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Lohnpolitik Teurer Nachschlag für den Tarifabschluss im öffentlichen Dienst

Der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst soll auch für andere öffentliche Institutionen und Bundesbeamte gelten. Das kostet über eine Milliarde Euro. Als Folge des Abschlusses werden auch die Gebühren für Müllabfuhr und die Tarife im Nahverkehr steigen.

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Bundesagentur für Arbeit: Die Quelle: AP

"Das ist jetzt nur noch Formsache": Jan Jurczyk, Sprecher der Gewerkschaft Verdi, wähnt den Tarifabschluss im öffentlichen Dienst unter Dach und Fach. An diesem Montag endet eine Mitgliederbefragung zu dem mit den Arbeitgebern ausgehandelten Deal – und Verdi kann eine „hohe Zustimmung“ vermelden. Kein Wunder: Das vor zwei Wochen beschlossene Paket aus höheren Sockelbeträgen, Einmalzahlungen und linearen Tariferhöhungen bringt den Beschäftigten in diesem Jahr rund 5,1 Prozent mehr Geld. 2009 kommen noch mal rund 2,8 Prozent obendrauf. Insgesamt beläuft sich die Tariferhöhung auf rund acht Prozent. Damit schaffte ausgerechnet der öffentliche Dienst den bisher höchsten Abschluss des Jahres.

Der kommt die Steuer- und Beitragszahler teurer als gedacht. Denn was Gewerkschaften und Arbeitgeber in Potsdam für die 1,3 Millionen Tarifbeschäftigten von Bund und Kommunen vereinbarten, soll nun auch auf den sogenannten „mittelbaren“ öffentlichen Dienst mit seinen rund 600.000 Beschäftigten übertragen werden – also unter anderem auf Arbeitsverwaltung, Sozialversicherungen und Deutsche Bundesbank. Formal gibt es zwar – außer in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung – keinen tariflichen Automatismus. Daher beginnen in den kommenden Wochen separate Verhandlungen, etwa für die 98.000 Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit (BA) oder die rund 68.000 Beschäftigten der Deutschen Rentenversicherung (DRV). Verdi ist allerdings zuversichtlich, dass, wie schon in früheren Jahren, „das Tarifergebnis im Wesentlichen übertragen“ wird. Allenfalls „kleine Anpassungen“ seien zu erwarten. Entsprechend teilte die Deutsche Bundesbank auf Anfrage der WirtschaftsWoche mit, sie werde für ihre rund 5600 Tarifbeschäftigten „die relevanten Regelungen aus dem Tarifwerk des Bundes im Wege von Anschlusstarifverträgen“ übernehmen. Bei einem Personaletat von 825 Millionen Euro könnte dies für die Bundesbanker Mehrkosten von über 60 Millionen Euro bedeuten.

„Ich halte es für eine Selbstverständlichkeit, dass auch die Tarifbeschäftigten der Renten- und Arbeitslosenversicherung zeit- und inhaltsgleich vom Tarifabschluss profitieren“, sagt Annelie Buntenbach, Mitglied im geschäftsführenden Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbunds. Sie sei überzeugt, dass „ein solcher Übernahmebeschluss in beiden Sozialversicherungen gefasst wird“. Buntenbachs Wort hat Gewicht: Die 53-Jährige ist alternierende Vorsitzende sowohl des BA-Verwaltungsrats als auch der DRV Bund.

Auch wenn dank guter Konjunktur und höherer Löhne in diesem Jahr die Beitragseinnahmen steigen, droht den Großorganisationen damit ein neues Kostenproblem: Acht Prozent mehr Geld – das würde die Personaletats von BA und DRV künftig mit einem zusätzlichen dreistelligen Millionenbetrag belasten. Die BA etwa gibt für ihre 98.000 Beschäftigten schon jetzt rund 4,2 Milliarden Euro jährlich aus, bei den Rentenversicherungsträgern sind es schätzungsweise über zwei Milliarden Euro.

Wie viele Profitieren

Kostentreibend wirkt zudem, dass Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), Verhandlungsführer des Bundes in der Tarifrunde, dem Beamtenbund zugesagt hat, den Abschluss für die Arbeiter und Angestellten auch auf die rund 315.000 Bundesbeamten zu übertragen. Dadurch steigt die Belastung für den Bundeshaushalt durch den Tarifabschluss von derzeit 1,2 auf rund 1,9 Milliarden Euro bis zum Jahr 2010. Auch den 170.000 Pensionären des Bundes soll laut Bundesinnenministerium (BMI) der Tarifsprung zugutekommen, wenn auch in einem etwas geringeren Umfang. Das BMI arbeitet bereits an entsprechenden Gesetzesvorlagen.

Was in der Debatte um die Folgen des Tarifabschlusses bisher zu kurz kommt, sind auch die Folgen für die Bundesländer: Die Länder sind aus der Tarifgemeinschaft mit Bund und Kommunen ausgeschert und haben mit den Gewerkschaften einen eigenen Entgelttarifvertrag geschlossen, der Ende Dezember ausläuft. Dieser sah für 2008 eine vergleichsweise mickrige Lohnerhöhung von 2,9 Prozent vor. Insider erwarten nun angesichts der weit höheren Tarifsprünge bei Bund und Kommunen eine heftige Nachschlagsdebatte, welche die Länder spätestens 2009 teuer zu stehen kommen dürfte.

Aufatmen kann derweil nur die AOK: Die größte deutsche Krankenkasse hatte ihre Lohnpflöcke wohlweislich schon vor der Tarifrunde bis Ende 2009 eingeschlagen: 2008 gibt es für die Mitarbeiter 3,3 Prozent, im kommenden Jahr dann nur noch 1,3 Prozent mehr.

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