Luftabwehr Erst informieren, dann Waffen kaufen!

Eine russische Iskander Rakete, wie sie mutmaßlich eine ukrainische Luftabwehrstellung zerstört.  Quelle: IMAGO/ITAR-TASS

Das vom Haushaltsausschuss ins Spiel gebrachte israelische Luftabwehrsystem Arrow 3 ist komplett ungeeignet für Deutschland, genauso wie Israels „Iron Dome“. Ein Kommentar.

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Der Ukrainekrieg zeigt: Eine funktionierende Luftverteidigung ist unverzichtbar, um russische Marschflugkörper und Kampfjets abzuwehren. Immer wieder bringen deutsche Politiker daher das Vorbild Israel ins Spiel, mit seinem „Iron Dome“, zu deutsch eiserne Kuppel. Der Hauptberichterstatter im Haushaltsausschuss für den Verteidigungsetat, Andreas Schwarz (SPD) hatte am Wochenende von einem „deutschlandweiten Raketenschutzschirm“ gesprochen. Konkret gehe es um die Anschaffung des israelischen Systems „Arrow 3“.

Dabei werden jedoch immer wieder Äpfel mit Birnen verglichen. Iron Dome und Arrow 3 sind nicht etwa ein System, sondern zwei völlig verschiedene. Und beide benötigt Deutschland so nicht vorrangig. Abwehrexperten schlagen inzwischen die Hände über dem Kopf zusammen. Tatsächlich muss die Berliner Politik daher dringend zuerst ihre Hausaufgaben machen und sich darüber informieren, wofür welche Waffensysteme überhaupt geeignet sind und wofür nicht. Denn Luftverteidigung ist nicht gleich Luftverteidigung.

Iron Dome wehrt vor allem kleine Artillerie-Raketen ab, die niedrig fliegen, nicht lenkbar sind und mit rund 100 Kilometern eine geringe Reichweite haben. Raketen, die beispielsweise die Hamas aus dem Gazastreifen auf Israel feuert. Arrow 3 dagegen ist etwas komplett anderes, ein Raketenabwehrsystem, das feindliche Flugkörper außerhalb der Erdatmosphäre in mehr als 100 Kilometern Höhe abfängt.

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Sie ist damit vor allem für die Abwehr von strategischen atomaren Interkontinentalraketen geeignet, also Langstrecken-Abschreckungswaffen. Wenn die abheben, wäre wohl ohnehin alles zu spät. Solche Interkontinentalraketen sind eine politische Waffe und zudem weniger eine direkte Bedrohung für Europa als für die USA. Gegen ballistische taktische Flugkörper aus Russland, wie die Iskander und die Kinschal, gilt die Arrow 3 dagegen unter Experten als komplett ungeeignet. Denn diese Waffen kommen nur für ein ganz kurzes Zeitfenster, wenn überhaupt, in eine solche Höhe, wo die Arrow 3 zuschlagen könnte.

Will Deutschland sich vor einem russischen Angriff schützen, braucht es ein anderes Luftverteidigungssystem. Wie die vergangenen Tage in der Ukraine gezeigt haben, setzt Russland zunehmend langreichweitige Lenkflugkörper wie die Iskander und die Kinschal ein, die bis zu 1000 Kilometer zurücklegen, um dann Gebäude, Infrastruktur oder feindliche Stellungen zu zerstören.



Das in der Bundeswehr vorhandene Patriot-System, das mehr als 40 Jahre auf dem Buckel hat, schützt zwar wahrscheinlich ganz gut gegen klassische ballistische Raketen. Sie haben eine parabolische Flugbahn, die Einschlag- und Abfangstelle lässt sich ziemlich gut errechnen. Allerdings schützt sie kaum vor neuartigen steuerbaren Hyperschallwaffen, die in niedriger Flughöhe Strecke machen können. Hier braucht es dringend einen Ersatz durch ein modernes vernetztes System.

Diese Raketen sind extrem schnell und so niedrig unterwegs, dass sie vom Horizont verdeckt werden, das Radar sie erst wenige Sekunden vor dem Einschlag orten kann. Zudem reflektiert etwa die Iskander nur sehr wenig Radarwellen und verfügt über Täuschkörper. Darum muss ein neues Hochleistungsradar her, das mit Daten von Satelliten und Flugzeugen unterstützt wird. Und es braucht intelligente superschnelle steuerbare Lenkflugkörper, die diese steuerbaren russischen Waffen in niedriger Höhe abfangen.

Bevor also Milliardensummen aus dem Sondervermögen nun in eine modernere Luftabwehr gesteckt werden, muss klar sein, dass diese auch wirklich geeignet ist gegen jene russischen Waffen, die deutsche Waffenlager und Militärflughäfen, aber auch zivile Ziele im Kriegsfall zerstören könnten. 

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