Matthias Schranner "Merkel sollte rote Linien ziehen - und lange verhandeln"

Der Experte Matthias Schranner weiß, wie jede Verhandlung zu gewinnen ist. Er rät Angela Merkel, mit allen Parteien über eine mögliche Koalition zu sprechen, auch mit der Linken, und die Entscheidung hinauszuzögern. Dann sei auch das Maut-Problem einfach zu lösen.

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Matthias Schranner Quelle: Gisela Schenker

WirtschaftsWoche Online: Herr Schranner, die Union hat die Wahl deutlich gewonnen, braucht aber einen Koalitionspartner. Wie schwer ist es, nach solch einem Triumph plötzlich Kompromisse eingehen zu müssen?

Matthias Schranner: Angela Merkel hat einen super Erfolg erzielt und kann wirklich glücklich über das Ergebnis sein. Dass sie nun einen Koalitionspartner braucht, ist sicher ein Stück weit ärgerlich, aber politisches Alltagsgeschäft. Und dank des guten Resultates haben Merkel und die Union eine starke Verhandlungsposition.

Hat Angela Merkel wirklich eine so starke Verhandlungsposition? Immerhin muss sie auf SPD oder Grüne zugehen und eine der Oppositionsparteien für eine Zusammenarbeit begeistern.

Die Union hat die deutlich stärkere Verhandlungsposition. Schließlich haben auch die Sozialdemokraten die Pflicht, mit dem Ergebnis der Wähler zu arbeiten. Sie kann nicht einfach „Nein“ sagen und sich allem und jedem verschließen. Das käme beim Wähler sehr schlecht an.  Die SPD hat immer noch den Anspruch, Volkspartei zu sein. Das heißt auch: Verantwortung zu übernehmen. Wenn Angela Merkel gut beraten ist, nimmt sie die politischen Gegner in die Pflicht und appelliert an ihre Verantwortung für Deutschland. Ich glaube, dem könnte sich die SPD nicht verschließen. Und wenn, dann blieben immer noch die Grünen, die ja nun auch endlich mal wieder in die Regierung wollen.

Zur Person

Wie wichtig ist es für die Union, sowohl mit der SPD, als auch mit den Grünen zu sprechen und deutlich zu machen, eine Wahl zu haben?

Das ist sehr wichtig und würde die Gespräche für Angela Merkel und ihre Mitstreiter deutlich einfacher machen. Je mehr Optionen man hat, desto größer ist der Verhandlungsspielraum. So gesehen wäre es also durchaus clever, auch mit den Linken zu sprechen und mögliche Schnittmengen zu definieren. Auch wenn eine Zusammenarbeit hier politisch kaum vorstellbar ist. Für die Union gilt so oder so: Mit möglichst vielen Parteien parallel zu verhandeln und sich die Entscheidung so lange wie möglich offen zu halten.

Und dann entscheidet die Union, mit wem sie am meisten der politischen Themen umsetzen kann – oder mit wem sich die Führungskräfte der Partei auf persönlicher Ebene besser verstehen?

Die CDU/CSU muss mehrere Fragen klären. Zunächst muss die Partei rote Linien ziehen, sich also überlegen, welche Kompromisse sie eingehen will – und welche Abweichungen von den eigenen Zielen nicht tragbar sind. Da ist es durchaus denkbar, dass es mit den Grünen größere Schnittmengen gibt, als mit den Sozialdemokraten. Dann erst sollten menschliche Komponenten einbezogen werden: Also wer kann mit wem am besten zusammenarbeiten. Ich würde diese Frage hintenanstellen, da ja gar nicht klar ist, wer Ministerämter übernehmen könnte. Das ist ja ein Teil der Verhandlungen. Wichtig ist, dass die Ideologen auf Seiten der Sozialdemokraten und Grünen isoliert werden. Denn mit ihnen sind Verhandlungen kaum zu führen. 

Schranner: Faule Kompromisse

Sie sprechen von Jürgen Trittin, Andrea Nahles & Co.

Ideologen können Sie nicht überzeugen. Wäre ich Verhandlungsführer der Union, würde ich in solch einer Situation versuchen, andere Mitstreiter bei der SPD und bei den Grünen zu finden. Die Leute, die pragmatischer sind. Auf die würde ich zugehen und sagen: „Komm jetzt bleiben wir mal locker und versuchen ohne Vorbedingungen und Vorurteile, zu einem Ergebnis zu kommen“.

Wie haben Sie Jürgen Trittin am Wahlabend, insbesondere in der Berliner Runde, gesehen?

Sehr negativ. Er spielte den Beleidigten, der vom Wähler und von den Medien nicht verstanden wird. Das wirkte doch sehr kindisch. Dazu versuchte er ständig, das schwache Ergebnis der Grünen schönzureden. Ich hätte es reifer und staatsmännischer gefunden, sich klar zu äußern und eigene Fehler und die Niederlage einzugestehen.

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