Mecklenburg-Vorpommern Nach Absturz: Verteidigungsministerium beziffert Einsatzfähigkeit der Eurofighter auf 60 Prozent

Politiker streiten nach dem Absturz über die Notwendigkeit von Luftkampfmanövern über Urlaubsgebieten. Neben einem Kindergarten wird ein Wrackeil gefunden.

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Zwei Jets bei einer Übung über der Ostsee. Quelle: Reuters

Berlin Das Verteidigungsministerium hat am Tag nach dem Absturz von zwei Eurofightern Spekulationen über die Ursache des Unglücks zurückgewiesen. So sei die Einsatzfähigkeit der Maschinen inzwischen deutlich gestiegen und liege nun bei 60 Prozent, sagte ein Sprecher am Dienstag in Berlin. Wenn der Klarstand, also die Quote der einsatzbereiten Jets, weiter Richtung 70 Prozent steige, sei Deutschland unter den besten Ländern.

Bei der Wartung ist vor allem die Industrie gefordert, die in der Vergangenheit dafür verantwortlich war, dass Wartung und Überholung der Flugzeuge zu lange dauerte. Dies wirkte sich auch auf die Zahl der verfügbaren Flugstunden aus. Weniger Flugstunden führten dazu, dass weniger Piloten einsatzfähig waren. Die Mindestzahl von 140 Flugstunden im Jahr und weiteren 40 Stunden in einem Simulator werde nicht unterschritten, sagte ein Sprecher. Die Eurofighter ist das sicherste Kampflugzeug in der Geschichte der Bundeswehr. Seit 2004 sei kein deutscher Eurofighter abgestürzt, hatte der Inspekteur der Luftwaffe, Ingo Gerhartz, am Montag erklärt.

Der CDU-Politiker Henning Otte verteidigte die Luftkampfübungen, die am Montag zu dem Unfall geführt hatten. „Die Bundeswehr muss dort üben, wo sie im Bedarfsfall auch verteidigt“, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion am Dienstag im Deutschlandfunk. Er äußerte sein Unverständnis zur Forderung der Linken im Schweriner Landtag, die Luftkampfübungen zu beenden.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der dortigen Oppositionsfraktion, Peter Ritter, hatte die Übungen für unnötig erklärt. Auch der Bürgermeister von Waren an der Müritz, Norbert Möller (SPD), äußerte sich ähnlich. Bei dem Absturz beider Eurofighter-Maschinen über der Mecklenburgischen Seenplatte war am Montagnachmittag ein Pilot ums Leben gekommen. Der zweite wurde verletzt geborgen.

Die Verletzungen des Überlebenden wurden am Dienstag als nicht lebensgefährlich beschrieben: Er befindet sich in gesundheitlich stabiler Lage in einem Rostocker Krankenhaus. Es gehe ihm den Umständen entsprechend gut, sagte ein Presseoffizier des Geschwaders 73 „Steinhoff“. Er war von Rettungsmannschaften lebend aus einem Baum geborgen worden. Beide Piloten hatten sich per Schleudersitz aus ihren Maschinen katapultieren können.

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur handelt es sich bei dem Überlebenden um einen der erfahrensten Fluglehrer der Luftwaffe. Der ums Leben gekommene zweite Pilot sei ein jüngerer Offizier, hieß es. Schlüsse zum Hergang der Unglücks könnten daraus aber nicht gezogen werden. Beide Maschinen gehörten zum Luftwaffengeschwader 73 „Steinhoff“, das in Laage bei Rostock stationiert ist. Seine Hauptaufgabe ist die Ausbildung der deutschen Eurofighter-Piloten.

Die Flugschreiber seien noch nicht gefunden worden, sagte der Presseoffizier des Geschwaders, das auf dem Luftwaffenstützpunkt Laage bei Rostock stationiert ist. In dieser Woche würden von dort voraussichtlich keine Jets mehr starten. Da die Unglücksursache noch unklar sei, werde der Flugbetrieb ausgesetzt. Auch die Crews müssten den Vorfall erst verarbeiten.

Normalerweise starten die Eurofighter aus Laage etwa 20 Mal pro Tag, hieß es. Das Gebiet, in dem sie fliegen, könne dabei jeden Tag wechseln, da es von der Deutschen Flugsicherung zugewiesen werde. Manchmal werde wie am Montag über der Seenplatte geflogen, manchmal auch über Niedersachsen, Schleswig-Holstein oder Brandenburg, sagte der Sprecher. Der Geschwader-Kommodore Oberst Gero von Fritschen will den Angaben zufolge einen Auslandseinsatz vorzeitig beenden und auf den Stützpunkt zurückkehren. Die Flagge weht dort auf Halbmast.

Der Bürgermeister von Waren an der Müritz, Norbert Möller, hat sich prinzipiell für einen Verzicht auf militärische Übungstiefflüge in Urlauberregionen ausgesprochen. „Viele Touristen haben kein Verständnis dafür, dass ausgerechnet rings um die Müritz solche Tiefflüge geübt werden“, sagte Möller. Die Region um das Heilbad, zu der auch die vom Absturz betroffenen Dörfer gehören, gilt mit Hunderttausenden Gästen als touristisches Schwergewicht im Nordosten.

Sein Mitgefühl gelte den Familien der betroffenen Piloten, sagte der Bürgermeister. Man solle aber prüfen, ob gerade Tiefflüge über dem größten deutschen Binnensee und den umliegenden Gewässern abgehalten werden müssten. Auch die Bürgermeisterin von Silz und Nossentin, Almuth Köhler (CDU), wo eines der verunglückten Flugzeuge abstürzte, stellte ähnliche Forderungen.

Am Morgen war ein Wrackteil in unmittelbarer Nähe eines Kindergartens gefunden worden. Ein Mitarbeiter der Gemeinde Nossentiner Hütte entdeckte das etwa einen halben Meter lange Bauteil auf einem benachbarten Sportplatz, nach Angaben der Kindergartenleiterin etwa 40 Meter entfernt von den Spielgeräten. „Wir können von Glück reden, dass wir so davon gekommen sind“, sagte sie. Einige der Kinder hätten den Absturz eines der beiden Kampfjets am Montag vom Fenster aus beobachtet. Bundeswehrangehörige bargen das zerbeulte Wrackteil, äußerten sich aber nicht zu dessen Funktion.

Mehr: Alle Hintergründe über den Absturz der zwei Eurofightern lesen Sie hier im Text von Donata Riedel.

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