Manipulierte Asyl-Entscheidungen Seehofer entschuldigt sich für BAMF-Affäre

Bundesinnenminister Horst Seehofer und der BAMF-Chefin Jutta Cordt traten nach der Sondersitzung des Bundestags-Innenausschusses zur BAMF-Affäre vor die Presse. Quelle: dpa

Die manipulierten Asyl-Entscheidungen erschüttern das Vertrauen in die oberste Flüchtlingsbehörde. Bundesinnenminister Seehofer und BAMF-Präsidentin Cordt haben nun Transparenz in der BAMF-Affäre versprochen.

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Die Aufklärung der Affäre um massenhaft zu Unrecht bewilligte Asylanträge zieht sich weiter hin. Nach einer mehr als fünfstündigen Befragung von Innenminister Horst Seehofer und der Chefin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Jutta Cordt, soll es zeitnah eine weitere Sondersitzung geben, wie die Vorsitzende Andrea Lindholz am Abend mitteilte.

Die Aussagen von Seehofer und BAMF-Präsidentin Cordt im Ausschuss wurden weitgehend als konstruktiv bewertet. Mit Blick auf die Aufklärungsarbeit in ihrer Behörde versicherte Cordt: „Bei mir wird nichts vertuscht.“ Seehofer hat volle Transparenz bei der Aufklärung der Unregelmäßigkeiten im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zugesichert. Zugleich entschuldigte er sich im Namen der Bundesregierung bei der Bevölkerung für die Fehler, insbesondere beim BAMF in Bremen. „Der Vorgang in Bremen ist ein handfester, schlimmer Skandal.“

In einer weiteren Sondersitzung, bei der wahrscheinlich auch Seehofers Vorgänger Thomas de Maizière (CDU) sowie der frühere BAMF-Chef Frank-Jürgen Weise aussagen sollen, soll schon bald stattfinden. Allerdings steht die Liste der zu befragenden Personen noch nicht fest. Darüber werde man sich in Kürze austauschen, sagte Lindholz. Vertreter von CDU und CSU mahnten, der Innenausschuss dürfe nicht zu einem Untersuchungsausschuss durch die Hintertür werden.

FDP und AfD fordern weiterhin einen Untersuchungsausschuss

Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss, für den sich AfD und FDP weiter starkmachen, bleibt aber unwahrscheinlich. Ein solches Gremium, für das 25 Prozent der Abgeordneten stimmen müssten, lehnen nicht nur die Linken ab, sondern auch Grüne, SPD und Union zeigen sich skeptisch. Sie fürchten, dass ein Untersuchungsausschuss den Druck bei der Aufklärung rausnehmen würde.

Der SPD-Innenexperte Burkhard Lischka sagte am Rande der Sitzung, ein Untersuchungsausschuss könne bei der Aufklärung „allenfalls ein Mosaiksteinchen sein“. Auch habe er den Eindruck gewonnen, dass Seehofer wirklich um Aufklärung bemüht sei. Die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg sagte, sie wolle mit Blick auf die Abläufe beim BAMF herausfinden, wer die politische Entscheidungen getroffen habe, etwa dass für die Bearbeitung der Asylanträge die Losung „Schnelligkeit vor Gründlichkeit“ ausgegeben worden sei. Der FDP gehe es aber im Gegensatz zur AfD nicht um eine „Generaluntersuchung“. Die FDP beharrt weiterhin auf der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Nur dieses Gremium gebe dem Parlament das Recht auf Akteneinsicht und Vorladung, sagte der FDP-Vorsitzende Christian Lindner den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. „Nur so lassen sich Transparenz und umfassende Aufklärung erreichen.“ Dies gehe nicht „in immer neuen Sondersitzungen des Innenausschusses“.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Bernd Baumann, unterstrich: „Der Skandal BAMF ist auch ein Skandal Bundesregierung.“ Ein Untersuchungsausschuss müsse alle Aspekte der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung beleuchten, es müsse „alles auf den Tisch“. Einem Untersuchungsausschuss muss ein Viertel aller Abgeordneten zustimmen.

Der Berg unbearbeiteter Asylanträge dürfte durch die BAMF-Affäre wieder höher werden. In einer am Dienstag veröffentlichten Antwort des Bundesinnenministeriums auf einen Fragenkatalog der Grünen-Fraktion heißt es: „Mit der Prüfung der rund 18.000 Fälle der Außenstelle Bremen werden rund 70 Mitarbeiter für ca. drei Monate betraut sein.“ Wegen dieses zusätzlichen Personalaufwands bestehe das Risiko, dass der Bestand an offenen Asylverfahren von aktuell rund 50.000 auf etwa 80.000 steigen könne. Das Ziel einer Bearbeitungsdauer von drei Monaten bei neuen Verfahren sei dann nicht mehr zu halten. Seehofer sagte, er sei daher mit Finanzminister Olaf Scholz (SPD) im Gespräch, wie personelle Engpässe vermieden werden können. So könnten Zeitarbeitsverträge entfristet werden. Der CSU-Politiker beteuerte: „Qualität geht vor Quantität.“ Er bekräftigte, dass Abläufe und Organisation der Asylverfahren reformiert werden müssten.

In der Außenstelle in Bremen sollen zwischen 2013 und 2016 mehr als 1200 Menschen ohne rechtliche Grundlage Asyl erhalten haben. Es gibt deshalb Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Bremen und des Bundesamts gegen die frühere Leiterin der Außenstelle, weitere Mitarbeiter, einen Dolmetscher und Anwälte. Der Dolmetscher steht im Verdacht, von Asylbewerbern Geld genommen zu haben.

Seehofer hatte angeordnet, dass die 54 Mitarbeiter der Bremer BAMF-Außenstelle vorübergehend keine Asylanträge mehr bearbeiten sollen. Das heißt, auch sie fallen nun erst mal aus. Das Innenministerium teilte mit, es werde aktuell auch geprüft, ob im BAMF-Datenbestand im Zusammenhang mit der Bremer Affäre Daten unrechtmäßig gelöscht worden seien. Löschrechte besitze nur ein relativ kleiner Kreis von Mitarbeitern.
Bei der Suche nach den Motiven für die Manipulationen in Bremen tappt das BAMF noch im Dunkeln. Die Behörde stellte zwar in einem Prüfbericht vom 11. Mai fest, es habe sich der Verdacht erhärtet, dass fünf Beschäftigte gemeinsam mit der im Juli 2016 abgesetzten Leiterin der Außenstelle in Verfahren massiv gegen geltendes Recht, sicherheitsrechtliche Vorgaben und innerbetriebliche Anweisungen verstoßen hätten. Ob sie dies aus eigener Überzeugung oder auf Weisung der damaligen Leiterin getan hätten, sei noch unklar.

Die Akteure in der BAMF-Affäre
Ein Blick auf das Gebäude der Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in Bremen. Quelle: dpa
Bundesinnenminister Horst Seehofer Quelle: dpa
Jutta Cordt, Chefin des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), ist auf dem Weg zu einem Krisengespräch im Gebäude des Senator für Inneres Bremen. Quelle: dpa
Bremen: Das Schild an der Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Quelle: dpa
Josefa Schmid (FDP), Bürgermeisterin von Kollnburg Quelle: Kollnburg
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium (BMI), Stephan Mayer (CSU) Quelle: dpa
Thomas de Maizière (CDU) war in der vergangenen Legislaturperiode Bundesinnenminister. Quelle: dpa
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