Merkel und Seehofer Zerstrittene Parteichefs, genervte Mitglieder

Angela Merkel kann Horst Seehofer nicht mehr leiden - und umgekehrt. Andere Schlüsse sind jedenfalls aus ihrem Dauerkonflikt um die Flüchtlingspolitik kaum zu ziehen. Fällt die Union nun auseinander?

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Seehofer macht Merkel für die sinkenden Umfragewerte der Union im Bund und das Erstarken der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) verantwortlich. Quelle: dpa

Berlin Volker Kauder ist gut gelaunt an diesem sonnigen Dienstagnachmittag. Dabei hat er eigentlich keinen Grund dazu. Denn die Koalition streitet über die Gleichberechtigung von Frauen, die Erbschaftssteuerreform und das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG). Vor allem aber sieht es so aus, dass Kauders Union in Scherben liegt. Zerbrochen an der Flüchtlingspolitik und dem anscheinend unlösbaren Konflikt zwischen Angela Merkel und Horst Seehofer.

Kauder sagt am Rande der Fraktionssitzung von CDU und CSU im Bundestag: „Wenn sich zwei streiten, sind immer beide schuld.“ Das richtet sich auch an seine Parteichefin und Kanzlerin, wenngleich er uneingeschränkt an ihrer Seite steht. Er sagt aber noch etwas: „Wenn man den Satz ernst nimmt: Zuerst die Menschen, dann das Land und dann erst ich, wäre es höchste Zeit, den Streit zu beenden.“

Kauder würde Merkel wohl niemals und erst recht nicht öffentlich vorhalten, sie stelle ihr eigenes Interesse über die Belange des Landes. Die Mahnung dürfte an den bayerischen Ministerpräsidenten gerichtet sein, dem viele CDU-Politiker inzwischen vorhalten, ihn interessiere nur die absolute Mehrheit seiner CSU in Bayern und sonst gar nichts. Deshalb attackiere er die Kanzlerin immer wieder für ihre Flüchtlingspolitik, obwohl die Zahl der Neuankömmlinge zurückgehe.

Seehofer macht Merkel für die sinkenden Umfragewerte der Union im Bund und das Erstarken der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) verantwortlich. In der CDU wird wiederum Seehofer vorgeworfen, dass seine ewigen Angriffe gegen Merkel Wähler abschreckten. Im CDU-Präsidium verdrehen sie angeblich Montagmorgens die Augen, wenn Seehofer wieder Interviews gegeben hat.

Als die „Bild“-Zeitung am Dienstag berichtet, Seehofer vermute ein Komplott im Kanzleramt - dort werde die CSU als „Fehlkonstruktion“ betrachtetet - schütteln CDU-Politiker den Kopf. Wenn Seehofer das wirklich glaube, könne es um sein Selbstbewusstsein nicht gut bestellt sein. Von Verschwörungstheorie ist die Rede.

In der CDU ist die Stimmung ziemlich am Boden. Der Vorsitzende der Jungen Union, Paul Ziemiak, sagt das so: „Die Spitzen sollten sich zusammensetzen und sich keine Fernduelle über die Medien liefern. Von diesem Verhalten sind viele Mitglieder genervt.“ Nun trafen sich Merkel und Seehofer am Dienstagabend. Nur kurz zwischen Fraktionssitzung und Ministerpräsidentenkonferenz. Etwa eine halbe Stunde. Kann man in 30 Minuten eine Krise lösen? Wohl kaum.

Das Treffen sei auch gar nicht als Krisengespräch angelegt gewesen, heißt es aus Unionskreisen. Merkel und Seehofer stimmten sich oft vor Ministerpräsidentenkonferenzen kurz ab. Was die beiden genau beredeten, wurde anschließend nicht mitgeteilt. Merkel hatte auch schon während der Fraktionssitzung nach Teilnehmerangaben kein Wort gesagt. Das ist für sie ungewöhnlich.

Größere Erwartungen haben viele an die geplante Klausur der Parteispitzen von CDU und CSU Ende Juni. Dann reisen die Protagonisten für etwa 24 Stunden an. Wohin haben CDU und CSU noch nicht bekanntgegeben, nachdem sie sich heftig in die Haare geraten sind, wo der neutrale Boden denn sein soll, auf dem sie aufeinandertreffen wollen. Ziemiak spottet: „Sollen wir in den Medien neben dem Ort auch noch die Menüfolge des Essens diskutieren?“

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sagt: „Mir ist das völlig egal. An jedem Ort können wir uns in guter Atmosphäre treffen.“ Hasselfeldt meint es gut, sie ist eine wichtige Vermittlerin zwischen Seehofer und Merkel. In diesem Fall glaubt man ihr in der CDU aber nicht. Die unterschwelligen Drohungen, die CSU könne mit einem eigenen Wahlprogramm oder überhaupt allein zur Bundestagswahl 2017 antreten, lösten Ärger, Irritationen und Vertrauensverlust aus.

Kampfeslustig wird nun darauf verwiesen, dass im vorigen Wahlprogramm die Maut und das Betreuungsgeld standen - beides CSU-Themen und beides aus rechtlichen Gründen noch nicht verwirklicht. Es heißt in der Union, wo auch immer sie sich treffen werden, irgendwie würden sich Merkel und Seehofer schon auf irgendetwas einigen. Aber große Lust hätten beide nicht dazu.

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