LobbyControl Großspenden nehmen im Wahljahr zu - Grüne und FDP profitieren

Wer wird bei der Bundestagswahl im September das Rennen machen? Das hängt auch maßgeblich mit einer erfolgreichen Kampagne zusammen, Großspenden helfen dabei zusätzlich.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Wie LobbyControl errechnet hat, profitieren vor allem Grüne und FDP von Großspenden im Wahlkampfjahr. Quelle: dpa

Die führenden Parteien bekommen angesichts der offenen Konstellation bei der Bundestagswahl mehr Großspenden als im Wahlkampf vor vier Jahren. Dabei profitieren vor allem die Grünen und die FDP, wie aus Daten des Vereins LobbyControl hervorgeht, die der Nachrichtenagentur Reuters vorliegen. Demnach stieg das Volumen der Großspenden ab 50.000 Euro auf bislang gut 5,8 Millionen Euro in diesem Jahr von 4,8 Millionen vor vier Jahren. „Da werden sehr große Portemonnaies sehr weit aufgemacht“, sagt LobbyControl-Campaignerin Annette Sawatzki.

Auffällig sei auch, dass die SPD bislang gar keine Großspende erhalten habe. „Das heißt nicht, dass sie keine Spenden bekommen, aber das ist schon ungewöhnlich.“ Auch die AfD taucht in der Bundestags-Liste der Großspenden nicht auf.

Zuwendungen an Parteien von über 50.000 Euro müssen nach dem Gesetz umgehend der Bundestagsverwaltung gemeldet werden, LobbyControl basiert seine Berechnungen auf den Daten des Parlaments. Demnach konnten die Grünen bei Großspenden im Vergleich zu 2017 am meisten zulegen. Ihr Anteil am Gesamtvolumen stieg demnach auf gut 29 Prozent von nur gut drei Prozent vor vier Jahren. Darin enthalten ist die Spende von einer Million Euro des Bitcoin-Millionärs Moritz Schmidt.

Die FDP legt auf 42 von 32 Prozent 2017 zu. Der Anteil der Union stürzt dagegen auf 24 von 61 Prozent vor vier Jahren ab. Damit büßte das schwarz-gelbe Lager von gut 93 Prozent 2017 auf aktuell noch 66 Prozent ein. Verglichen hat LobbyControl jeweils die eingegangenen Großspenden in den Monaten Januar bis Juni.

„Frau Merkel tritt ab, und es ist jetzt verstärkt ein Richtungswahlkampf, welchen Weg Deutschland einschlägt“, analysiert Sawatzki die Zahlen. „Da wird hochgerüstet.“ Dies sieht auch Michael Koß von Transparency International so: „Der Ausgang der Wahl ist offen“, sagt er. Umso erstaunlicher sei, dass die SPD bei Großspenden überhaupt keine Rolle mehr spiele, „das ist schon ein Novum“.

Das Neue: Spender äußern sich jetzt auch öffentlich

2017 lagen die Sozialdemokraten immerhin noch bei einem Anteil von gut drei Prozent. Und auffällig sei, „dass die Grünen jetzt neu dabei sind“. Hier zeige sich ein strategisches Denken der Großspender, die eine Art „Landschaftspflege“ betrieben, also teilweise an die Grünen und zugleich an die FDP spendeten, sagt Koß. Anderen gehe es aber offenbar vor allem darum, „dass gerade jetzt die Grünen zurückgedrängt werden müssen“.

Auffällig ist laut LobbyControl auch, dass viele Spender das Bedürfnis hätten, ihren Beitrag öffentlich zu machen. Sawatzki nennt in diesem Zusammenhang Grünen-Gönner Schmidt, aber auch den Unternehmer Georg Kofler, der 750.000 Euro an die FDP spendete, oder den Investor Frank Thelen, der mit einer Gruppe von Start-up-Unternehmen 500.000 Euro an die Liberalen überwies. „Eine ganze Reihe von Spendern äußert sich öffentlich“, sagt Sawatzki. „Das war früher eher seltener der Fall.“

„Gesellschaftspolitische Arbeit stärken“

Beobachtet hat LobbyControl auch, dass Großspenden an Parteien zunehmend nicht mehr von Konzernen oder Verbänden kommen, sondern von Einzelpersonen. BMW etwa hat das Verfahren zur Parteienunterstützung bereits 2013 umgestellt. Statt zu spenden setzt der Münchner Autobauer auf Sponsoring etwa von Parteitagen. „Damit will die BMW Group die gesellschaftspolitische Arbeit der Parteien gezielt stärken“, erklärte ein Unternehmenssprecher.

Auch Daimler hat nach eigenen Angaben seit 2019 keine Parteispenden mehr gegeben. „Diese Entscheidung ist unabhängig von politischen sowie wirtschaftlichen Ereignissen gefallen“, erklärte das Unternehmen auf Anfrage. „Seitdem liegt der Schwerpunkt unserer Spenden-Aktivitäten auf den Bereichen Bildung, Kunst und Kultur, Naturschutz und Wissenschaft.“

Spenden von über 10.000 bis 49.999 Euro müssen in Deutschland nicht unmittelbar veröffentlicht werden. Diese Summen müssen die Parteien allerdings in ihren Rechenschaftsberichten angeben, was aber erst zeitversetzt über mehrere Jahre geschieht, wie Sawatzki erläutert. Summen bis 9.999 Euro müssen gar nicht erwähnt werden. In diesem Zusammenhang hatte ein Treffen von CDU-Vize und Gesundheitsminister Jens Spahn im vergangenen Oktober mit Unternehmern für Schlagzeilen gesorgt. Dabei sollen Spenden in Höhe von jeweils 9.999 Euro geflossen sein.

Spendensummen steigen

Im Wahlkampfjahr 2017 nahmen die im Bundestag vertretenen Parteien laut LobbyControl insgesamt über 90 Millionen Euro an Spenden ein, im Wahljahr 2013 waren es 83,1 Millionen. Der Anteil der Spenden an den Gesamteinnahmen der Parteien betrug 2017 demnach gut 18 Prozent, wobei es hier teils deutliche Unterschiede gibt: So finanzierten sich 2017 laut LobbyControl etwa die FDP zu 38 Prozent und die AfD zu 40 Prozent aus Spenden, SPD und Linke dagegen nur zu 8,7 und 8,5 Prozent.

Dass nur Spenden von mehr als 50.000 Euro sofort veröffentlicht werden müssen, ist für Koß von Transparency International ein Unding: „Diese Schwellen sind einfach zu hoch angelegt“, sagt er und mahnt, die Obergrenze für Großspenden von 50.000 auf 10.000 Euro zu senken und die zweite Schwelle von 10.000 auf 2.000 Euro. 

Mehr: Warren Buffett spendet vier Milliarden Dollar: „Die Gesellschaft kann mit meinem Geld etwas anfangen. Ich nicht.“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%