Dort allerdings muss er sein Meisterstück erst noch abliefern. Anders als IG Metall und Verdi hat die IG BCE bei den Mitgliederzahlen den Turn-around noch nicht geschafft, allein 2013 gingen (netto) 5000 Kunden verloren. Die Gewerkschaft leidet zum einen unter dem Strukturwandel; die Beschäftigtenzahl im Steinkohlebergbau ist seit 1996 von 85 000 auf 16 000 gefallen. Zum anderen ist die IG BCE völlig überaltert. Obwohl jedes Jahr rund 70 Prozent der neuen Azubis einen Mitgliedsantrag unterschreiben, sind weniger als neun Prozent der Mitglieder jünger als 25 Jahre. Die Folge: Es sterben mehr Beitragszahler weg, als neue eintreten. Immerhin: Bei den „arbeitenden“ Mitgliedern in den Betrieben gibt es seit 2011 leichten Zulauf. 2015 will Vassiliadis daher im Haushalt endlich eine schwarze Null präsentieren.
In seiner Organisation ist er ohnehin unangefochten. Bei seiner Wiederwahl im Oktober erhielt er 99,2 Prozent der Stimmen und musste Autogramme geben. Das sei ja ein für westliche Demokratien unübliches Ergebnis, gratulierte ein Konzernchef. Vassiliadis fand das nicht sehr lustig.
Als er die IG BCE übernahm, galt er als Technokrat. „Dieses Bild hat er korrigiert“, sagt ein Vertrauter – auch weil sich der gebürtige Essener die Schnoddrigkeit des Ruhrgebiets bewahrt hat. Er kann einen erfrischenden Sarkasmus entwickeln, etwa wenn er mit spitzbübischem Grinsen einen Spruch über die Kollegen von Verdi raushaut, deren ideologische Weltsicht ihn nervt (und mit deren Chef Bsirske er ständig im Clinch liegt). Vorgänger Schmoldt nannten sie intern den „großen Vorsitzenden“. Vassiliadis heißt bei vielen „Vassi“.
Schwätzchen auch mit den kleinen Funktionären
Vassiliadis nimmt den kleinen Funktionär genauso ernst wie den großen Konzernchef. Bei den Bayer-Betriebsräten in Monheim lauscht er geduldig den Ausführungen des Gesamtjugendvertreters und des Gesamtschwerbehindertenvertreters. Danach hält er frei eine leicht konfuse Rede, in der es um Bildung, Demografie, Mindestlöhne, Zuwanderung, Rente und Energiepreise geht. Am Ende mischt er sich unter die Leute und hält Schwätzchen.
Allerdings darf man das joviale Auftreten nicht missdeuten. Vassiliadis ist kein übermäßig geduldiger Mensch. Er agiert strategisch und fordert viel von den 750 Beschäftigten seiner Organisation. „Ich möchte mit ihm keinen Ärger bekommen“, sagt ein enger Mitarbeiter. Politisch vereinnahmen lässt er sich schon gar nicht: Als vor der Bundestagswahl Peer Steinbrück sondieren ließ, ob Vassiliadis ins Kompetenzteam des SPD-Kanzlerkandidaten eintreten wolle, winkte er sofort ab. Er mag es nicht, auf der Verliererseite zu stehen.
Als er sich beim Rückflug von Madrid spätabends in eine enge Iberia-Maschine quetschen muss, weil die Lufthansa-Piloten streiken, wirkt er müde. Er bestellt ein Bier, lässt seinen Pressesprecher bezahlen und seufzt: „Ein bisschen bekloppt bin ich ja schon.“