Ludwig Erhard "Interventionistischer als viele denken"

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Volker Hentschel zu Ludwig Erhard

Volker Hentschel ist emeritierter Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Mainz und Autor einer - wegen ihrer bisweilen sarkastischen Sprache nicht unumstrittenen - Biografie über Ludwig Erhard. Von Mai 2004 bis August 2005 war er Vizepräsident der Universität Mainz.

„Ludwig Erhard hat in Wahrheit nicht viel dazu beigetragen, das Konzept der sozialen Marktwirtschaft theoretisch zu entwickeln – das übernahm vor allem der Ökonom Alfred Müller-Armack. Erhards Wirkung war eher psychologischer Natur. Er verkörperte mit seiner Person den Aufschwung, mit seine Redefähigkeit und Selbstgewissheit, auch mit seiner Bonhomie. Das hat er exzellent gemacht und eine Aufbruchstimmung in den Köpfen erzeugt. Der Aufbau einer marktwirtschaftlichen Ordnung hätte sicher langsamer gegriffen und wäre mit mehr Knirschen verbunden gewesen als ohne Erhard. 

Erhard hatte ökonomische Einsichten von hoher, aber eher intuitiver Qualität. Er war kein Wissenschaftler und konnte komplizierte Sachverhalte nicht schlüssig und systematisch durchdenken. Die beiden theoretischen Arbeiten in seinem Nachlass sind furchtbar, eine verbale Anhäufung von Konfusion. In diesen Manuskripten zeigt sich eine große Sprunghaftigkeit und eine fehlende Konsequenz des Denkens.

Auf enge Mitarbeiter wirkte Erhard sympathisch. Er war zugänglich, man musste vor ihm keine Scheu haben. Und er war im Grunde ein apolitischer Mensch. Er war nicht in der Lage, Gremien vernünftig zu leiten oder politische Konzepte zu entwickeln. Jeder in der CDU wusste, dass er dem Amts des Bundeskanzlers nicht gewachsen ist. Aber angesichts seiner Beliebtheit in der Bevölkerung kam man schlicht nicht an ihm vorbei.“

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