscht.

Nach Fällen von Hirnvenen-Thrombosen nach einer Impfung mit AstraZeneca hatten Bund und Länder kürzlich beschlossen, dass in der Regel nur noch Menschen über 60 mit AstraZeneca geimpft werden sollen. Experten vermuten, dass das sehr geringe Risiko vor allem jüngere Menschen betrifft. Laut Bundesgesundheitsministerium haben in Deutschland aber bereits rund 2,2 Millionen Menschen unter 60 eine erste Impfung mit dem Präparat erhalten.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach befürchtet wegen des Stopps für das Corona-Vakzin des US-Pharmakonzerns Johnson & Johnson keinen nachhaltigen Schaden für die Impfkampagne in Deutschland. „Das ist zunächst ein Rückschlag, aber ich glaube nicht, dass es ein permanenter Rückschlag ist“, sagt Lauterbach im Deutschlandfunk. Die in den USA nach Impfungen aufgetretenen Thrombose-Fälle seien nach den Fällen bei dem ähnlichen Impfstoff von AstraZeneca zu erwarten gewesen. Er gehe davon aus, dass die Komplikation so rar sei, dass der Impfstoff nach einiger Zeit wieder in den USA verimpft und der Impfstart dann auch in Europa beginnen werde. Sicherlich sei dann darüber nachzudenken, den Impfstoff spezifisch bei den über 60-Jährigen einzusetzen.

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Etwas Hoffnung machen Ankündigungen des US-Herstellers Moderna, der wie Biontech und Pfizer auch einen mRNA-Impfstoff entwickelt hat. „Wir wollen in diesem Jahr 80 Millionen Impfstoff-Dosen nach Deutschland liefern“, erklärte Dan Staner, Europa-Chef des US-Konzerns, jüngst gegenüber der WirtschaftsWoche. Im ersten Quartal hat Moderna 1,8 Millionen Dosen nach Deutschland geliefert, im zweiten Quartal will Moderna laut Staner etwa sechs Millionen liefern.

Und auch vom Tübinger Hersteller Curevac kamen am vergangenen Wochenende gute Nachrichten. Das Unternehmen hält eine europäische Zulassung seines Corona-Impfstoffes angesichts von Fortschritten in den erforderlichen Studien noch im Mai oder Juni für möglich. „Wir sind bereits sehr fortgeschritten in der dritten klinischen Testphase und erwarten die Daten für das finale Zulassungspaket“, sagte Curevac-Sprecher Thorsten Schüller der „Augsburger Allgemeinen“. Die Virus-Varianten hätten die Komplexität für die laufende klinische Studie drei erhöht. Curevac plane weiter mit der Produktion von bis zu 300 Millionen Impfdosen in diesem Jahr. Auch Bayer werde den mRNA-Impfstoff produzieren.

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