Medienberichte Juncker nimmt seinen Vertrauten Selmayr in Schutz – doch zurücktreten will er nicht

EU-Kommissionschef soll beim Streit um die Beförderung von Selmayr mit Rücktritt gedroht haben. Juncker weist das entschieden zurück.

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Juncker nimmt Selmayr in Schutz – doch zurücktreten will er nicht Quelle: dpa

Brüssel Die Brüsseler Saga um den schillernden deutschen EU-Beamten Martin Selmayr geht weiter. In der neuen Folge hat der EU-Kommissionspräsident einen prominenten Auftritt: Jean-Claude Juncker regte sich am Donnerstag gewaltig über das Dauerfeuer aus dem Europaparlament gegen seinen wichtigsten Mitarbeiter auf.

Schauplatz des Geschehens war das traditionelle Treffen der christdemokratischen EU-Regierungschefs vor dem EU-Gipfel. An dem Treffen nahm auch der Chef der christdemokratischen EVP-Fraktion im Europaparlament Manfred Weber teil. Am Ende des Treffens – Kanzlerin Angela Merkel und die anderen Chefs waren bereits gegangen - knöpfte sich Juncker Weber vor. Die EVP solle aufhören, gegen Selmayr zu schießen, warnte Juncker, der selber der EVP angehört.

Die Beförderung Selmayrs zum Generalsekretär der EU-Kommission – der höchste Posten an der Spitze von 33.000 Beamten – werde er nicht zurücknehmen, so Juncker. Und dann fiel der fatale Satz: „Wenn er geht, dann gehe ich auch“, sagte Juncker.

Nun ist die Empörung in der Brüsseler Blase groß. Europaparlamentarier Sven Giegold wertet Junckers Äußerung postwendend als „Rücktrittsdrohung“. Es sei „grotesk, dass der EU-Kommissionspräsident sein Schicksal von der Karriere eines EU-Beamten abhängig macht“, schimpfte Giegold.

Der Kommissionspräsident selbst kann die Aufregung allerdings nicht verstehen. Er denke natürlich nicht an Rücktritt, erfuhr das Handelsblatt aus der Umgebung des Präsidenten. Er habe die EVP lediglich darum gebeten, „ihn nicht länger mit dem Thema Selmayr zu nerven“.

Haushaltskontrollausschuss untersucht den Fall Selmayr

Juncker erwarte, dass sich „die EVP hinter ihren Kommissionspräsidenten stellt“ und habe dies deutlich gesagt. Das tat Juncker in einer sehr kleinen Runde.

Die meisten Teilnehmer des EVP-Treffens bekamen davon nichts mit, weil sie bereits gegangen waren. Der CDU-Europaparlamentarier Elmar Brok, der bei dem EVP-Treffen persönlich dabei war, findet die Aufregung über den Juncker-Satz auch deshalb maßlos übertrieben. „Das hat nichts zu bedeuten und darf nicht überbewertet werden“, sagte Brok dem Handelsblatt.

Beim EU-Gipfel selbst war die Personalie Selmayr kein Thema. Die Staats- und Regierungschefs hätten Junckers Vertrauten alle ganz freundlich begrüßt, berichtete ein Teilnehmer dem Handelsblatt.
Selmayr selbst hatte sich am vergangenen Mittwoch erstmals öffentlich zu seiner umstrittenen Beförderung geäußert. „Ich bin erstaunt, was ich darüber teilweise lese“, sagte der 47-Jährige bei einer Diskussionsveranstaltung mit dem österreichischen Schriftsteller Robert Menasse. Über seine Beförderung würden von interessierter Seite eine Menge Lügenmärchen verbreitet. In Wahrheit sei alles ganz korrekt gelaufen. Alle 28 EU-Kommissare hätten seine Beförderung bewilligt und ihm gratuliert.

In der EU-Kommission hört man allerdings auch andere Stimmen, die durchaus kritisch hinterfragen, warum Selmayr bei seiner Beförderung mehrere Stufen in der Brüsseler Beamtenhierarchie überspringen konnte. „Selmayr ist für den Posten zweifellos qualifiziert. Doch die Geschwindigkeit seines Aufstiegs hat schon viele überrascht“, sagte ein Kommissionsmitarbeiter dem Handelsblatt.

Der Haushaltskontrollausschuss des Europaparlaments untersucht jetzt den Fall und hat der EU-Kommission einen umfangreichen Fragenkatalog geschickt. Die Antworten werden Freitagabend erwartet. Dass dem versierten Europajuristen Selmayr bei seiner eigenen Beförderung formale Fehler unterlaufen sind, glaubt in Brüssel allerdings kaum jemand.

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