Lothar Probst "Die AfD hat zur Zukunft Europas nicht viel anzubieten"

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"Regionale Unterstützung bedeutet doch längst keine nationale Abschottung!"

Grünes Licht also aus Deutschland für Macrons „Neugründung“?
Neugründung ist ein großes Wort. Ich finde, es geht eher um Weiterentwicklung. Allerdings sind auch dafür grundsätzliche Entscheidungen notwendig, etwa in der europäischen Finanz- und Wirtschaftspolitik. Falls es eine Jamaika-Koalition gibt, wird es da sicherlich Konfliktstoff geben. Aber der ist überwindbar. Grüne und Union sind durchaus einigungsfähig, auch wenn die CSU etwas auf die Bremse tritt. Der schwierigste Partner könnte in dieser Frage die FDP sein. Macrons Angst vor den Liberalen ist trotzdem ziemlich übertrieben.

Auch DIW-Chef Marcel Fratzscher warnt vor einer Renationalisierung der Wirtschaftspolitik…
… was ebenfalls übertrieben ist. Deutschland ist der große Gewinner im internationalen Handel. Das wird auch eine neue Regierung schnell verstehen – und sich entsprechend verhalten. Allerdings profitieren bis vor allem die großen multinational tätigen Unternehmen und deren Beschäftigte von der Globalisierung. Für Handwerker, Kleingewerbetreibende und Dienstleister, die vor allem den nationalen Markt bedienen, fällt weniger ab – ein Problem, das besonders Ostdeutschland betrifft. Diesen kleineren Betrieben wird man mit Stützen unter die Arme greifen müssen, sonst könnte der Frust in manchen Teilen der Bevölkerung noch weiter wachsen.

Also doch nationale Subventionspolitik?
Regionale Unterstützung bedeutet doch längst keine nationale Abschottung! Es geht darum, dass Angela Merkel und die zukünftige Regierung den Bürgern viel besser erklären müssen, warum Deutschland von einem integrierten Europa und einer offenen Handelspolitik profitiert. Und eine proeuropäische Politik muss flankiert werden mit unterstützenden Maßnahmen für alle, die aufgrund ihrer Qualifikation und ihrer begrenzten ökonomischen Möglichkeiten kaum vom Welthandel und der Internationalisierung profitieren können.

In Südeuropa fürchten dennoch viele Länder, dass die Zeiten der europäischen Solidarität bald vorbei sein werden.
Nochmal: Die FDP, die Grünen und auch die Union haben sich historisch immer für das Zusammenwachsen Europas eingesetzt. Wenn diese Parteien nun koalieren, müssen sich die Südeuropäer keine Sorgen machen. Es mag sein, dass existierende Regeln – ohne deutsche Bevormundung – nun wieder stärker durchgesetzt werden, aber das ist vielleicht auch gar nicht so verkehrt.

Macrons neue Integrationsoffensive verkennt, dass der Europäischen Union längst die Luft auszugehen droht. Ist ein "immer mehr" der richtige Weg für die Bürger der EU?
von Ferdinand Knauß

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