Gelingen will das derzeit nicht so recht. „Das Stimmungsmanagement der Politik ist desolat.“ So habe Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel es während der Bundespressekonferenz zur Korrektur der Wirtschaftsprognose an Ausgewogenheit fehlen lassen. „Eine Mischung aus guten und schlechten Informationen ist nötig. Beide Aspekte darf man nicht übertreiben“, sagt Neun. Gabriels Auftritt auf der Pressekonferenz sei zu euphorisch gewesen und wirke daher unrealistisch. „Das führt zu Misstrauen in der Bevölkerung.“
Zu einem ähnlichen Schluss kommt Volkswirt Belke: „Die Marktteilnehmer sind in ihrer Einschätzung durchaus realistisch.“ So schenkten sie den Aussagen der Politiker zum Fiskalpakt kaum Glauben, weil es nicht unwahrscheinlich sei, dass sich Frankreich und Italien als Gegenleistung für die bloße Ankündigung von Reformen weiter verschulden dürften – trotz anderer Beteuerungen durch die Politik. Große Länder hätten sich bisher fast nie an das EU-Regelwerk gehalten, sobald es Anpassungshärten für das betreffende Land verursachte.
Das sind die wettbewerbsfähigsten Länder der Welt
Schweden verfügt über starke Institutionen (Rang 13), die sowohl transparent als auch effizient sind. Auch die Infrastruktur ist stabil (Rang 22). Die Staatsverschuldung ist niedrig und die Wirtschaft gesund (Rang 17).
Noch wichtiger für die Wettbewerbsstärke der Skandinavier ist aber das innovationsfreundliche Umfeld im Land. Das Bildungssystem ist von hoher Qualität (Rang 14). In puncto Informations- und Kommunikationstechnik macht Schweden in der Welt kaum jemand etwas vor (Rang 3). Auch was die Innovationskraft angeht, sind die schwedischen Firmen weit vorn (Rang 6). Der Grund dafür ist wohl der hohe Wettbewerb (Rang 21), der für die Unternehmen ein Anreiz ist, sich stets weiterzuentwickeln.
Weniger gut schneiden Schwedens stark regulierter Arbeitsmarkt (Rang 59) und das Steuersystem (Rang 119) ab.
Großbritannien profitiert vor allem von seinem hervorragenden Arbeitsmarkt (Rang 5) und seinem hoch entwickelten Finanzsystem (Rang 15). Dass es nicht weiter vorn im Ranking steht, liegt an dem britischen Bankensystem (Rang 89) und dem schwierigen Zugang zu Krediten (Rang 82) – beides schadet der Wettbewerbsfähigkeit.
In Sachen Informations- und Kommunikationstechnik belegen die Briten den zweiten Rang weltweit. In Verbindung mit einem sehr großen (Rang 6) und wettbewerbsstarken (Rang 5) Markt ist die Informations- und Kommunikationstechnik der Grund für eine hohe Innovationskraft (Rang 12).
Wollen die Briten wettbewerbsfähiger werden, sollten sie an ihrem Bildungssystem arbeiten (Rang 23). Vor allem in Mathematik und in den Naturwissenschaften schneiden britische Schüler nicht gut ab (Rang 63).
Die Niederländer verfügen über ein exzellentes Bildungs- und Ausbildungssystem (Rang 3), hohe Informations- und Kommunikationstechnik (Rang 8) und eine großen Innovationskraft (Rang 8). All das führt zu Unternehmen (Rang 5), die auch am internationalen Markt gut dastehen.
Dazu kommen effiziente Institutionen (Rang 10), eine erstklassige Infrastruktur (Rang 4) und wettbewerbsintensive (Rang 5) Märkte.
Arbeiten müssen die Niederländer an ihrem unflexiblen Arbeitsmarkt (Rang 123) und an den Schwächen des Finanzsystems (Rang 80), die auch den Zugang zu Krediten immer schwieriger gestalten (Rang 48).
Hongkongs Gütermarkt (Rang 2) und Arbeitsmarkt (Rang 3) sind Weltklasse.
Will Hongkong seine Wettbewerbsfähigkeit weiter entwickeln, sollte es an seinem Bildungssystem (Rang 22) und seiner Innovationsfähigkeit arbeiten. Zudem ist Hongkong ein schwacher Forschungsstandpunkt (Rang 32) und es fehlt an Wissenschaftlern und Ingenieuren (Rang 36).
Japan verfügt über die weltweit am höchsten entwickelten Unternehmen (Rang 1). Auch in puncto Innovation spielt Japan vorne mit (Rang 4). Viel Geld investiert Japan in Forschung und Innovation (Rang 2). Infolgedessen verfügt das Land über hervorragende Arbeitskräfte (Rang 3), gefragte Forschungsinstitutionen (Rang 7) und eine hohe Innovationskraft (Rang 7). Das alles zahlt sich aus: Japan meldet pro Einwohner am zweitmeisten Patente weltweit an.
Die Wettbewerbsfähigkeit des Landes leidet unter den Haushaltsproblemen (Rang 127). Die Staatsverschuldung liegt derzeit bei 240 Prozent des BIPs. Allerdings hat es Japan geschafft, die Deflation einzudämmen. Auch der japanische Arbeitsmarkt (Rang 22) bereitet der Wettbewerbsfähigkeit Probleme. Vor allem der Frauenanteil auf dem Arbeitsmarkt (Rang 88) ist mit der niedrigste in sämtlichen OECD-Ländern.
Bis jetzt hat Deutschland dank seiner hohen Wettbewerbsfähigkeit (Rang 3) und seiner hohen Investitionen in Forschung und Entwicklung (Rang 6) die Euro-Krise gut überstanden. Die deutschen Unternehmen stecken ebenfalls viel Geld in die Forschung (Rang 5). Die eigenen Innovationen befördern Unternehmen in Deutschland zudem durch Kooperationen mit Universitäten (Rang 10) und Forschungslaboren (Platz 8).
Die vielen Mittelständler in Deutschland sind in Nischenmärkten tätig und können sich daher stark spezialisieren (Rang 3). Die hervorragende Infrastruktur (Rang 7) und die exzellente Ausbildung (Rang 6) komplettieren Deutschlands Stärken.
Um die deutsche Wettbewerbsfähigkeit könnte es aber noch besser bestellt sein, wenn Deutschland weiter an der Effizienz seines Arbeitsmarkts arbeitete (Rang 35, 2012: 53). In Anbetracht des demografischen Wandels sollte Deutschland zudem weiter die Immigration forcieren und mehr Frauen in den Arbeitsmarkt integrieren. Das größte Problem ist aber nach wie vor die hohe Staatsverschuldung (Rang 118).
Finnlands Institutionen sind die transparentesten der Welt (Rang 1). Auch die Infrastruktur von Finnland kann sich sehen lassen (Rang 19), ebenso wie der Gütermarkt (Rang 18). Finnlands Finanzsystem ist hoch entwickelt (Rang 5). Die finnischen Arbeitskräfte sind hervorragend ausgebildet (Rang 7), was neben den hohen öffentlichen und privaten Investitionen in die Forschung (Rang 3) zur höchsten Innovationskraft weltweit führt (Rang 1).
Getrübt wird die Wettbewerbsfähigkeit Finnlands durch die schwachen Aufstiegschancen am Arbeitsmarkt (Rang 143).
Trotz der Krise, in der sich die USA befinden, sind sie im höchsten Maß wettbewerbsfähig. Die Unternehmen florieren (Rang 4) und sind innovativ (Rang 5). Die Verknüpfung der Wirtschaft mit den exzellenten Universitäten des Landes befördert dies. Zudem ist der Arbeitsmarkt sehr flexibel.
Nichtsdestotrotz hat auch Amerika Schwächen: Das Vertrauen der Unternehmen in die Politik ist gering (Rang 48). Die Unternehmer sind der Meinung, die Regierung gehe zu verschwenderisch mit ihren Ressourcen um (Rang 73). Trotz der sinkenden Staatsverschuldung stellt auch der Haushalt der USA nach wie vor eine starke Schwäche dar (Rang 113).
Singapurs Arbeitsmarkt ist hocheffizient (Rang 2) ebenso der Finanzmarkt. Darüber hinaus verfügt der Insel- und Stadtstaat über Weltklasse Institutionen (Rang 3) und eine starke Infrastruktur (Rang 2). Die Wettbewerbsfähigkeit wird befördert durch Singapurs hervorragendes Bildungssystem (Rang 2).
Jammern auf hohem Niveau kann Singapurs über seinen Privatsektor (Rang 19). Auch in puncto Innovation (Rang 9) könnte Singapur noch zulegen.
Die wettbewerbsfähigste Volkswirtschaft ist zum sechsten Mal in Folge die Schweiz. Sie verfügt über erstklassige akademische Institutionen, ein hervorragendes Bildungs- und Ausbildungssystem, investiert viel Geld in Forschung und Entwicklung und meldet die meisten Patente pro Kopf an (Rang 1).
Der Arbeitsmarkt sucht weltweit seinesgleichen (Rang 1). Auch die öffentlichen Institutionen gelten als effizient und transparent (Rang 7). Weiter befördert wird die Wettbewerbsfähigkeit durch die gut ausgebaute Infrastruktur und die hochentwickelten Finanzmärkte (Rang 11). In einer Zeit, in der die meisten europäischen Länder mit ihren Haushalten zu kämpfen haben, erweist sich der Schweizer Haushallt als äußerst widerstandsfähig (Rang 12).
Allerdings lässt die Innovationskraft der Schweiz nach (Rang 24, 2012: Rang 14). Auch an ihrer Haltung zur Immigration muss die Schweiz arbeiten, will sie auch in Zukunft ihren Standard halten.
„In der jetzigen Phase kann man die Konjunkturdelle noch abfedern“, sagt Neun. Aber wie kann die Politik der latenten Krisenstimmung beikommen, bevor sie die Wirtschaft herunterzieht? Dafür müsse man der Bevölkerung Perspektiven aufzeigen, etwa durch Innovations- und Investitionsprogramme, sagt Neun.
Ein Mittel gegen die Depression
„Wenn die Politik wartet, bis die Arbeitslosenzahlen ansteigen, kriegen die Konsumenten Angst, dass sie ihren Job verlieren.“ Wer sich nicht sicher ist, dass er auch weiter ein Einkommen beziehen kann, wird keine großen Ausgaben tätigen. „Dann sitzt die Krise der Bevölkerung ganz tief in den Knochen.“ Halten sich die Unternehmer weiter mit den Investitionen zurück, dürfte sich das auf lange Sicht auf den Arbeitsmarkt auswirken.
Gegen solche Konjunkturprogramme sträuben sich allerdings sowohl Gabriel als auch Schäuble. Beide wollen am ausgeglichenen Staatshaushalt festhalten – zum Ärger der anderen europäischen Länder. „Wir helfen der deutschen Konjunktur nicht durch Strohfeuer und mehr Schulden“, begründet Gabriel sein Vorgehen.
Auch Volkswirt Wolfram Richter teilt diese Einschätzung. „Die Wachstumsprognose ist zurückgenommen worden, aber in Deutschland sehe ich keine Zeichen, die ein großes Konjunkturprogramm rechtfertigten“, sagt der Professor der TU Dortmund.
Neun sieht das anders. „Die Abwrackprämie beispielsweise war 2009 als ökonomisches Programm nicht unbedingt richtig – aber als psychologisches Instrument sehr effektiv, weil es die Leute wieder motivierte Geld auszugeben und es Hoffnung vermittelte.“