
Ist Ihre Herkunft doch sehr ähnlich, normalerweise gehen sich die beiden aus dem Weg. Pfarrerstocher Angela Merkel und Pastor Joachim Gauch treten möglichst nie gemeinsam auf. Nicht, weil die beiden sich nicht leiden könnten, sondern weil es sich seit Jahrzehnten so in Deutschland eingebürgert hat: Bundespräsident und Bundeskanzler(in) vermeiden, sich gegenseitig die Schau zu stehlen. Denn der eine ist der oberste Repräsentant des Landes, die andere hat die Macht (und gilt im Falle Merkels gar als einflussreichste Frau der Welt). Nur bei ganz besonderen Gelegenheiten – wie feierlichen Jubiläumssitzungen im Parlament oder bei Staatsakten – sieht man Staatsoberhaupt und Regierungschef gemeinsam.





Damit ist die Bedeutung des WM-Finales im Maracana-Stadion für Deutschland beschrieben. Darüber geht nicht viel. Also startet die landesweit bekannte Kabinen-Stalkerin Merkel gemeinsam mit dem Prediger für ein offensiveres Auftreten Deutschlands in der Welt zur exklusivsten Fanreise der Weltmeisterschaftsgeschichte. In einem Airbus A 340 der Flugbereitschaft der Bundeswehr fliegt das Duo für eine rauschende Ballnacht nach Rio.
WM in Brasilien: Die Geldquelle der Fifa sprudelt
Die Weltmeisterschaft in Brasilien ist ein Milliardengeschäft für den Weltfußballverband Fifa. Wie sich Einnahmen, Ausgaben und Prämien verteilen.
Quelle: dpa
Die WM-Gesamteinnahmen der Fifa belaufen sich auf 4,5 Milliarden Dollar. Nach Abzug der Kosten rechnet der Weltverband mit 2,2 Milliarden Dollar.
Von der Nettoeinnahme werden 1,624 Milliarden Dollar in die Fußball-Entwicklungshilfe (800) oder andere FIFA-Turniere (524) investiert. 200 Millionen Dollar gehen an die nationalen Verbände und 100 Millionen als WM-Hinterlassenschaft an den Gastgeber Brasilien, der seinerseits rund 11 Milliarden Dollar an Infrastrukturkosten für das Turnier gestemmt hat.
Insgesamt schüttet die FIFA mit rund 422 Millionen Euro (576 Millionen Dollar) die höchste Summe der WM-Geschichte aus - in Südafrika waren es 2010 rund 420 Millionen Dollar.
Die Vereine, die Spieler zur WM abstellen, bekommen insgesamt rund 70 Millionen Dollar Entschädigung.
Die 16 Teams, die nach der Vorrunde nach Hause reisen müssen, bekommen eine Garantiesumme von 5,8 Millionen Euro.
Das Achtelfinale ist knapp 6,6 Millionen Euro wert, der Einzug ins Viertelfinale bringt 10,2 Millionen Euro.
Der unterlegene Finalist streicht immerhin noch 18,3 Millionen Euro ein (25 Millionen Dollar).
Der neue Fußball-Weltmeister kassiert von der FIFA eine Rekordprämie. Der Sieger des Endspiels am 13. Juli bekommt aus dem Topf des Weltverbandes 25,7 Millionen Euro (35 Millionen Dollar).
Manche wittern nun große Gefahr. Nicht für die Siegchancen der deutschen Nationalmannschaft, wohl aber für die Bundesrepublik.
Deutschland: Denn wenn das Flugzeug abstürzte, wäre das Land politisch führungslos. Untergangspropheten verweisen auf die Vorsichtsmaßnahmen in anderen Ländern. So dürfen in den USA Präsident und Vizepräsident niemals im selben Flugzeug sitzen, damit im Ernstfall die Regierungsgeschäfte fortgeführt werden können.
In Deutschland ist das freilich schon deshalb anders, weil der amerikanische Präsident (ebenso wie beispielsweise der französische) Staatsoberhaupt und Regierungschef in einer Person sind. Bei uns sind die Aufgaben auf Kanzler und Bundespräsident verteilt. Und jeder hat laut Verfassung beziehungsweise Geschäftsordnung der Bundesregierung einen Vertreter.





Im Fall des Bundespräsidenten ist das nicht, wie viele glauben, der Bundestagspräsident. Zweiter Mann im Staate ist der Präsident des Bundesrates. Die Bürger konnten das sehen, als nach dem Rücktritt von Christian Wulff für einige Zeit der Bayer Horst Seehofer, dann der Bremer Jens Böhrnsen in den Genuss ehrenvoller Auftritte kamen.
Die Vertretung der Bundeskanzlerin ist nur formal vom Grundgesetz geregelt. Dort heißt es in Artikel 69, dass der Bundeskanzler einen der Minister zu seinem Stellvertreter ernennt. Es ist also nicht, wenn auch lange praktisch der Fall, automatisch der Außenminister. Den Titel „Vizekanzler“ gibt es offiziell in der Verfassung nicht.
Normalerweise legt der Kanzler selbst fest, wann eine Vertretung nötig wird – und in welchem Umfange. So war es beispielsweise, als Angela Merkel während ihres Skiunfalls Anfang des Jahres das Bett hüten musste. Gabriel leitete die Kabinettssitzungen, hatte aber keine zusätzlichen Entscheidungsbefugnisse, weil Merkel geistig voll handlungsfähig war. Der Fall, dass der Kanzler längerfristig ausfällt oder gar zu Tode kommt, ist im Grundgesetz nicht genau geregelt. Bis zur Wahl eines Nachfolgers durch den Bundestag könnte das Kabinett den Übergang regeln; andere Kommentatoren sehen den Bundespräsidenten in der Pflicht, für die Zwischenphase einen geschäftsführenden Vertreter eigens zu benennen.
Aber so weit sollte es nicht kommen – die neuen VIP-Flieger der Luftwaffe sind zuverlässig. Wenn der Regierungsairbus abhebt, ist die Maschine nicht wie bei Staats- und Arbeitsbesuchen ausgebucht. Merkel und Gauck nehmen nur einige wenige Mitarbeiter mit, beispielsweise Regierungssprecher Steffen Seibert. Dazu natürlich die üblichen Sicherheitsbeamten des Bundeskriminalamtes und etliche helfende Hände aus dem Protokoll des Auswärtige Amtes, die wie stets für einen reibungslosen Ablauf sorgen werden. Und zwei komplette Crews, da die lange Reise mit kurz darauf folgendem Rückflug nicht von einer Besatzung allein bewältigt werden darf. Regierungschefin und Staatsoberhaupt werden längst wieder in Berlin sein, bevor die Nationalkicker am Dienstagvormittag in Deutschland und hoffentlich – im Falle des Triumphs – in der Hauptstadt eintreffen.
Ist Merkel nun schon routinierter Gast in der Umkleide der deutschen Nationalkicker – sie war ja auch zum Eröffnungsspiel gegen Portugal gereist und hatte danach die Spieler am Spind besucht -, so hat Gauck einen physischen Vorteil: Er dürfte in der Männerkabine sogar mitduschen. Schweißtreibend wird das Spiel ja auch für alle Zuschauer werden.