Maas kritisiert de Maizière Ohrfeige für den Innenminister

Deutschland braucht neue Vorschriften für den Datenschutz. Doch was der Innenminister liefert, zerreißt der Justizminister in der Luft. Heiko Maas spricht von „gravierenden Rechtslücken“ des Gesetzentwurfes.

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Ein Zwist um neue Datenschutzregeln trifft de Maizière zur Unzeit. Der Innenminister steht angesichts von Flüchtlingskrise, Terrorgefahr und wachsender Kriminalität bereits stark unter Druck. Quelle: Reuters

Berlin Das Schreiben aus dem Hause von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) fällt ein vernichtendes Urteil: Von „gravierenden Regelungslücken“ ist da die Rede. Passagen seien „noch stark diskussionsbedürftig“ und müssten „grundlegend überarbeitet“ werden. Anlass für die Schelte ist der „Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts“ aus dem Bundesinnenministerium von Thomas de Maizière (CDU). Der Entwurf umfasst 80 Seiten – und wird nun von Maas‘ Rechtsexperten in einer 40-seitigen Stellungnahme, die dem Handelsblatt vorliegt, zerpflückt. Das Justizministerium geht demnach davon aus, „dass der Entwurf sowohl inhaltlich als auch strukturell noch erhebliche Änderungen erfahren wird“.

Der Zwist um den Datenschutz trifft Innenminister de Maizière zu einer Zeit, da er mit Flüchtlingskrise, Terrorgefahr und wachsender Kriminalität stark unter Druck steht. Nun droht weiteres Ungemach. Bis zum Mai 2018 muss das Bundesinnenministerium (BMI) die gerade von Brüssel beschlossene EU-Datenschutz-Grundverordnung in deutsches Recht umsetzen. Dann wird das bislang geltende Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ungültig. Zugleich wird auch eine EU-Richtlinie zur Verarbeitung personenbezogener Daten durch Behörden bei der Aufdeckung und Verfolgung von Straftaten wirksam.

Das geplante deutsche Gesetz soll nun regeln, welche Vorschriften für öffentliche Stellen des Bundes und für nicht-öffentliche Stellen beim Datenschutz gelten. Dafür müssen auch die Gesetze für den Bundesverfassungsschutz, den Bundesnachrichtendienst und den Militärischen Abschirmdienst geändert werden. Dabei ist der Zeitplan sehr eng. Noch in dieser Legislaturperiode soll alles unter Dach und Fach gebracht werden.

Das Bundesjustizministerium (BMJV) zog allerdings die Notbremse und stoppte vorerst die weitere Ressortabstimmung und den Versand des Gesetzentwurfs an die Länder und Verbände. „Der Regelungsansatz des BMI führt zu ernsten Zweifeln, wie ein Rechtsanwender mit dem Gesetz arbeiten soll“, heißt es. Konkret stört sich das Ministerium etwa daran, dass oftmals gar nicht klar sei, ob Regelungen für öffentliche oder private Stellen gelten. Kritisch sieht das BMJV, dass es der Wirtschaft künftig erlaubt sein soll, die Daten zu anderen Zwecken zu verwenden als für die sie erhoben wurden. Öffentliche Stellen dürften indes auch Daten unabhängig von ihrer Zuständigkeit verarbeiten, solange nur „irgendein öffentliches Interesse“ vorliege.


Aufnahme ins Wahlprogramm

„Gravierende Regelungslücken“ sieht das Maas-Ministerium bei der Datenverarbeitung durch Polizei und Strafjustiz, etwa was Schadensersatz und Betroffenenrechte anbelange. Tatsächlich könnten Polizei und Justizbehörden ohne Verdachtsfall bestimmte Daten speichern. Die ausgeweiteten Befugnisse für das Bundesamt für Verfassungsschutz und den Bundesnachrichtendienst stoßen ebenfalls auf Bedenken. Insgesamt herrscht die Sorge, dass das Datenschutzniveau in Deutschland erheblich abgemildert würde.

Das Innenministerium wollte sich auf Anfrage nicht zu dem Vorgang äußern. „Einzelne Stellungnahmen, die im Rahmen laufender internen Ressortabstimmungen“ eingingen, würden grundsätzlich nicht kommentiert, hieß es.

Das Behakeln von Innen- und Justizministerium beim Thema Datenschutz hat Tradition. Das zeigte sich in der Vergangenheit etwa bei der Vorratsdatenspeicherung. Die SPD will nun einen neuen Ressortzuschnitt in ihr Wahlprogramm aufnehmen. Sollte es nach der Bundestagswahl zu einer Regierungsbeteiligung kommen, würde das Innenministerium die Zuständigkeit für Datenschutz verlieren. „Bei datenschutzrechtlichen Fragen geht es in der digitalisierten Welt immer mehr um den Schutz der Bürgerrechte und des Verbrauchers.

Beides sind nach unserer Auffassung originäre Bereiche des Justizressorts“, sagte Gerold Reichenbach, Berichterstatter für Datenschutz der SPD-Bundestagsfraktion, dem Handelsblatt. Beim Innenministerium hingegen bestehe ein „zunehmender innerer Interessenkonflikt zwischen dem Schutz der Vertraulichkeit und der Integrität der Daten der Bürger einerseits und dem Aufklärungsinteresse der Sicherheitsbehörden auf der anderen Seite“.

Die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sieht das ähnlich. „Es ist überfällig, dass Datenschutz mit einer klaren Verantwortung im Justizministerium des Bundes verankert wird“, sagte sie dem Handelsblatt. „Datenschutz gehört nicht mit innerer Sicherheit vermengt.“

Datenschutz werde in Deutschland nach wie vor stiefmütterlich behandelt, meint die Ex-Justizministerin. Die politische Frage, wie Datenschutz, Verbraucherschutz und Digitalisierung unter einen Hut gebracht werden können, beantworte die amtierende Bundesregierung nicht. „Zu sehr sind alle beteiligten Ressorts damit befasst, Erbhöfe an Zuständigkeit zu erhalten, statt einen klaren Kurs zu entwickeln“, kritisierte Leutheusser-Schnarrenberger.

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