




Wenige Tage vor der ersten Bundestagsberatung über die umstrittene Pkw-Maut sind nun doch Details zur Kalkulation der Einnahmen aus dem Verkehrsministerium bekanntgeworden. Demnach geht Ressortchef Alexander Dobrindt (CSU) davon aus, dass 8,065 Millionen ausländische Fahrer die Jahresmaut mit einem Durchschnittspreis von mehr als 70 Euro entrichten. Weitere 15,8 Millionen sollen der vertraulichen Prognose zufolge jeweils 10 Euro für eine Zehn-Tages-Maut bezahlen. Nach Abzug eines fünfprozentigen „Sicherheitsabschlags“ kommen so die von Dobrindt prognostizierten Einnahmen von knapp 700 Millionen Euro im Jahr zustande. Ein Ministeriumssprecher bestätigte die von der „Bild am Sonntag“ genannten Zahlen.
Der Verkehrsminister hatte sich über Monate und auch auf Aufforderung des Bundesrats hin hartnäckig geweigert, die Basis seiner Kalkulation offenzulegen. Mehrfach hatte die SPD ihn aufgefordert, die Berechnungsgrundlagen nicht länger geheim zu halten. „Wir brauchen umgehend Transparenz bei der Berechnung der Einnahmen“, sagte SPD-Fraktionsvize Sören Bartol am Wochenende der Deutschen Presse-Agentur.
So bekommen Autofahrer die Maut zurück
Eigentlich wollte Dobrindt keine Schlupflöcher lassen und für das gesamte Straßennetz Maut kassieren. Nach Protesten aus grenznahen Regionen sollen Pkw-Fahrer aus dem Ausland nun nur noch für die Autobahnen zahlen. Das wäre theoretisch auch für Fahrer aus dem Inland denkbar gewesen. Dann hätte sich für sie aber keine allgemeine Mautpflicht einführen lassen, weil man auch jenseits der Autobahnen quer durch die Republik reisen kann. Daher kamen für Inländer die Bundesstraßen hinzu. Es bleiben aber immer noch 178.000 Kilometer Landes- und Kreisstraßen, die rechtlich betrachtet gratis sind.
Alle inländischen Autobesitzer sollen eine Jahresmaut zahlen, die im Schnitt 74 Euro kostet. Möglich sein soll aber, das Geld nachträglich per Antrag komplett zurückzufordern - wenn man glaubhaft macht, dass der Wagen in den zurückliegenden zwölf Monaten gar nicht auf Autobahnen und Bundesstraßen unterwegs war. Diese Beweispflicht sei ein „unzumutbarer Aufwand“, warnt der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller. Das lasse befürchten, „dass ich womöglich auf das Geld, das mir zustünde, schlicht verzichte“.
Die genauen Erstattungsregeln stehen noch nicht fest. Ein Element könnte sein, in einem Fahrtenbuch festzuhalten, wann man von wo nach wo gefahren ist und wie viele Kilometer es waren. Das ließe Rückschlüsse auf die benutzten Straßen zu. Das Verkehrsministerium macht kein Hehl daraus, dass dies nicht ganz unkompliziert wäre. Doch auch bei anderen allgemeinen Gebühren liege die Beweislast nun einmal bei dem, der eine Ausnahme geltend macht. Dobrindt betont aber auch ausdrücklich: „Das ist eine Härtefallregelung und wird auf ganz wenige Fälle anwendbar sein.“
Die Verbraucherzentralen sehen durchaus Interesse an Erstattungen. Es gebe „einen großen Anteil“ von Menschen, die nur auf Landstraßen und innerstädtisch fahren, etwa ältere Leute oder wenn ein Zweitwagen nur zum Einkaufen dient. Das Ministerium hat dagegen per Gutachten ergründet, dass nur weniger als ein Prozent der Autofahrer völlig ohne Bundesstraßen auskommt, die ja auch innerhalb vieler Orte verlaufen. Überhaupt sei es unrealistisch, sagt Dobrindt ironisch, dass sich viele überlegten: „Ja klar, das rote Auto wird nur noch für Autobahnen und Bundesstraßen verwendet und das schwarze Auto ausschließlich für die Kommunalstraßen.“ Auch dass viele eigens Aufzeichnungen machten, um 35 Euro Maut zurückzufordern, sei abwegig.
Wie groß das Schlupfloch werden könnte, muss sich zeigen. Angesichts von 44 Millionen zugelassenen Pkw wären ziemlich schnell Tausende Fälle zusammen. Verbraucherschützer Müller fordert denn auch Nachbesserungen, damit Nicht-Mautpflichtige tatsächlich verschont bleiben. Manche könnten sich indes die Mühe sparen, da ihnen ohnehin keine Mehrbelastung entstehen soll. Denn Inländern soll die Maut durch Reduzierungen der Kfz-Steuer voll ausgeglichen werden. Anderen könnte es dagegen ums Prinzip gehen.
Die höchsten Einnahmen werden nach den nun publik gewordenen Zahlen aus Tagesgeschäftsreisen (360 Mio Euro im Jahr), Privatreisen ohne Übernachtung (211 Mio Euro) und Urlaubsreisen mit Übernachtung (83 Mio Euro) erwartet. Mit geringeren Einnahmen rechnet das Ministerium bei Geschäftsreisen mit Übernachtung (31 Mio Euro), sonstigen Fahrten mit Übernachtung (29 Mio Euro) und bei Pendlern (19 Mio Euro).
Ein Gutachten der Universität Friedrichshafen, das einen Tag zuvor lanciert wurde, bestätigt Dobrindts Annahmen. Den Berechnungen lägen „zuverlässige empirische Daten zugrunde“, heißt es darin nach Angaben der „Bild“-Zeitung (Samstag). Nach Einführung der Maut sei mit insgesamt 695,9 Millionen Euro im Jahr zu rechnen. In Zukunft könne „eher mit höheren Einnahmen aus dem Verkauf von Vignetten an Halter von im Ausland zugelassenen Fahrzeugen gerechnet werden“.
Gutachter Wolfgang Schulz sagte dem „Tagesspiegel am Sonntag“, die Untersuchung sei lediglich eine Art Plausibilitäts-Check gewesen. „Die Annahmen und Herleitungen der Prognosen sind durchweg nachvollziehbar und schlüssig.“ Die erste Bundestagsberatung über die Maut-Gesetze steht am kommenden Donnerstag an. SPD-Mann Bartol drohte, dass die Verabschiedung „kein Selbstläufer“ werde. „Wir werden uns vom Datenschutz über die Regelung für die Rückerstattung bis hin zu den Auswirkungen auf die Grenzregionen die Gesetze noch einmal genau anschauen.“
Dobrindt will die im Koalitionsvertrag von Union und SPD vorgesehene Pkw-Maut 2016 für Autobahnen und Bundesstraßen einführen. Fahrer aus dem Ausland sollen nur für Autobahnen zahlen. Inländern sollen ihre Maut-Zahlungen durch eine geringere Kfz-Steuer voll ausgeglichen werden, so dass sie insgesamt nicht zusätzlich belastet werden.