Maue Wachstumsprognosen Reden wir uns in die nächste Krise?

Seite 4/4

Was die Politik gegen die Depression tun kann

Gelingen will das derzeit nicht so recht. „Das Stimmungsmanagement der Politik ist desolat.“ So habe Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel es während der Bundespressekonferenz zur Korrektur der Wirtschaftsprognose an Ausgewogenheit fehlen lassen. „Eine Mischung aus guten und schlechten Informationen ist nötig. Beide Aspekte darf man nicht übertreiben“, sagt Neun. Gabriels Auftritt auf der Pressekonferenz sei zu euphorisch gewesen und wirke daher unrealistisch. „Das führt zu Misstrauen in der Bevölkerung.“

Zu einem ähnlichen Schluss kommt Volkswirt Belke: „Die Marktteilnehmer sind in ihrer Einschätzung durchaus realistisch.“ So schenkten sie den Aussagen der Politiker zum Fiskalpakt kaum Glauben, weil es nicht unwahrscheinlich sei, dass sich Frankreich und Italien als Gegenleistung für die bloße Ankündigung von Reformen weiter verschulden dürften – trotz anderer Beteuerungen durch die Politik. Große Länder hätten sich bisher fast nie an das EU-Regelwerk gehalten, sobald es Anpassungshärten für das betreffende Land verursachte.  

Das sind die wettbewerbsfähigsten Länder der Welt

„In der jetzigen Phase kann man die Konjunkturdelle noch abfedern“, sagt Neun. Aber wie kann die Politik der latenten Krisenstimmung beikommen, bevor sie die Wirtschaft herunterzieht?  Dafür müsse man der Bevölkerung Perspektiven aufzeigen, etwa durch Innovations- und Investitionsprogramme, sagt Neun.

Ein Mittel gegen die Depression

„Wenn die Politik wartet, bis die Arbeitslosenzahlen ansteigen, kriegen die Konsumenten Angst, dass sie ihren Job verlieren.“ Wer sich nicht sicher ist, dass er auch weiter ein Einkommen beziehen kann, wird keine großen Ausgaben tätigen. „Dann sitzt die Krise der Bevölkerung ganz tief in den Knochen.“ Halten sich die Unternehmer weiter mit den Investitionen zurück, dürfte sich das auf lange Sicht auf den Arbeitsmarkt auswirken.

Gegen solche Konjunkturprogramme sträuben sich allerdings sowohl Gabriel als auch Schäuble. Beide wollen am ausgeglichenen Staatshaushalt festhalten – zum Ärger der anderen europäischen Länder. „Wir helfen der deutschen Konjunktur nicht durch Strohfeuer und mehr Schulden“, begründet Gabriel sein Vorgehen.

Auch Volkswirt Wolfram Richter teilt diese Einschätzung. „Die Wachstumsprognose ist zurückgenommen worden, aber in Deutschland sehe ich keine Zeichen, die ein großes Konjunkturprogramm rechtfertigten“, sagt der Professor der TU Dortmund.

Neun sieht das anders. „Die Abwrackprämie beispielsweise war 2009 als ökonomisches Programm nicht unbedingt richtig – aber als psychologisches Instrument sehr effektiv, weil es die Leute wieder motivierte Geld auszugeben und es Hoffnung vermittelte.“

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%