Merkel & Seehofer treffen sich Der Rosenkrieg

Das Misstrauen ist groß: Kanzlerin Merkel und ihr CSU-Widersacher Horst Seehofer sind sich uneins über den Kurs der Union. Das schadet beiden Parteien. Ob da ein Gespräch unter vier Augen hilft?

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Friedenstreffen? Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer reden am Dienstag unter vier Augen im Kanzleramt. Quelle: dpa

Berlin Es wäre so einfach gewesen: Die CDU-Chefin Angela Merkel trifft sich mit dem CSU-Chef Horst Seehofer in einer landschaftlich schönen Gegend und berät mit den Generalsekretären der Parteien und den Fraktionsspitzen des Bundestags, welche inhaltlichen Schwerpunkte die Schwesterparteien künftig betonen wollen, um dann nach gemeinsamem Wahlkampf 2017 zu ziehen und wieder eine klare Mehrheit bei der Bundestagswahl zu feiern ¬ wie zuletzt 2013. Da gab es fast eine absolute Mehrheit und Seehofer selbst betont gern: „Ich will, dass wir wieder so stark werden, wie wir waren.“

Doch so einfach ist es dann doch nicht: Zwar ist das Strategietreffen für den 24. und 25. Juni terminiert. Doch Merkel und Seehofer können sich nicht einmal mehr auf einen gemeinsamen Ort verständigen. Da fällt es umso stärker ins Gewicht, wenn sich beide unter vier Augen treffen – so wie heute Abend direkt vor der Sonder-Ministerpräsidentenkonferenz (Thema: Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes) und des morgigen Koalitionsgipfels (Themen: Erbschaftsteuer, Teilhabegesetz und anderes). Vom „Krisengipfel“ ist die Rede und vom „Friedensgipfel“, der da im Kanzleramt stattfinden wird.

Die Flüchtlingspolitik hat Merkel und Seehofer entzweit, vor allem, weil verbunden damit die schon tot geglaubte AfD wie Phönix aus der Asche zum Höhenflug ansetzte. Er kostet die Union Stimmen und bedroht die CSU mit ihrem Anspruch auf die absolute Mehrheit in Bayern. Das alles sorgt für Nervosität in der Union. Inzwischen wird gar kolportiert, im Kanzleramt gäbe es Pläne, die CSU zu schwächen.

Im Gegenzug heißt es, Seehofer wolle ohne Rücksicht auf Verluste der Kanzlerin schaden. Und im Konrad-Adenauer-Haus ist die Rede davon, dass die CSU sich wie die kleine Schwester aufführe, die im Supermarkt noch unbedingt einen Lolli bekommen wolle – und so lange aufstampfe, bis die große Schwester ihn ihr kauft.

Vor dem Treffen versuchten nun die Spitzen der Unionsfraktion im Bundestag die Wogen zu glätten. „Es wäre schön, wenn wir als Union wieder geschlossen auftreten“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer. „Sobald wir den Weg zu Gemeinsamkeiten finden, wird es auch schnell wieder öffentlich wahrgenommen.“ Eine Spitze in Richtung Seehofer konnte er sich dennoch nicht verkneifen: „Ich bin der festen Überzeugung, dass diese fast wöchentliche Kritik aus München der Union insgesamt schadet.“ Dies führe auch zu den sinkenden Umfragewerten.

„Es wäre schön, wenn die wöchentliche Kritik verstummt.“ Grosse-Brömer verwies darauf, dass die Gemeinsamkeiten zwischen CDU und CSU weit größer seien, als das Trennende. Dies zeige sich bei den meist einstimmig gefassten Beschlüssen im Bundestag.

„Wir reden zu viel über das, was nicht erreicht wurde“, sagte auch die Chefin der CSU-Landesgruppe, Gerda Hasselfeldt und kritisierte die Debatte zwischen CDU und CSU der vergangenen Monate. Vielmehr sollten beide Parteien kommunizieren, was erreicht worden sei und nun auf den Weg komme. Dazu gehörten die Grenzkontrollen, die Asylpakete, die Einstufung weiterer Herkunftsstaaten als sicher sowie das derzeit im Gesetzgebungsverfahren befindliche Integrationsgesetz. Darüber hinaus gelte es in Europa dafür zu sorgen, dass Flüchtlinge verteilt und die Außengrenzen gesichert würden. Ganz nebenbei gehe es Deutschland hervorragend, die Zahl der Arbeitslosen sei niedrig.


Rente? Steuersenkungen? Europa?

In normalen Zeiten wäre dies ein Garant für hohe Zustimmungswerte in den Umfragen und öffentliche Freudenparties der Schwesterparteien. Stattdessen gibt es das Krisentreffen. Es sei „immer hilfreich, dass man miteinander redet“, sagte Hasselfeldt zu dem Vier-Augen-Gespräch zwischen Merkel und Seehofer.

Es gebe noch etliche Themen, „die einer Annährung bedürfen“, etwa die Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen oder die Reform der Ökoenergien. Über die Vergangenheit zu reden könne „mal dazu gehören“. Sie glaube aber nicht, „dass uns das in der Sache weiter bringt“. Auch Grosse-Brömer sagte: „Ich verweise nicht rückblickend auf die Analyse, sondern vorausschauend auf die Zukunft.“

Das alles würde Seehofer unterschreiben. „Man muss Dinge, die die Menschen quälen, lösen“, sagt er etwa. Zugleich aber geht es ihm um den Zusammenhang von Ursache und Wirkung – so wie er ihn sieht. So sinkt die Zahl der Flüchtlinge aus seiner Sicht seit Jahresbeginn, weil die Staaten entlang der Balkanroute die Grenzen geschlossen haben. Das aber räumt Merkel nicht ein, käme das doch einem Eingeständnis von Fehlern gleich. Und was die Zukunft angeht: So will Seehofer erst im Frühjahr 2017 das Wahlprogramm und das Personaltableau für die Bundestagswahl festlegen. „Alles andere wäre falsch“, sagt er.

So lange also könnte er gegen die eigene Schwester poltern und so die Opposition gleich ersetzen. Andererseits betont er, dass eine Partei nur durch Visionen für die Zukunft eine Chance habe, eine deutliche Mehrheit zu gewinnen. Gerade deshalb sollte das gemeinsame Strategietreffen ja stattfinden, für das seit nunmehr sieben Wochen der richtige Ort gesucht wird. So also ist die Union gefangen zwischen dem Ärger der Vergangenheit und der fehlenden Vorstellung, womit sie gemeinsam im Wahlkampf werben will: Rente? Steuersenkungen? Europa?

Trotz aller Unbill zeigt sich CSU-Fraktionschefin Hasselfeldt zuversichtlich. Es habe in der Vergangenheit immer „schwierige Phasen und heftige persönliche Debatten gegeben“, etwa zwischen Franz Josef Strauß und Helmut Kohl, erinnerte sich die 65-Jährige. Im Nachhinein sei dies immer von Vorteil gewesen. „Diese Hoffnung darf man nicht aufgeben“, sagte Hasselfeldt. CDU und CSU jedenfalls hätten inhaltlich in dieser Legislaturperiode bereits „ein hervorragendes Ergebnis erreicht“.

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